Heißer Sommer in New York

Rezensiert von Katharina Döbler · 04.08.2006
Truman Capote selbst war mit seinem Erstling "Sommerdiebe" so unzufrieden, dass er zu seinen Lebzeiten nicht veröffentlicht wurde. Als er 2005 in den USA erschien, löste er eine kleine Sensation aus. Dabei sind Sommerdiebe junge Leute, die ihren eigenen unklaren Wünschen an das Leben nachgeben, einen heißen New Yorker Sommer lang.
Es ist immer eine Gewissensfrage, ob ein von einem Autor verworfenes Buch posthum publiziert werden sollte. Das erste, wirklich allererste Buch von Truman Capote genügte den Ansprüchen seines Autors nicht. Die waren, bekanntlich, außerordentlich hoch. Sein berühmter, zum Buchtitel gewordener Ausspruch "Ich bin schwul, ich bin süchtig, ich bin ein Genie" war durchaus nicht ironisch gemeint.

Dennoch wurde sein Erstling letztes Jahr in den USA publiziert und löste eine kleine Sensation aus, nun liegt der kleine Roman "Summer Crossing" auch auf Deutsch vor.

"Sommerdiebe" heißt er bei uns. Die Sommerdiebe sind junge Leute, die ihren eigenen unklaren Wünschen an das Leben nachgeben, einen heißen New Yorker Sommer lang: Grady, eine reiche und schöne Siebzehnjährige aus der Fifth Avenue, verliebt sich in einen armen jüdischen Jungen aus Brooklyn. Dieser Clyde ist weiß Gott kein Diamant, aber ungeschliffen ist er ganz gewiss und ziemlich sexy.

Doch Capote beschreibt keine zarte junge Verliebtheit, sondern ein Begehren, das sich aus dem Gefühl nährt, etwas Verbotenes zu tun. Das Leben der behüteten Grady besteht plötzlich nicht mehr aus Einkaufsbummel und Vorbereitungen zum Debütantinnenball, sondern füllt sich mit Möglichkeiten, süß und gefährlich.

Sexuelle Verlockungen und gesellschaftliche Verbote sind uralte Ingredienzien des Melodrams. Und vielleicht liegt darin der Grund für Capotes Kapitulation vor diesem Buch: Eine wirklich romantische Liebesgeschichte wäre unter des Autors ironischer Würde gewesen, aber die Handlung als solche ist melodramatisch wie ein Heftchenroman.

In den nahezu zehn Jahren, in denen Capote wieder und wieder an diesem Manuskript arbeitete, mag er vieles verändert haben, aber nicht das Grundmuster der Handlung. Das hat er dann später getan, und es wurde ein ganz anderes Buch daraus: Frühstück bei Tiffany.

Das Porträt einer zauberhaften, rebellischen, naiven und seltsam verloren wirkenden jungen Frau hat er aber erstmals in den "Sommerdieben" gezeichnet.

Wäre sie eine gewöhnliche Schnulzenheldin, würde sie die Liebe wollen und an der Konvention scheitern. Aber sie ist ein Capote-Geschöpf und der Regelverstoß ist ihr ureigenstes Lebenselixier.

Viele Grundmotive Capotes und viele seiner erzählerischen Eigenheiten sind hier bereits zu finden: Das kleine Buch zeigt seine frühe stilistische Meisterschaft und den noch jungen Giftzwerg bereits in beachtlicher Größe.

Truman Capote: Sommerdiebe
Werkausgabe in 8 Bänden, Band I
Herausgegeben von Anuschka Poshani
Aus dem Amerikanischen von Heidi Zerning
Kein und Aber Verlag, Zürich
139 Seiten, 16,90 Euro