Heitere Blödelei ohne Bildungsabsicht

Rezensiert von Jörg Plath · 21.08.2006
Der jetzt neu aufgelegte Band des sehr erfolgreichen britischen Unterhaltungsschriftsteller P. G. Wodehouse ist ein luftiger Romanscherz. Wodehouse genügt ein Minimum an Handlung als Trampolin für seine schwerelosen Darbietungen. Charaktere sind dabei so hinderlich wie Konflikte, beide werden von Typen und Verwicklungen auf das Beste vertreten. Willkommen in der heilen, zeitlosen Welt der Schnurren. Oder in der der Boulevardprosa.
Der Umschlag strahlt in Gold. In ihm leuchten blau aus der Tiefe der Prägung Autorenname, Titel, Gattung und Verlag, eine prächtige Verpackung für diesen luftigen Romanscherz von P. G. Wodehouse. Es handelt es sich um einen Band aus der Reihe mit Butler Jeeves, in dem eben dieser von seinem Herrn Bertram Wooster über lange Strecken schmerzlich vermisst wird: "Wo bleibt Jeeves?"

Der sehr erfolgreiche und mit über 90 Büchern sehr produktive britische Unterhaltungsschriftsteller P. G. Wodehouse, zu dessen 125. Geburtstag die kleine Zürcher Edition Epoca den Jeeves-Roman wieder auflegt, darf mit Fug und Recht ein Jünger des reinen Vergnügens genannt werden.

Ihm genügt ein Minimum an Handlung als Trampolin für seine schwerelosen Darbietungen. Charaktere sind dabei so hinderlich wie Konflikte, beide werden von Typen und Verwicklungen auf das Beste vertreten. Willkommen in der heilen, zeitlosen Welt der Schnurren. Oder in der der Boulevardprosa.

Es ist eine adlige Märchenwelt im friedlichen Vorkriegsengland. Sie ist keusch: Es gibt die Liebe, aber Amor ist äußerst wankelmütig und geht lieber mehrmals in Richtung des Äußersten, als dort auch nur einmal anzukommen. Es gibt Küsse und Umarmungen, aber nur als Anzahlung auf eine Heirat. Beinahe ebenso oft dienen Küsse und Umarmungen zur instantanen Revision von Liebesschwüren und Heiratsversprechen – wenn nämlich im Überschwang der Verwicklungen, deren Berg- und Talfahrt jede Achterbahn wie ein Flachlandvergnügen aussehen lässt, der oder die Falsche geherzt wird.

Wodehouse lässt die Bösen den Guten begegnen, die Starken den Schwachen, die Bösen den Starken, die Guten den Schwachen, die Starken den, kurz: alle möglichen Konstellationen werden mehr oder minder zwanglos durchgespielt, und aus den beständig entstehenden Kalamitäten hilft nur die List heraus und in eine neue Konstellation hinein.

Hier kommt Butler Jeeves ins Spiel: Der Diener seines Herren Bertram Wooster, eines tollpatschigen, begriffsstutzigen, oft Bertie genannten Adeligen, ist, wie in der Literaturgeschichte vor und nach Hegel bereits verschiedentlich mit großem Erfolg erprobt, der Herr seines Herren und weiß stets Rat.

Zu Beginn des vorliegenden Romans allerdings tritt Butler Jeeves seinen Jahresurlaub an, und der verwaiste Bertie wird von Tante Dahlia eingeladen, eine illustre Gesellschaft in ihrer Villa zu komplettieren. Dort befinden sich bereits eine Krimiautorin mit ihrem Sohn, einem Playboy, dazu die von Bertie erfolglos verehrte Roberta Wickham, ein "fleischgewordener Schönheitswettbewerb" mit einer unglaublichen Lästerschnauze. Außerdem ein gewisser Audrey Upjohn, der verhasste ehemalige Pauker Berties, und dessen hübsche, aber tumbe Stieftocher Phyllis Millis.

Als Butler hat Tante Dahlia einen berühmten Gehirnspezialisten engagiert, der eine Expertise über den der Kleptomanie verdächtigen Playboy anfertigen soll. Wodehouse setzt das Gesellschaftsspiel des Jeder gegen Jeden in Gang, indem er Berties Schulfreund Reginald Herring auf den verhassten Pauker Upjohn hetzt und ihn zugleich in die Arme gleich beider junger Frauen taumeln lässt.

Es wäre kleinlich, P. G. Wodehouse gewisse Disproportionen der Konstruktion, die Vernachlässigung von Figuren oder die schlichte Belämmertheit einiger Szenen vorzuwerfen. Stürme im Portweinglas haben ihre Reize. Wie stets bei Wodehouse ergeben sie sich aus der unglaublichen Begriffsstutzigkeit, vor allem Berties, aus der Konfrontation von Erhabenem und Profanem beziehungsweise ramponiertem Adel und respektlosem Bürgertum sowie aus der Wiederholung mitsamt sarkastischem Understatement: Tante Dahlia kommentiert Phyllis Millis` fünf Mal beinahe wortwörtlich wiederholte Auskunft, ein verschwundenes Buch handele von Vorbereitungsschulen, erleichtert mit "Gottlob, das wäre geklärt."

All das mögen seit Jahrhunderten erprobte Mittel der Komödie sein, aber in der Übersetzung von Thomas Schlachter wirken sie wie gerade erfunden. Er macht mit "Dodeln", "Riesenpampeln" und "Haderlumpen" bekannt, brennt "Budenzauber" ab und löscht ihn sogleich mit "Milch der frommen Denkungsart". Es ist ein Sprachzauber, der von dem leichten Gespinst dieser heiteren Blödelei ohne Bildungsabsicht bleibt. Ein Sommerbuch.

P. G. Wodehouse: Wo bleibt Jeeves?
Roman. Aus dem Englischen von Thomas Schlachter.
Edition Epoca, Zürich 2006
192 Seiten 19,95 Euro