Heiliger und Herrscher

Von Peter Hertel · 28.04.2009
Die Abtei von Cluny in Burgund war im 11. Jahrhundert Zentrum eines gewaltigen Klosterstaats mit immenser religiöser, politischer und wirtschaftlicher Macht. Ihr Abt Hugo von Cluny herrschte wie ein Monarch. Er setzte sich für eine Reform der Kirche, gegen den Handel mit Kirchenämtern und die Priesterehe ein. Bereits zwölf Jahre nach seinem Tod im Jahre 1109 wurde Hugo von Cluny zum Heiligen der katholischen Kirche erhoben.
"Gib uns Frieden" singen auch in unseren Tagen die Benediktiner in ihren Klosterkirchen - wie einst die Mönche von Cluny in Burgund. Aber dort erinnern heute nur noch ein paar Reste an das Kloster und die riesige Basilika, die im Mittelalter das größte Gotteshaus der Christenheit war. Ihr Bauherr, Abt Hugo von Cluny, wurde dort beigesetzt, nachdem er am 28. April 1109 gestorben war. Kurz vor seinem Tode hatte er geschrieben:

"Gott hat Cluny in seiner Gnade groß gemacht an Mönchen und an Besitz, nicht nur in unserem Raum, sondern auch in Italien, Lothringen, England, in der Normandie, der Francia, in Aquitanien, der Gascogne, der Provence und in Spanien."

Cluny im 11. Jahrhundert: ein gewaltiger Klosterstaat, ein Imperium mit immenser religiöser, politischer und wirtschaftlicher Macht. Die Abtei Cluny ist Haupt eines Verbandes mit etwa 1100 Klöstern und mehr als 15.000 Mönchen. Sein Großabt, Hugo von Cluny, im Jahre 1024 als Sohn eines burgundischen Grafen geboren, herrscht wie ein Monarch. Von Cluny geht eine Kirchenreform aus, die schon unter Hugos Vorgängern begonnen hat.

Erneuert werden nicht nur Liturgie und Gebet, sondern auch Glaube und Kirche. Sogar die Kreuzzugsidee verbreitet sich von Cluny aus. Vor allem wird Front gemacht gegen drei Praktiken, die als Übelstände angesehen werden:

"Erstens die Simonie, also die Korruption des Priesterstandes, ein schwungvoller Handel mit geistlichen Ämtern und Weihen, zweitens Priesterehe und Priesterkonkubinat, drittens die Laieninvestitur, also Geistliche, insbesondere Bischöfe oder gar Päpste, sollen nicht von Laien in ihre kirchlichen Ämter eingesetzt werden."

Die drei Reformforderungen werden auf lokalen Synoden vertreten, spätestens unter Abt Hugo sind sie in Rom angekommen. Hauptförderer wird Papst Gregor VII. Wegen seiner Härte und seines Fanatismus nennt ihn Kardinal Petrus Damiani, der spätere katholische Kirchenlehrer, den "heiligen Satan". In einem persönlichen Brief legt Papst Gregor dem befreundeten Abt Hugo seine Verbitterung dar - über Fürsten und Könige in Europa, die das Vorrecht des Papstes bestreiten:

"Unter allen weltlichen Fürsten erkenne ich keine, die Gottes Ehre der ihrigen und das Recht dem Vorteil voranstellen."

Gregor bittet den Abt von Cluny um Hilfe und identifiziert sich dabei mit dem Apostel Petrus, zu dessen Nachfolgern er sich zählt.

"Wir ermahnen Dich, die hilfreiche Hand zu leihen, indem Du diejenigen, die den heiligen Petrus lieben, immer wieder dringlich mahnst: keine weltlichen Fürsten sollen ihnen teurer sein als er."

Einige Monate später bietet ihm Abt Hugo seine hilfreiche Hand, aber auch dem König Heinrich IV., dessen Taufpate er ist. Er vermittelt im sogenannten Investiturstreit. Kirche und Staat tragen einen erbitterten Machtkampf um die Vorherrschaft aus. Gregor VII. hat König Heinrich IV., den späteren Kaiser, in den Bann getan, ein bis dahin nie gesehenes Ereignis. Politisch unter Druck sucht der König die Aufhebung des Banns und begibt sich auf die Burg Canossa in Italien, wo sich der Papst aufhält. Dort leistet Heinrich drei Tage lang Buße, Gregor löst den Bann und ein Vertrag kommt zustande. Einige Zeit später schreibt der Papst den deutschen Fürsten:

"Wir haben euch den Eid übersandt, den König Heinrich leistete, nachdem er seine eigene Hand in die Hand des Abtes von Cluny gelegt hatte."

Der Vertrag jedoch wird von den fürstlichen Gegnern Heinrichs IV. torpediert. Hugo von Cluny habe darin das Scheitern dieser konkreten Mission gesehen, meinen Kirchenhistoriker heute. Womöglich deshalb habe er sich mehr und mehr nach Cluny zurückgezogen. Andere sagen, der Rückzug des Abtes deute an, dass er die Kirchenpolitik Gregors VII. missbilligt habe - jene berühmte gregorianische Wende, die das Papsttum mehr und mehr auf den Gipfel absolutistischer Macht brachte; und durch die sich die katholische, die allumfassende, christliche Kirche, im Westen zu einer romanisierten Papstkirche entwickelte.