Haus der Kulturen der Welt

Wie die Sowjetunion wider Willen subversive Filmemacher ausbildete

Didi Ould Nana, ein mauretanischer Student des Studiengangs Kamera in der Sowjetunion. Die Reihe "Saving Bruce Lee" im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zeigt Filme von arabischen und afrikanischen Filmemachern, die einst in der Sowjetunion ihr Handwerk lernten.
Didi Ould Nana, ein mauretanischer Student des Studiengangs Kamera in der Sowjetunion. © Courtesy VGIK-Archive, vgik.info
Koyo Kouoh im Gespräch mit Max Oppel · 19.01.2018
Die Reihe "Saving Bruce Lee" im Haus der Kulturen der Welt zeigt Filme von arabischen und afrikanischen Filmemachern, die einst in der Sowjetunion ihr Handwerk lernten. Die Kulturdiplomatie habe eigentlich einen anderen Zweck verfolgt, sagt Kuratorin Koyo Kouoh.
Im Kalten Krieg war auch die Kultur ein umkämpftes Feld der ideologischen Einflussnahme – die Supermächte versuchten global, in der Literatur, in der Kunst und im Kino ihre Sicht der Dinge zu verankern. Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin reflektiert diesen Wettlauf unter anderem mit der Vortragsreihe "Saving Bruce Lee – Afrikanischer und arabischer Film in Zeiten sowjetischer Kulturdiplomatie".
Hintergrund ist die Tatsache, dass viele heute namhafte arabische und afrikanische Filmschaffende in den 60er- bis 80er-Jahren in Moskau studierten – und ihr Wissen umsetzten, allerdings anders als man es vermuten würde.
Koyo Kouoh (l.) und Rasha Salti kuratieren die Reihe "Saving Bruce Lee – Afrikanischer und arabischer Film in Zeiten sowjetischer Kulturdiplomatie" im Haus der Kulturen der Welt in Berlin (19. - 21.1.2018)
Koyo Kouoh (l.) und Rasha Salti kuratieren die Reihe "Saving Bruce Lee".© Christoph Terhechte
Koyo Kouoh, Kuratorin der Reihe, erklärt, was es mit dem Bezug zu dem Schauspieler Bruce Lee im Titel auf sich hat:
"Was viele in Europa und in den USA vielleicht nicht wissen, wie groß und einflussreich Bruce Lee in Afrika und in der arabischen Welt war. Alle, die in den 60er-, 70er- bis in die 80er-Jahre aufgewachsen sind, hatten eigentlich zwei Haupthelden des Kinos. Eine davon war Bruce Lee und der andere lustigerweise Louis de Funès."
Der Film "Beyond Territories" Valérie Osouf von 2017 porträtiert den mauretanischen Filmemacher Abderrahmane Sissako, dessen Filme in der Reihe "Saving Bruce Lee" im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu sehen sind.
Inzwischen werden über die Filmemacher von damals Filme gemacht: Der Film "Beyond Territories" (2017 ) von Valérie Osouf porträtiert den mauretanischen Filmemacher Abderrahmane Sissako.© Courtesy the filmmaker

Mit visuellen Tricks die Macht ergreifen

Einige der Filme zum Beispiel von Abderrahmane Sissako aus Mauretanien, dessen Film "Timbuktu" auch auf der Berlinale lief, oder von dem Syrer Ossama Mohammed, der jetzt in Paris lebt, sind im Programm der Reihe zu sehen. Koyo Kouoh, die als Kuratorin und Kulturproduzentin und in Dakar (Senegal) arbeitet, erklärt:
"Die Ausbildung der jungen Filmemacher erfolgte auf eine ganz andere Art und Weise und war oftmals sehr subversiv. Sie haben dort gelernt, wie man verschiedene Tricks benutzen kann, um visuell dieser Subversion Ausdruck zu verleihen, um ein Niveau zu schaffen, mit dem man eine Opposition zur Macht herstellen kann, eine Idee des Antihelden zu erzeugen, eine Narrative, die alternative Sichtweisen ermöglicht. Und viele Studenten der russischen kinematographischen Schule haben dort diese Subversion erst gelernt und visuelle Tricks, die Macht anzugreifen ."

Der Supermacht (nicht) die Treue halten

Die Filmemacher gingen in den 60er- und 70er-Jahren zurück in ihre afrikanischen oder arabischen Länder. Sie ließen den Sinn für Revolution und Opposition dort wieder aufleben. Hat die sowjetische Kulturdiplomatie damit ihre Ziele verfehlt?
"Das Paradoxe war, dass das gesamte Ausbildungsprogramm der Sowjetunion mit ausländischen Stipendiaten – das gab es ja bei beiden Supermächten, auch in den USA – (...), dass das nicht zu den Ergebnissen geführt hat, die sich diese Supermächte erhofft haben. Was sie erhofft hatten war, dass diese Menschen in ihre Länder zurückkehren und dann der jeweiligen Supermacht die Treue halten, aber das hat eben nicht geklappt. (...) Man hätte erwarten können, dass die Stipendiaten kommunistisch indoktriniert zurückkehren, aber das Gegenteil trat ein. Sie sind von subversiven Ausbildern geprägt worden und sie sind nicht als Propagandaträger zurückgekehrt, sondern als Revolutionäre."
(cosa)
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