Hauptfigur ist die Literatur

Rezensiert von Carolin Fischer · 26.04.2006
Der eigentliche Protagonist des Romans "Der schnellfüßige Achilles" von Stefano Benni ist die Literatur. Der italienische Schriftsteller und Satiriker entzündet ein postmodernes Feuerwerk an Intertextualität. Im Mittelpunkt steht eine Männerfreundschaft zwischen Achilles und Ulysses in der Zeit des italienischen Wirtschaftswunders.
Bereits in Bennis letztem Roman, dem "Zeitenspringer", begegnete man einigen seltsamen Gestalten. Die hielten sich aber, wie es sich für märchenhafte Figuren gehört, außerhalb der Zivilisation, sprich im Wald und in den Bergen auf. Sie erschienen vor allem denen, die an sie glauben, nämlich den Kindern.

Bei aller amüsanten Erzählweise hatte der Text durchaus eine gesellschaftspolitische Dimension, denn er schilderte die Entwicklung eines italienischen Dorfes im Wirtschaftwunder mit ihren Segnungen und Flüchen, mit Umweltzerstörung, Drogen und mafiöser Korruption. Diesmal nun ist die politische Dimension ganz in den Hintergrund gedrängt, eine Art Bürgerkrieg, an dessen Ende der als "Cavaliere" oder "Duce" bezeichnete Regierungschef, dessen Verbindungen ins Verlags- und Bankenwesen ebenso hineinreichen wie zur Mafia, fliehen muss.

Die Anspielungen sind nur zu evident, spielen aber für die eigentliche Handlung keine Rolle; sie tragen lediglich zum allgemeinen Chaos bei. Ulysses, Verlagslektor, wird plötzlich von kleinen Figuren belagert, die auf ihm herumturnen und ihn kommandieren wollen. Es sind die Autoren der Manuskripte, die er lesen sollte. Gleichzeitig versucht er seiner Geliebten Pilar Penelope beim Kampf um ihren Arbeitsplatz sowie die Aufenthaltsgenehmigung zu helfen, vor allem aber seinen Verlag vor dem Untergang, respektive dem Verkauf an ein Großunternehmen zu retten.

In dieser gelinde gesagt komplexen Situation erhält er eine geheimnisvolle Botschaft des Titelhelden Achilles, der allerdings keineswegs schnellfüßig, sondern schwerstbehindert an den Rollstuhl gefesselt ist. Es entwickelt sich eine bizarre Freundschaft, und Ulysses inspiriert Achilles durch seine Erzählungen so sehr, dass dieser innerhalb kürzester Zeit einen Roman schreibt, sich das Leben nimmt und den Text dem Freund vermacht, damit er ihn unter eigenem Namen veröffentlicht, womit der Verlag vor dem Ruin bewahrt wird.

Wie dieses krude Handlungsschema vermuten lässt, ist der eigentliche Protagonist des Romans die Literatur. Benni entzündet ein postmodernes Feuerwerk an Sprachspielen und Intertextualität, das sich keineswegs auf die Homerischen Namen der Figuren beschränkt.

Zitate aus den verschiedenen "Skriptmanusen", die Ulysses mit sich herumträgt, oder die Auszüge aus Achilles wildem Werk vervollständigen das virtuose Jonglieren mit verschiedensten Stilen und Gattungen, das den Leser mitunter schwindelig macht. Wer sich allerdings auf Bennis kunterbunten Sprachkosmos einzulassen bereit ist, der kann Zeuge einer überbordenden Phantasie werden.

Stefano Benni: Der schnellfüßige Achilles
Übersetzt von Moshe Kahn.
Verlag Klaus Wagenbach. München 2006.
265 Seiten. 19,50 Euro.