Haucap: Zusammenschluss von Karstadt und Kaufhof könnte funktionieren

Justus Haucap im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 09.06.2009
Der Vorsitzende der Monopolkommission, Justus Haucap, hat sich dagegen ausgesprochen, den angeschlagenen Arcandor-Konzern mit Staatsgeldern zu unterstützen. Es sei schwer vermittelbar, warum der Steuerzahler Geld aufbringen soll, wenn nicht einmal die Eigentümer bereit seien, mehr Geld nachzuschießen. Ein Zusammenschluss der Warenhausketten Karstadt und Kaufhof sei hingegen ein denkbarer Weg, um den Konzern zu retten.
Jörg Degenhardt: Karstadt trägt Trauer. Wo sonst Schaufensterpuppen neueste Mode tragen, füllen dunkle Tücher an vielen Standorten die Auslagen. Die Stimmung der Mitarbeiter in den Filialen ist im Keller. Die Zukunft ihres Arbeitgebers steht in den Sternen, das heißt stünde sie da, wäre sie ja noch offen, aber mittlerweile scheint alles auf eine Insolvenz hinauszulaufen. Der Staat jedenfalls will vorerst nicht in die Bresche springen, aber mal sehen. Arcandor gibt nicht auf. Heute soll in Berlin ein nachgebesserter Antrag auf staatliche Rettungsbeihilfe vorgelegt werden. - Professor Dr. Justus Haucap ist am Telefon, er ist der Vorsitzende der Monopolkommission und Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspolitik der Universität Erlangen/Nürnberg. Guten Tag, Herr Haucap!

Justus Haucap: Guten Morgen!

Degenhardt: Spielt der Konzern auf Zeit mit diesem neuerlichen Streben nach Staatsgeldern? Was meinen Sie?

Haucap: Ich denke, es ist verständlich, solange man dem Konzern eine Tür offen lässt, dass sie alles tun, um die Arbeitsplätze und ihr Vermögen zu retten. Ich bin nicht sicher, ob da auf Zeit gespielt wird. Es ist einfach so: Dort ist ja jetzt eine Tür offen gehalten worden (von der Politik auch), und dann ist es verständlich, dass das Management und die Eigentümer von Karstadt beziehungsweise Arcandor versuchen, noch alles zu tun, was möglich ist.

Degenhardt: Sie haben bereits mehrfach in den letzten Tagen Ihre Bauchschmerzen gegenüber Staatshilfen geäußert. Kann es sich auf der anderen Seite die Politik wirklich leisten, zumal in einem sogenannten Superwahljahr, tatenlos zuzusehen, wenn ein Unternehmen dieser Größe dann möglicherweise in die Insolvenz gehen muss, mit allen möglichen Folgen?

Haucap: Ob die Politik sich das leisten kann, ist ja die eine Frage. Die Frage ist, die wir uns natürlich als Steuerzahler und Bürger auch stellen müssen, ob wir uns das wirtschaftlich überhaupt leisten können, denn das Geld, was da in sehr unsichere Konzepte investiert wird, das fehlt ja automatisch an anderer Stelle. Man muss sich so ganz nüchtern die Frage stellen: Wollen wir lieber einen staatlichen Warenhauskonzern betreiben oder retten oder mit viel Geld unterstützen, oder wollen wir das Geld lieber in Dinge wie Gesundheit, Bildung, Infrastruktur und andere Maßnahmen stecken. Das ist ja die Frage, die sich letztendlich stellt, und das wird manchmal nicht deutlich genug ausgedrückt, dass man das Geld, was man in diesen Konzern steckt, nicht gleichzeitig in das Gesundheitswesen zum Beispiel stecken kann.

Degenhardt: Das ist wohl wahr. Schauen wir dann auf die andere Seite. Haben denn aus Ihrer Sicht die Eigentümer ihrerseits ein klares Signal für die Zukunft des Unternehmens gesetzt? Das wäre doch das mindeste, bevor dann die öffentliche Hand einspringt.

Haucap: Dieses Signal scheint ja ganz deutlich zu fehlen. Das ist ja auch kritisiert worden, dass wenn die Eigentümer schon nicht bereit sind, hinreichend viel von ihrem eigenen Geld nachzuschießen, dann doch sehr fraglich ist, warum der Steuerzahler dieses Geld aufbringen soll, warum er gerade gutes Geld schlechtem hinterherwerfen soll, wenn die Eigentümer selbst anscheinend nicht das Vertrauen in das Unternehmen haben, dass es wieder auf einen grünen Zweig kommen wird, jedenfalls nicht hinreichend viel Vertrauen, um da auch ihr Kapital in ausreichendem Maße zur Verfügung zu stellen.

Degenhardt: Ein möglicher Zusammenschluss der Warenhausketten Karstadt und Kaufhof könnte ja nun ein Ausweg sein aus der momentanen Situation, wenigstens für diesen Teilbereich von Arcandor und wenn die Wettbewerbsbehörden natürlich mitspielen. Das ist die Voraussetzung. Was halten Sie denn von einer sogenannten deutschen Warenhaus AG, oder riecht das etwa nach Wettbewerbsverzerrung?

Haucap: Ich glaube, die Idee könnte gar nicht so schlecht sein. Es ist aber ganz richtig, dass das Kartellamt das sorgfältig prüfen muss beziehungsweise die Europäische Kommission, ob es hier auch zu einer Vermachtung von Märkten kommen kann. Allgemein ist es allerdings so, dass die Warenhäuser an sich wahrscheinlich in einigen Bereichen kein Monopol mehr bilden würden, würde ich einmal sagen. Man muss dann wirklich auf die einzelnen Sortimente gucken. Wenn man sich das anguckt: die Lebensmittelabteilungen dieser Häuser würde man sicherlich nicht als Monopol empfinden, denn es gibt auch zahlreiche andere Supermärkte, in denen man einkaufen kann. Wenn man dann an die Bekleidungssparte guckt, denkt man sicherlich auch, dass auch dort die mit anderen Bekleidungshäusern konkurrieren.

Wenn man die Sparten durchgeht, kommt man sicherlich zu dem Schluss, dass in einigen Bereichen doch die Konkurrenz größer ist als es die früher war, insbesondere auch durch die sogenannten Einkaufszentren oder Malls, die ja heute den Warenhäusern sehr zusetzen. Da ist doch ein gewisser Konkurrenzdruck da. Man muss es allerdings sehr genau analysieren, ob dann in einzelnen regionalen Märkten gerade im ländlichen Bereich nicht doch Monopolstellungen entstehen können. Da wäre das Kartellamt dann gefordert, auch detailliert zu analysieren, aber da bin ich mir sicher, dass es das auch tun würde.

Degenhardt: Sie haben gerade, Herr Haucap, die Malls angesprochen. Hat das Kaufhauskonzept in seiner jetzigen Form überhaupt noch eine Zukunft?

Haucap: Das kann man so pauschal vielleicht nicht beantworten. Kaufhof steht ja durchaus nicht schlecht da, auch wenn Kaufhof sich natürlich eher diesem Mall-Konzept angenähert hat. Aber es scheint tatsächlich so zu sein, dass ein Großteil der Verbraucher lieber in Einkaufszentren geht, in denen dann viele kleinere oder auch größere unabhängige Unternehmen oder Geschäfte versammelt sind, als in einem großen Kaufhaus alles zu kaufen. Das scheint der Trend zu sein, dem die Verbraucher folgen, und das ist natürlich schwer aufzuhalten. Wenn die Verbraucherwünsche sich ändern, dann muss man sich auch von bestimmten Konzepten im Einzelhandel verabschieden. Das ist dann leider Gottes so.

Degenhardt: Das heißt, wir haben auf der anderen Seite die Arkaden beispielsweise, die Einkaufscenter, es würde nicht gleichbedeutend sein, wenn jetzt Karstadt den Bach runterginge, dass die Innenstädte damit veröden?

Haucap: Nicht automatisch, oder man muss es vielmehr umgekehrt formulieren. Wenn Karstadt gerettet werden würde, ist keineswegs gesagt, dass es nicht doch zu der Verödung bestimmter Innenstädte gerade vielleicht in eher ländlichen Bereichen kommt, denn Karstadt muss ja nichts desto Trotz dann versuchen, profitabel zu werden, und wenn ein Kaufhaus in einem bestimmten Gebiet nicht mehr profitabel zu betreiben ist, dann hilft auch eigentlich heutige Staatshilfe nicht, da langfristig einen Kaufhausstandort zu sichern.