Harte Zeiten für Hamburger Höllenengel

Von Reiner Scholz · 11.08.2008
Sie gelten bis heute als Bedrohung für die Gesellschaft: die "Hells Angels". Die Ursprünge dieser Motorradrocker mit großem Freiheitsdrang und rigidem Ehrenkodex liegen in den USA. In den siebziger Jahren gründete sich in Hamburg der erste deutsche Ableger. Vor 25 Jahren wurden 24 Mitglieder während einer großen Polizeirazzia festgenommen, der Verein kurz darauf verboten.
"Der Hamburger Polizei ist ein Handstreich, ein Überraschungscoup gelungen. Gestern Abend saßen die 'Hells Angels', immerhin ein eingetragener Verein, bei Ihrer Vorstandssitzung in ihrem Vereinslokal 'Angel Place' in der Hamburger Schanzenstrasse beisammen. Gegen 20:15 Uhr waren alle verhaftet."

An der Aktion vom 11. August 1983, über die der Reporter vom NDR berichtet, waren 500 Beamte beteiligt. Sie galt "den Hells Angels", der am meisten gefürchteten Bande einer neuen Subkultur: Den Rockern. Es gab sie, so Innensenator Alfons Pawelzcyk damals, nicht nur in Hamburg.
"In einer Aktion sind 24 Personen verhaftet worden von der Gruppe 'Hells Angels'. Es sind 80 Lokale, Bordelle und Wohnungen in Hamburg und in anderen Bundesländern durchsucht worden. Heute Vormittag sind in der Schweiz im Zusammenhang mit dieser Aktion sechs weitere Verhaftungen vorgenommen worden und 14 Objektdurchsuchungen."

Die Liste der Beschuldigungen war lang und umfasste das gesamte Spektrum szenetypischer Rotlichtkriminalität: Menschenhandel, Drogen, Freiheitsberaubung und Schutzgelderpressung. Knapp zwei Monate später wurden die Hamburger "Hells-Angels" verboten.

Die "Hells-Angels", benannt nach einer US-Bomberstaffel im Zweiten Weltkrieg, entstanden 1948 in den USA. Sie sehen sich - unverändert bis heute - als Elite der Rocker und als Gegenentwurf zu der von ihnen sogenannten Spießergesellschaft. Lederjackentragende Motorradenthusiasten, Männer, die von der Gesellschaft als bedrohliche Outlaws betrachtet werden - und sich selbst häufig auch als solche geben. Gewaltbereit und abgeschottet nach außen, streng hierarchisch und kameradschaftlich nach innen, mit archaischen Aufnahmeritualen, Ehrenkodex und einem Hang zur "Das-regeln-wir-schon-alleine" - Selbstjustiz.

Diesen Widerspruch aus Freiheitsdrang einerseits und strenger Unterwerfung unter die Clubregeln andererseits nennen Sozialwissenschaftler das "Rocker-Paradoxon":

"Ich bin Rocker, meine Gang nennt sich 'Luifers Mob'. Am Tag bin ich Schlosser, das ist ein ziemlicher mieser Job."

1971 reiste ein 22-jähriger Hamburger nach Kalifornien und bat dort um die Erlaubnis, ein eigenes - sogenanntes - "Charter" zu gründen. Bald gab es in Hamburg die ersten deutschen Höllenengel, zu erkennen an den bestickten Lederjacken - Kutten genannt - mit fliehendem Totenkopf auf dem Rücken, schwarzen Stiefeln und schweren Harley-Davidson-Maschinen.

In der Folge kam es in der Motorrad-Rocker-Szene immer wieder zu Gewalttaten. Etwa zwischen den "Hells-Angels" und den konkurrierenden "Bandidos", die sich in den neunziger Jahren in Skandinavien tödliche Schlachten mit Raketenwerfern, Maschinenpistolen und Handgranaten lieferten.

So ist das Image der sogenannten Biker verheerend. Zwar kommt die Mehrheit der martialisch erscheinenden Motorradrocker nie mit dem Strafgesetz in Berührung. Doch geben szenetypische Gewalttaten, nicht zuletzt im Rotlichtmilieu, den Medien immer wieder Gelegenheit, von "Rockerkriegen" zu sprechen. Kriminologen sehen dagegen in den "Hells Angels" keine Gefahr für die Allgemeinheit. Die Gewalt spiele sich nur innerhalb der Gruppen ab. Doch bemühen sich die starken Männer, die Mehrheit von ihnen ist übrigens zwischen 35 und 55 Jahre alt, kaum, ihr Bild aufzupolieren. Nur die wenigsten sprechen mit Journalisten:

Für die Hamburger "Hells Angels" bedeutete die Razzia vom 11. August 1983 das offizielle Aus. Doch für die Polizei war sie kein Sieg auf ganzer Linie. 1986, drei Jahre später also, saßen zur Zeit der Urteilsverkündung nur noch vier Angels in Haft. "Der Spiegel" resümierte damals:

"Hamburgs damaliger Innensenator Pawelczyk muss den unerwarteten Prozessausgang als mittlere Katastrophe empfinden. Das Missverhältnis zwischen Aufwand und Ertrag ist zu krass. Schließlich war es der größte Polizeieinsatz nach dem Krieg in der Hansestadt."

Heute gibt es mehr als 30 örtliche "Hells Angels" Clubs in Deutschland, wobei das Charter in Hannover als weltweit größtes angesehen wird. Neben dem Hamburger Charter ist nur noch das Düsseldorfer verboten.