Haute Couture im Nachkriegsdeutschland

Von Susanne von Schenck · 12.02.2007
Vor 60 Jahren - am 12. Februar 1947 - stellte Christian Dior in Paris seine erste Kollektion vor. Dieses für die Modegeschichte des 20. Jahrhunderts legendäre Datum war für die Berliner Kunstbibliothek Anlass, die Beziehungen des großen Couturiers zu Deutschland zu beleuchten. 20 Haute-Couture-Modelle aus deutschen Sammlungen, Modeschmuck, Accessoires, Fotografien und Zeichnungen sind zu sehen.
In dem Namen Dior stecke Dieu – Gott und or – Gold – mit diesem Wortspiel brachte der französische Schriftsteller Jean Cocteau es auf den Punkt. Dior – ein Modegott, einer, der aus seinem Unternehmen einen weltweit agierenden Konzern machte.
1947 stellte er seine erste Kollektion vor: die Ligne Corolle – eine Sensation. Endlich gab es nach den Kriegsjahren wieder eine feminine Linie: die Taille war betont, die Röcke schwangen. Als New Look trat Diors Kollektion ihren Siegeszug um die Welt an. Auch in Deutschland.

"Wir erleben in den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern das übliche Phänomen. Sobald der Feind wieder neutral wird, wendet man sich in der Mode sofort wieder nach Paris. Das gab’s schon im 1870er Krieg, da gab es ein Jahr Modeverbot für die Pariser Einflüsse, es gab im Ersten Weltkrieg die gleiche Bewegung, im zweiten dasselbe, aber unmittelbar nach Kriegsende, fährt, wer irgendwie die Möglichkeit hat, fährt nach Paris, um sich inspirieren zu lassen."

Adelheid Rasche ist die Kuratorin der Ausstellung "Christian Dior und Deutschland". Es ist erstaunlich, dass Dior schon so bald nach dem Krieg intensive Beziehungen zu dem noch vor kurzem feindlichen Nachbarland unterhielt. Als Dior - sehr vorausschauend - eine Lizenzabteilung in seinem Pariser Haus gründete, schloss er damit auch Verträge mit deutschen Firmen ab: In Lippstadt mit Uhlemann, Hersteller von Perlonstrümpfen, in Pforzheim mit Henkel und Grosse, die unermüdlich Diors "Parures" – die Schmuckensembles - aus Perlen, Strass und Messing anfertigten, glitzernde Klunker, von denen in der Ausstellung eine große Auswahl zu sehen ist. Dank der Medien wurde Christian Dior im Nachkriegsdeutschland schnell bekannt. Bald gab es die ersten Dior Modeschauen.

Zehn dieser elitären Präsentationen, das dokumentiert die Berliner Ausstellung anhand von alten Wochenschauen, fanden zwischen 1949 und 1953 in Deutschland statt. Ein Prestigegewinn für Christian Dior.
Der reiste Anfang Oktober 1955 selbst nach Deutschland. In sechs Tagen absolvierte er ein Mammutprogramm: Empfänge, Interviews, Besuche in acht Städten.

"Ich glaube, dass er durch sein einnehmendes Wesen, durch seine unglaublich sympathische Art und durch seine ungezügelte Kreativität einer damals noch sehr kleinen Klientel ein Modeverständnis gezeigt hat, was ausschließlich positiv aufgenommen wurde."

Claus-Dietrich Lahres, Chef der Modelinie des Dior-Konzerns, sieht den Franzosen als deutsch-französischen Kulturvermittler der Nachkriegszeit. Zwar feierten die Deutschen den Modeschöpfer, aber bei aller Faszination wurde, so Adelheid Rasche, doch auch Kritik laut.

"Wir haben in den Modejournalen so ganz zu Anfang in den ersten paar Monaten, also auch wie in Amerika… schon noch die absoluten Gegenbewegungen. Dass man sagt, man verbraucht viel zu Textil, damit kann man fünf Frauen einkleiden statt einer."

Am 3. Oktober 1955 landet Christian Dior auch in Berlin. Es ist die längste Station auf seiner einwöchigen Tour durch Deutschland. Fotos zeigen, wie er im dunklen Anzug über den Kurfürstendamm flaniert. Im Hotel Kempinski ist ein Pressetermin anberaumt. Geduldig beantwortet Dior alle Fragen.

Allein sieben der Dior-Entwürfe in der Ausstellung hat Marlene Dietrich getragen. Darunter den "Schwarzen Schwan", eine dunkle, hochelegante Robe aus Samt und Satin. Ein eher schlichtes Kostüm ließ sich die Diva von Dior ihre Rolle in dem Hitchcock Film "Stage Fright", "die rote Lola" anfertigen.

"Wo wir jetzt stehen, das ist ein schönes strenge Kostüm, Acacia. Jedes Kleid in der Haute Couture kriegt ja auch eine Eigennamen. Es ist aus der Kollektion des Frühjahr, Sommer 1949, die sich Trompe l’oeil, also Augentäuschung nennt. Es ist ein ganz strenges zweiteiliges Kostüm, man sieht noch einen militärischen Einfluss. Wir sind auch 1949, wir sind noch nicht in den späteren Jahren, die dann die geometrischen Linien haben."

Heute ist die Mode vielfältiger denn je, aber auch orientierungsloser. Gerade mal acht Haute Couture Häuser sind heute in Paris verzeichnet, zu Diors Zeiten war sein Unternehmen mit der Nummer 116 eingetragen. Auch wenn Christian Dior seine Kostüme, Mäntel und Kleider für eine zahlungskräftige Haute Volée anfertigte, so propagiert er doch, dass jede Frau elegant sein könne, ohne dass sie sehr viel Geld für ihre Kleider ausgeben müsse. Einfachheit, guter Geschmack und Perlen seien drei Grundgesetze, deren Beachtung sie kein Geld koste.
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