Hansa Rostock

Die Kogge ist in schwerer See

Kogge auf See: Das beliebte Wappen des FC Hansa Rostock, zu sehen auf der Mitgliederversammlung 2015
Kogge auf See: Das beliebte Wappen des FC Hansa Rostock © dpa / picture alliance / Bernd Wüstneck
Von Jörn Pissowotzki · 06.03.2016
Der FC Hansa Rostock spielte bis 2005 in der ersten Fußball-Bundesliga. Heute kämpft der einstige Vorzeigeklub des Ostens in der 3. Liga um sein wirtschaftliches Überleben − und mit einem Hooligan-Problem.
Elgeti: "FC Hansa Rostock ist für mich vor allem Heimat."
Kompp: "Mir ist bewußt, daß Hansa Rostock für viele mehr wie nur Fußball ist und ich bin zwar nicht gebürtig aus Rostock, aber trotzdem bin ich mir meiner Verantwortung bewußt, diesen Verein zu führen und gehe das mit vollem Elan an."
Klinkmann: "Ich darf nur dran erinnern, daß in der Zeit, in der ich Mitverantwortung hatte, der FC Hansa uneingeschränkt zu den drei beliebtesten Fußballklubs in der Bundesrepublik Deutschland gehörte und immer wieder als die Leuchte des Nordens gepriesen wurde."
Masuch: "Wenn man heutzutage unterwegs ist, man wird bedauert, man wird gefragt, wie kann es eigentlich möglich sein, daß ein Verein der diese Reputation hatte, dieses Image hatte in so einer kurze Zeit diesen Weg nimmt. Und es ist tatsächlich die große Sorge, daß der Norden von der Landkarte auch verschwindet."
Methling: "Es ist so, daß der FC Hansa seine tiefste Krise durchlebt, und das ist sowohl sportlich, das ist moralisch, das ist finanziell der Fall."
Der Fan und Investor, der Vorstandsvorsitzende, der Aufsichtsratsehrenvorsitzende, der Präsident des Landesfußballverbandes und der Oberbürgermeister-viele machen sich derzeit Sorgen um den größten Rostocker Verein.
Es regnet an diesem Wintertag 2016. Irgendwie paßt das zur Stimmung. Um Hansa drehte sich und dreht sich bis heute der Fußball im Nordosten. Wenn es dem Klub gutging in der Vergangenheit, ging es dem Fußball in Mecklenburg-Vorpommern gut. Früher spielte der Verein Erste Bundesliga. Nun ist er drittklassig.
Roland Methling schaut trotz der grauen Regenstimmung draußen freundlich. Sein Verein liegt ihm am Herzen. Der parteilose Roland Methling ist Rostocks Oberbürgermeister:
"Ja, das ist eine Titanenarbeit, die dort jetzt geleistet werden muß."
Ein Satz in Richtung der Hansa-Verantwortlichen. Die Stadt braucht den Verein:
"Für mich auch als Hansa-Mitglied ist der FC Hansa auch weiterhin das Aushängeschild unserer Stadt. Es ist der bekannteste Werbeträger. Der größte Imageträger der Hansestadt Rostock..."
Roland Methling hat schon einige Krisen mit Hansa durchgemacht:
"Als ich 2005 Oberbürgermeister geworden bin, da befand sich der FC Hansa Rostock im Abstiegskampf und große deutsche Tageszeitungen titelten zum damaligen Zeitpunkt: "Eine Stadt im Abstiegskampf." Anspiel vor allem natürlich auf die katastrophale finanzielle Situation, die wir damals hatten."

Fast gab es einen Spielabbruch

Heute, elf Jahre später, kämpft der Verein wieder. Einmal gegen den sportlichen Abstieg. Dann mit einem Millionendefizit. Und der Verein kommt drittens nicht zur Ruhe, weil selbsternannte Fans für Negativ-Schlagzeilen sorgen. Im September hätte es nach dem Einsatz verbotener Pyrotechnik in der Partie gegen den 1.FC Magdeburg beinahe einen Spielabbruch gegeben.
Am 20. Februar traf Hansa auf Erzgebirge Aue, Rostock spielte schlecht und geriet in Rückstand. Doch das Ergebnis wurde zur Nebensache:
"2:0 für den FC Erzgebirge Aue, aber wir sehen im Augenblick auch ganz unschöne Bilder. Hier im Stadion. Denn was ich dort erkennen kann ist, daß sich ein ganzer Schwung an Hansa-Randalierern von der Süd jetzt aufgemacht hat in Richtung Gästeblock. Die Ordner, die dort normalerweise schützen sollen, sind mehr oder weniger fluchtartig vertrieben worden. Und jetzt sieht es tatsächlich so aus, als wenn es dort handfeste Auseinandersetzungen gibt im Stadion. Also es dürften jetzt ein Dutzend Hansa-Randalierer in unmittelbarer Nähe des Gästefanblocks sein und die steigen jetzt dort sogar in den Gästefanblock rein. Also solche Szenen habe ich hier überhaupt noch nicht gesehen im Stadion..."
Der Hintergrund: Die Rostocker Ultras hatten sich von einem Banner im Gästefanblock anstacheln lassen. Beim letzten Spiel der beiden Mannschaften hatten es die Erzgebirge-Fans aus Aue den Rostockern gestohlen. Nun zeigten sie es ihnen im eigenen Stadion. Triumphierend schwenkend. Dutzende Rostocker Ultras fühlten sich provoziert und suchten die direkte Konfrontation mit den Gästefans. Nicht verstanden hat dieses Verhalten Hansa-Vorstand Robert Marien:
"Jetzt muß man auch ganz klar sagen, daß unsere Fans die Lage ein bißchen falsch einschätzen. Wir stehen unterm Strich, wir brauchen alle Mann im Stadion und liefern sich da so ne Scharmützel, die überhaupt nicht gehen. Wie gesagt: der Ist-Zustand kann wie gesagt nicht bleiben. Den müssen wir aufarbeiten."
Als wenn der Fanansturm in diesem Spiel gegen Aue nicht schon genug gewesen wäre, nein! Eine Halbzeit lang war im Ultra-Fanblock auf der Südtribüne ein riesengroßes Plakat zu sehen. Deutlich ersichtlich für alle Zuschauer standen dort Beleidigungen gegen Polizisten. Im Heimspiel drei Wochen zuvor gegen Osnabrück hatten Chaoten auf der Südtribüne eine Gummipuppe aufgehängt. Am Hals. Sie sollte einen Polizisten symbolisieren. Aufgehängt wurde sie in unmittelbarer Nähe der Polizeizentrale im Stadion.
Der Hansa-Vorstand setzt bei der Aufarbeitung dieser Ereignisse auf Dialog. Mit der Polizei, dem Ordnungsdienst und natürlich den eigenen Anhängern. Vorstand Robert Marien:
"Das ist ja die Grundlage, daß die SÜD wieder aufgemacht wurde, nachdem sie ja zwischenzeitlich geschlossen wurde, daß man die Fans doch animiert zur Selbstregulierung. Die haben sich eigene Strafen auferlegt. Und das Bewußtsein müssen wir ganz klar wieder schärfen, daß die Süd sich selbst reguliert, daß die Fans selbst einschreiten, daß die Fanordner einschreiten, daß solche Szenen wie am Samstag nicht mehr passieren."
Vor einiger Zeit war die Südtribüne als Sanktion des Vereins nach Ausschreitungen für über ein Jahr gesperrt worden. Darauf zielt Vorstand Mariens Bemerkung ab.
Die Wiedereröffnung der Tribüne erfolgte dann unter Auflagen. Vereinbarungen allerdings, die wieder und wieder von den Ultras nicht eingehalten wurden. Und die Frage ist: Wie die Polizeipuppe oder beleidigende Plakate jetzt ins Stadion gelangen konnten? Der Vorstand ist ratlos:
"Wie sie jetzt konkret ins Stadion kommen würden, wenn wir das schon wissen würden, dann könnte ich schon Lösungsmöglichkeiten aufzeigen."
Es muss wohl Sicherheitslücken beim Ordnungsdienst gegeben haben. Der Chef der Rostocker Polizeiinspektion, Michael Ebert, ging in seiner Analyse der Ausschreitungen gegen Aue tiefer. Er sagte zwei Tage danach im NDR:
"Das ist keine Frage des Ordnungsdienstes. Das ist ne Frage, inwieweit will Vereinspolitik das. Inwieweit überlässt Vereinspolitik die Regulierung von Konflikten dem Selbstlauf oder setzt auf Selbstregulierung in bestimmten Tribünenbereichen. Das ist zu Vorgängerzeiten, also zu Zeiten anderer Vorstände vereinbart worden und in den letzten Jahren gelebt worden."

Keine personelle Kontinuität

Bis zum vergangenen Herbst war Michael Dahlmann Vorstandsvorsitzender des FC Hansa. Er setzte auf Dialog mit den Ultras. Das ging aber über normale Gespräche hinaus. Denn: Dahlmann hatte sich im strategischen Umgang mit dem Aufsichtsrat von führenden Köpfen der Ultraszene Rat eingeholt. Nachdem in Medien Beweise für diese Absprachen auftauchten, trat Dahlmann zurück. Markus Kompp führt jetzt den Hansa-Vorstand an. Es gibt auch einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden. Auf diese Wechsel spielt der Chef der Rostocker Polizeiinspektion, Michael Ebert, an:
"Wir haben das Problem, daß wir in den letzten Jahren keine personelle Kontinuität in den Vorständen und Aufsichtsräten hatten. Wir fangen regelmäßig alle ein bis zwei Jahre neu an, bestimmte Themen zu erörtern. Vorstände, Aufsichtsräte müssen sich hineinfinden wieder in die Problematik der Fanszene, in die Regularien des Vereins, in die räumlichen Gegebenheiten..."
Wirtschaftlich unter Druck, sportlich am Abgrund, dazu Ausschreitungen der Anhänger. Und Vorstände und Aufsichtsräte, die sich schnell die Klinke in die Hand geben. Das scheint beim FC Hansa alles zusammenzuhängen.
Warum geht es Hansa wieder mal schlecht?
Ulrich Eichbaum, seit Schulzeiten Hansafan, bringt es auf den Punkt:
"Es waren zuviele Dilettanten an der Spitze, es wurde zuviel Hack und Plünn dort gemacht, zuviele Rednereien, viele wollten sich profilieren. Es ist die Kontinuität abhanden gekommen, bestimmte Entscheidungen zu treffen."
Der Schweriner Ulrich Eichbaum kann sich ein Urteil erlauben, weil er seit über 30 Jahren den Kurs der Hansa-Kogge beobachtet. Er ist einer DER Fans, der für die Mehrheit der Rostocker Anhänger steht. Eichbaum freut sich mit dem Klub im Stadion und lehnt Gewalt strikt ab. Wenn er Exzesse beobachtet, dann fassungslos:
"Wie kann man seinem eigenen Verein so wehtun und so beschädigen und soviel dummes Zeug machen, dem eigenen Verein einen solchen Schaden zufügen."
Aus sportlicher Sicht ist seine Zeit mit dem FC Hansa aufregend genug gewesen. Ulrich Eichbaum hat Rostock in der DDR-Oberliga gesehen, in der DDR-Liga, in der Bundesliga. Auch in der zweiten Bundesliga. Nun fährt Eichbaum von der Landeshauptstadt Schwerin regelmäßig nach Rostock, um seine Mannschaft in der dritten Liga anzufeuern:
"Mit Hansa ist es ja schon seit Ewigkeiten so ein Auf und Ab. Und Leiden und so weiter. Und im übertragenen Sinne ist Leiden und Freude bei Hansa eigentlich in den 35 Jahren, über die wir eben gesprochen haben immer dabei gewesen."

Letzter Meister der NOFV-Oberliga

Auf den ersten großen Titel hatte Ulrich Eichbaum lange warten müssen. Der Ende 1965 gegründete FC Hansa Rostock ging immer leer aus, wurde dann aber 1991 sensationell Meister der NOFV-Oberliga. Das Endspiel stand damals Ende Mai 1991 gegen Dynamo Dresden auf dem Programm:
"Eine gute Stunde ist gespielt. Wieder eine Freistoßsituation und wieder Juri Schlünz. Welche Ecke diesmal. Unglaublich, unglaublich der Rostocker Kapitän. Diesmal linksoben, die siebzehntausend sind aus dem Häuschen natürlich. Trainer und Verantwortliche mit dazu. Und dann der Höhepunkt. Das 3:1 durch Fuchs. 83. Minute. Weilandt, Weichert, Fuchs heißen die Stationen zur ersten Bundesliga und zum Meister der Oberliga Nordost..."
Stürmer Florian Weichert hatte mit seinem Team das Ziel erreicht:
"Und das war damals Überlebenskampf Bundesliga. Wir wollten alle im bezahlten Fußball weitermachen."
Und die Hanseaten machten in der Bundesliga so weiter, daß Fußballdeutschland 1991 staunte: Mit 4:0 besiegten die Rostocker in ihrem ersten Spiel Nürnberg und mussten dann sofort auswärts beim FC Bayern München antreten.
"Wieder Hansa und wieder Wahl und Führungstreffer für Hansa Rostock. Durchaus verdient zu diesem Zeitpunkt aufgrund der kessen frechen Spielanlage, aus der Abwehr heraus ganz geschickt gekontert und wie überlegt und cool im Abschluß Jens Wahl nach 67 Minuten 2:1."
Und auch nach 90 Minuten. Vier Tage später stürmte der Aufsteiger Hansa Rostock unter Trainer Uwe Reinders nach einem 5:1 über Borussia Dortmund sogar an die Tabellenspitze.
Diese Erfolge sind lange her. Natürlich erinnert sich Hansafan Ulrich Eichbaum gerne an die Siege gegen die großen Mannschaften zurück. In seinem langen Leben mit dem Verein sieht er sie aber nur relativ:
"Ich glaube, so Siege gegen Bayern München und gegen Dortmund, das ist dann eine Momentaufnahme. Viel wichtiger ist die Konstanz. Wenn es denn wirklich um was geht, wie jetzt zum Beispiel gegen den Abstieg. Was nutzt ein Sieg gegen Bayern München oder ähnlichem jetzt, wenn wir danach fünf andere verlieren. Mir wäre es also lieber Hansa holt jetzt im Moment mal ne Serie als wie jetzt mal einen Großen zu schlagen, ne."
Die Großen waren zwischen 1995 und 2005 ständig an der Ostsee zu Gast. Es war eine andere Zeit. Der Klub EIN Beispiel für Kontinuität. Hansa spielte zehn Jahre hintereinander Erste Bundesliga. Gut fürs Image und auch gut für die Kasse, Oberbürgermeister Roland Methling:
"Wir haben auch Millionenbeträge über den FC Hansa, über die Steuereinnahmen der Stadt. Zu den Zeiten, wenn Spieler viel Geld verdienen, dann kommt natürlich auch die Einkommenssteuer dafür in der Hansestadt Rostock an."

Ikonen und Nationalspieler

Horst Klinkmann war bis 2008 Aufsichtsratsvorsitzender bei Hansa. Während seiner Amtszeit wurde 2001 das neue Ostseestadion eröffnet. Die erste moderne Fußballarena im Osten Deutschlands. 2003 konnte sich der international renommierte Mediziner Klinkmann über die Verpflichtung von Martin Max freuen. Stürmer Max kam von den Sechzgern aus München an die Ostsee, erlebte noch einmal einen Frühling als Torjäger und traf in seinem letzten Karrierejahr zwanzigmal für Rostock. Zum Saisonende sagte Max dann aber Servus. Sein Abgang konnte nicht erfolgreich kompensiert werden. Professor Klinkmann ist selbstkritisch:
"Wir haben sicherlich uns dann auch leiten lassen von großen Namen, die aber hier in dieser Mannschaft eigentlich nicht zum Zuge kamen... Markus Allbäck, Torschützenkönig, Nationalspieler aus Schweden. Noch berühmter war Jari Litmanen aus Finnland. Damals fast eine Ikone des europäischen Fußballs, aber alle haben in der Endkonsequenz in diese Mannschaft nicht hineingepaßt, weil sie doch einfach zu sehr individualisiert waren."
Der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende Horst Klinkmann denkt an die Spielertransfers zurück, die sich aus Hansa-Sicht lohnten: Jonathan Akpoborie, Oliver Neuville und Marko Rehmer brachten etliche Millionen ein. Was passierte mit diesen Einnahmen? Klinkmann antwortet kurz und ehrlich:
"Was den Ersatz von weg gegangenen Leistungsträgern angeht, das ist mit Sicherheit kein Ruhmesblatt in der Geschichte des FC Hansa."
Und er geht noch einen Schritt weiter bei der Analyse der ungünstigen Entwicklungen seines Vereins:
"Ich glaube, wir waren auch nicht immer glücklich in der Auswahl unserer sportlich Verantwortlichen, der sportlichen Leiter. Wenn sich das durch die Jahre hinweg zieht, waren wir nicht immer glücklich. Manchmal haben wir auch Erfolgstrainern zuviele Rechte eingeräumt, die sich dann auch in dieser Transferperiode wieder darstellten."
Beispiel Frank Pagelsdorf. In der Saison 2008/2009 mußte das Trainerdenkmal gehen. Er hatte Rostock 2007 zwar nach zweijähriger Abstinenz in die Bundesliga zurückgeführt. Hansa stieg mit Pagelsdorf aber sofort wieder ab. Der Trainer wurde erst sehr spät entlassen, als der Verein nach einer Pleitenserie selbst in Liga zwei im Abstiegskampf angekommen war.
Ungefähr seit dieser Zeit sorgt der FC Hansa nicht mehr für viele positive Schlagzeilen. Die Schulden des Vereins stiegen an, die Resultate reichten nicht mehr aus, um um den Aufstieg zu spielen. Die Dritte Liga ist Rostocker Realität. Seit 2012. Das Saisonziel jetzt, der Klassenverbleib, muß zwingend erreicht werden. Gelingen soll dies:
"... durch harte, ruhige und sachliche Arbeit."
... sagt der Vorstandsvorsitzende Markus Kompp. Seit November ist er im Amt. Das sportliche Tagesgeschäft ist Hansa Baustelle Nummer eins Trainer Christian Brand schwört seine Spieler ein, vor jeder Partie:
"Das ist Profifußball und da hat man immerzu Druck. Das geht gar nicht anders. Es gibt ne Erwartungshaltung des Vereins, es gibt ne Erwartungshaltung der Fans, und die Erwartungshaltung bei Hansa Rostock für dieses Jahr ist doch klar, wir wollen den Abstieg verhindern. Und es ist doch klar, daß das keine Wohlfühloase hier ist."
Alle Erwartungen erfüllt hatte Brands Team Mitte Februar. Im Ostseestadion gegen Aalen:
"Aber jetzt ist es Ziemer allein vor dem Tor. 1:0 für Hansa. Riesenabwehrbock von Oliver Barth, dem Defensivmann der Aalener und Marcel Ziemer hat das gerochen..."
Marcel Ziemer hatte zuvor seit Mai 2015 nicht mehr für Hansa getroffen. An diesem Nachmittag gegen Aalen erzielte er beim 3:0 alle drei Rostocker Tore.
"Ich glaube, das war wichtig für uns, daß wir ein gutes Spiel gezeigt haben insgesamt über neunzig Minuten und jeder weiß, daß er es kann und ich glaub, der Glaube kommt wieder zurück und so sollten wir weitermachen, natürlich nicht abheben, Schritt für Schritt und vielleicht mal einen Tag abschalten und dann geht es wieder weiter."

Der Investor erwartet noch keine Gewinne

Schritt für Schritt vorgehen – das gilt auch für Hansas zweite Baustelle neben dem Sport: die wirtschaftliche Basis.
Der Verein muß angesichts eines Defizits von zwei Millionen Euro sparen. Sanierungsmaßnahmen wurden beschlossen. Und der Verein setzt wirtschaftlich auf Rolf Elgeti. Der von sich sagt:
"FC Hansa Rostock ist für mich vor allem Heimat."
Elgeti ist der zur Zeit wohl wichtigste Hansafan:
"Ja, ich war schon als kleiner Junge beim Verein im Stadion im Ostseestadion. Mit meinem Vater. Hab die Spiele gesehen, vor der Wende natürlich schon. Und bin seitdem immer dabei geblieben. Als Jugendlicher hatte ich meine Dauerkarte im Fanblock. Dann war ich lange im Ausland, habe das aus der Ferne verfolgt und bin froh, jetzt wieder öfter im Stadion sein zu können."
Rolf Elgeti ist Anhänger der Rostocker ... und Finanzinvestor. Mit Millionen Euro will er die Rostocker vor der Insolvenz bewahren. Seine Motivation?
"Man kann eine Ikone des Fußballs bei uns im Lande wieder zurückholen. Und das wäre einfach eine unheimliche schöne Sache, wenn man so etwas in seinem Leben begleiten durfte. Das fände ich toll."
Im Jahre 2012 war Hansas finanzielle Situation schon einmal ähnlich prekär. Damals half die Hansestadt Rostock mit einer Millionenbürgschaft, die Insolvenz abzuwenden. Das funktionierte vorübergehend. Neues Geld wurde schnell benötigt. Weil, erklärt Rolf Elgeti:
"Der Verein gibt seit Jahren mehr Geld aus als er einnimmt."
Er hatte in der Vergangenheit aus Sorge um den Verein schon mehrfach Hilfe angeboten. Vorstandschef Michael Dahlmann holte Elgeti dann in der letzten Saison an Bord.
"Ich hab zwei Dinge getan. Wir haben erstens die Darlehen gekauft, die wesentlichen Darlehen gegenüber dem Verein und haben sie gestundet. Ohne diese Stundung hätte man die letzte Lizenz nicht bekommen können. Und zweitens haben wir weiteres Geld in den Verein investiert, ebenfalls um die Lizenz zu sichern."
Können Sie das in Summen benennen?
"Zweistellig."
Die Millionenschulden durch den Neubau des Ostseestadions werden nun von Rolf Elgeti verwaltet. Für sein Engagement bei den Rostockern gibt es eine große Bedingung: Die Profiabteilung muß aus dem Verein ausgegliedert werden, um den Weg für Investoren freizumachen. Will er Hansa also nicht nur etwas Gutes tun, sondern hat er auch sein Geld im Auge?
"Ich glaube, kein Finanzinvestor hat etwas gegen Geld verdienen, aber ich glaube, da sind wir sehr weit von entfernt aktuell. Im Moment ist die Frage eher, wie können wir vermeiden, daß wir weiteres Geld verlieren. Und daran müssen wir arbeiten und uns konzentrieren."
Elgetis Angebot liegt auf dem Tisch. Noch redet der Hansa-Vorstand mit den Mitgliedern, um eine große Versammlung vorzubereiten. Dort soll die Ausgliederung in den nächsten Monaten auf den Weg gebracht werden.
Für den Investor ist diese Ausgliederung "alternativlos", Vorstandschef Markus Kompp argumentiert ähnlich:
"Die Ausgliederung ist Plan A und den verfolgen wir und da sind wir auch dran, daß wir den umsetzen."

"Auswärts ist man der Menschenfresser"

Ein Generalplan liegt für die dritte derzeitige Baustelle des FC Hansa in Ansätzen vor. Wie können Ausschreitungen selbsternannter Rostock-Fans dauerhaft verhindert werden? Der Verein baut, das ist die neueste Idee, an den Fanblöcken zusätzliche Sperren ein. Ein Durchbrechen wie in der Partie gegen Aue soll so nicht mehr möglich sein. Die Rostocker Polizei fordert außerdem bis Ende Mai ein mit ihr abgestimmtes Sicherheitskonzept des Klubs. Nur unter diesem Vorbehalt hat die Polizei die Unterlagen bestätigt, die Hansa jetzt zum DFB geschickt hat, um erneut die Spiellizenz zu erhalten.
Andreas Schwinkendorf ist selbst Polizist. Seine Meinung zu den Tätern ist:
"Man sollte sie vor ein Gericht stellen, wenn sie eine Straftat begangen haben und ihnen auferlegen, an gewissen Programmen teilzunehmen. Das kann Aggressionsbewältigung sein, daß sie wirklich selbst an sich arbeiten."
Andreas Schwinkendorf ist Polizist in Rostock, Dozent an einer Fachhochschule und hat die einzige relevante Studie zu Hansafans geschrieben. Er plädiert zuallererst für eine Entemotionalisierung des Themas. Weil die Mehrheit der Rostocker Anhänger friedlich ist und trotzdem pauschal stigmatisiert wird:
"Ich hab in meinen Umfragen auch immer wieder gelesen als Rostocker Fan auswärts ist man der, wie hat einer geschrieben, der Menschenfresser. Es ist wirklich so, man bekommt schon das Etikett."
Konflikten vorzubeugen? Dabei hilft es zu reden, stellt Andreas Schwinkendorf fest:
"Ich glaube, daß größte Problem ist zwischen der Fanszene als solcher und der Polizei. Während die Polizei, so wie ich glaube, durchaus gesprächsbereit ist, ist die Fanszene sehr sehr zurückhaltend, sehr kritisch, sehr mißtrauisch."
Damit alle Probleme zwischen Hansa, den Ultrafans, der Polizei, womöglich auch den Medien auf den Tisch kommen, schlägt er einen Fankongress vor. Einen erweiterten Runden Tisch . Die Teilnehmer sollten vorurteilsfrei hingehen:
"Ich glaube, daß das ein sehr genauer Ansatz ist, um Perspektivwechsel hervorzurufen. Die sind aus meiner Sicht sehr sehr wichtig."
Der Präsident des Landesfußballverbandes, Joachim Masuch, wäre bei so einer Versammlung gerne dabei. Unter einer Bedingung:
"Das setzt ja wieder voraus, dass am Runden Tisch Personen sich befinden, die alle zu diesem Thema etwas mitzuteilen haben oder auch in der Verantwortung stehen. Wenn wir da auch eine Personengruppe mit am Tisch haben, die sich dem Dialog verschließt oder ihr eigenes Süppchen kochen, dann bringt es relativ wenig."
Schieben wir es auf die angespannte Situation für den Verein, daß sich aus der Rostocker Ultra-Fanszene trotz mehrmaliger Anfrage niemand in dieser Sendung zu ihren Zielen äußern wollte.
Am Ende bleibt die Frage aller Fragen, die für alle Hansa-Baustellen relevant ist:
Packen die Rostocker den Klassenerhalt? Frage an Jan Didjurgeit, den NDR-Reporter, der jedes Wochenende Hansa-Spiele kommentiert:
"Mittlerweile ist ja diese Abstiegsgefahr, diese Abstiegsangst schon Dauerzustand. Auf der einen Seite ist das positiv zu sehen, weil man sich an den Zustand gewöhnt hat, man weiß also damit umzugehen. Auf der anderen Seite weiß man auch, es gibt sowas wie das Gesetz der Serie, das heißt: irgendwann endet der Ritt auf der Rasierklinge dann eben mal nicht positiv. Meine Hoffnung ist, die Mannschaft ist stark genug, um Drei hinter sich zu lassen in dieser Dritten Liga und ich glaube, daß es bis zum letzten Spieltag eng wird, aber es wird auch diesmal wieder reichen."
Nach dem Klassenerhalt wird dann auch die Party lustiger ausfallen, die der Klub zu 50 Jahren Hansa mit seinen Anhängern noch feiern will. Während der Saison hatte niemand richtig Lust dazu.
Mehr zum Thema