Helge Schneiders neue Tour

"Zum Glück gibt es Beethoven, Goethe und DJ Bobo"

Helge Schneider in der Berliner Waldbühne.
Helge Schneider in der Berliner Waldbühne: Am 23. Juni startet die neue Tour "240 Years of Singende Herrentorte". © imago/Future Image
Von Till Lorenzen · 23.06.2017
Helge Schneider füllt mit seinem Programm aus swingendem Jazz, absurden Anekdoten und Clownerie regelmäßig Deutschlands Hallen. Seine neue Tour "240 Years of Singende Herrentorte" wurde maßgeblich von Ludwig van Beethoven geprägt.
"Ich möchte euch einen Komponisten vorstellen, den viele von euch vielleicht nicht kennen… Beethoven… Hier ist das Buch von ihm."
Beethoven und Helge Schneider. Mit dem großen Komponisten geht der Multiinstrumentalist immer wieder auf Tuchfühlung. Ganz zur Freude seiner Fans. Man könnte meinen, Helge Schneider macht sich über Beethoven lustig:
Schneider spielt Mondscheinsonate:
"Da schlaf ich immer ein. Aber es ist so schön…"
Schneiders Verarbeitung von klassischer Musik ist allerdings keine simple Verballhornung. Vielmehr schätzt er den Komponisten und verleibt sich Musik auf ganz eigene Art ein.
"Mein Problem mit Beethoven ist, dass ich kaum Noten kann. Und Beethoven konnte ganz gut Noten. Ich wäre gerne Beethoveninterpret, aber auch Mozartinterpret geworden, um mein Späßchen zu haben in klassischen Konzerten und zu schmunzeln. Und zu denken was die wohl denken, die da jetzt sitzen, ob das verboten ist, zu schmunzeln innerlich? Aus diesem Grund bin ich das geworden, was ich bin. Sonst wäre ich wahrscheinlich klassischer Pianist geworden, wenn ich mich dem untergeordnet hätte. Diesen vielen Regeln, die da auch an der Tagesordnung sind."

"Ich möchte gar nicht lustig sein"

Helge Schneiders eigene Ahnenforschung hat nun die neue Tour "240 Years of Singende Herrentorte" inspiriert. Angeblich hat nämlich der erste Helge Schneider 1777 mit Beethoven zusammen die Schulbank gedrückt. Da fing Beethoven an, öffentlich Klavier zu spielen und begeisterte mit seinen freien Improvisationen. Darin ist auch Schneider ein Meister.
Das Motto und Leitthema der Ahnenforschung ist für die Tour allerdings ebenso wenig bindend, wie der Versuch Helge Schneider in eine Schublade zu stecken: Er ist kein klassischer Pianist, kein reiner Jazzmusiker, vor allem sieht er sich nicht als Comedian:
"Ich werd ja manchmal zu Fernsehshows eingeladen, zu Comedyshows. Da geh ich gar nicht hin. Ich möchte gar nicht lustig sein. Also in diesem Sinne. Ich möchte nicht sagen: So, das ist jetzt der Witz. Sondern ich suche immer das Gegenteil, ich suche immer die Ernsthaftigkeit."
Wenn er dann doch mal in die flache Witzschublade greift, wird der Witz selbst direkt entzaubert:
"Nein, ich spiel lieber ein bisschen Klafünf. HAHAHAHAHA. Fünf. Klavier. HEHEHEHE. Muss man erstmal draufkommen. Das sind so Gags, die man sich ausdenkt am Schreibtisch."

Die Konstante ist das Inkonstante

Die Konstante in Schneiders Shows ist das Inkonstante. Teekoch Bodo ist eigentlich immer dabei und Lieder wie Fitze Fatze oder Der Meisenmann werden fast immer gespielt. Ansonsten wird improvisiert, frei fabuliert und Helge verlangt seinen Mitmusikern einiges ab:
"Ich habe festgestellt, sobald eine Band mehrmals dasselbe Programm gespielt hat, wird auch schnell mal eingeschlafen. Aber wenn man von vorneherein sagt, es passiert immer etwas Anderes, ihr müsst aufmerksam sein, macht das Zusammenspielen auch viel mehr Spaß."
Chaotisch ist das allerdings nicht. In Andrea Roggons Dokumentarfilm "Mülheim Texas" zeigt sich Schneider beim Soundcheck vor einer Show auch als strenger Bandleader mit klarer Vorstellung. Freiheit ja, aber alle hören auf seinen Einsatz:
"Genau, ja, nene Moment mal. Du musst mitspielen. Stop, er muss dann mitspielen. Gib ihm ein Zeichen. (Du spielst einen Takt) Wuhuuu. Pass auf, pass auf. Wenn ich so mache…Stop, stop, stop, nein falsch! Ich wollt noch sagen, wenn ich so mach am Anfang ‚Wuhuu‘, da hab ich noch nicht, das gilt nicht. Kapiert? (Nee…) Du hast jetzt gerade Falsch gespielt. Du hast den Ton, du hast C gespielt anstatt G, du musst erstmal bei G bleiben."

"Alt genug um zu sagen: Ich trete nur noch auf"

Ein Helge Schneider Konzert ist aber auch wegen der großartigen Mitmusiker ein Erlebnis. So viel er ihnen abfordert, so viel gibt er ihnen auch zurück: Ohne Solo und ironisch-liebevolle Streicheleinheiten für die Mitmucker geht es nicht. Seit Jahren spielt er mit bekannten Jazzern wie dem Schlagzeuger Willi Ketzer, Sandro Giampetro an der Gitarre oder Rainer Lipski an den Tasten.
"Rainer, mach du mal ein Solo."
Mit diesem Programm aus swingendem Jazz, absurdem Anekdoten und Clownerie füllt Helge die Hallen der Nation. So soll es auch in Zukunft bleiben, live aufzutreten hat in seinem künstlerischen Oeuvre den wichtigsten Platz.
"Also meine Lieblingskreativitäten sind einfach Liveauftritte. Du gehst auf die Bühne, da ist Publikum, du machst was, das Publikum applaudiert, alle sind froh und dann ist es zu Ende und auch schon vergessen. Und bei einer Schallplatte, oder einem Buch oder einem Film da machst du was und dann musst daran drehen, dass das am Ende auch noch verkauft wird. Aber mich persönlich interessiert das dann überhaupt nicht mehr. Ich glaube, ich bin jetzt alt genug um zu sagen: Ich tret jetzt nur noch auf. Und das auch nicht zu oft."
Ist Helge Schneider also auch etwas altersmüde geworden? In Talkshows zeigt er sich ruhiger, ist seltener der Blödelkasper. Tatsächlich verbiegt er sich wohl einfach für nichts mehr und macht, was ihm gefällt. Er wollte immer Musiker sein. Und Clown. Als Musikclown zweifelt an ihm mittlerweile fast niemand mehr.
Fitze Fatze: "Die Welt ist ein Jammertal ohne Musik. Doch zum Glück gibt es Beethoven, Goethe und DJ Bobo."
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