"Hannah Arendt"

Von Hannelore Heider · 09.01.2013
Ein weiteres Mal hat die Regisseurin Margarethe von Trotta eine starke, ihrer Zeit vorauseilende Frau porträtiert: die Philosophin Hannah Arendt, die 1933 vor den Nazis in die USA flüchtete. Der Film ist eine intellektuelle Herausforderung für die Darsteller - und für die Zuschauer.
Wie schon in "Rosa Luxemburg" und "Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen" stellen sich die Regisseurin Margarethe von Trotta und ihre bevorzugte Hauptdarstellerin Barbara Sukowa der Herkulesaufgabe, das Leben einer starken, ihre Zeit prägenden und ihr vorauseilenden Frau in einem Filmporträt zu zeichnen. Das ist bei Hannah Arendt, die als Jüdin 1933 vor den Nazis emigrieren konnte und zum Beginn der Filmhandlung 1961 schon längst Staatsbürgerin der USA ist, besonders schwierig, weil es sich bei den Konflikten, die die Filmheldin umtreiben, um philosophische handelt - also um intellektuelle Denkprozesse, die filmisch schwer einzufangen sind.

Margarethe von Trotta, die sich beim Drehbuch diesmal auf eine Zusammenarbeit mit Pam Katz stützen konnte, konzentriert sich auf den Prozess der Kristallisation von Arendts Theorie über die "Banalität des Bösen", also auf die philosophische Theorie, die heute noch und immer noch kontrovers diskutiert mit dem Namen Hannah Arendt verbunden wird. Und sie macht dieses in philosophischen Kategorien ablaufende Ringen um die Wahrheit für den Zuschauer nachvollziehbar durch die für die Heldin auch sehr schmerzlichen Reaktionen ihrer Umwelt - ihres Mannes Heinrich Blücher (Axel Milberg), ihres israelischen Freundes Kurt Blumenfeld (Michael Degen), ihrer befreundeten amerikanischen Philosophen und Schriftsteller sowie ihrer Sekretärin und Vertrauten Lotte Köhler (Julia Jentsch).

Wir sehen, wie Hannah Arendt für das Magazin "New Yorker" den Eichmann-Prozess vor Ort in Israel journalistisch begleitet, wozu Margarethe von Trotta auch die erhaltenen Originalaufnahmen nutzt. Wir erleben, wie ihre Schlussfolgerungen über die "Banalität des Bösen" erst in der Artikelserie, dann als Buchveröffentlichung auch bei ihren politischen Weggenossen auf Unverständnis stößt, weil sie ihre Einsicht in das Funktionieren der Täter als Ent-Schuldung deuten. Hannah Arendt ist für Margarethe von Trotta wie Rosa Luxemburg und Hildegard von Bingen eine Unbeugsame, die zweifeln und verzweifeln darf, sich aber auch dem gut gemeinten Rat ihrer Nächsten verschließt, der Wahrheit im Denken wegen. Damit wirft der Film die Frage nach der Verantwortung philosophischen Denkens auf, das auch in der Rückblende in die Zeit ihrer engen intellektuellen wie persönlichen Beziehung zu Martin Heidegger thematisiert wird.

Für Barbara Sukowa ist das ein hartes Stück Arbeit, zumal auch die private Hannah Arendt in spröder asketischer Konsequenz aufgeht. Sie spielt eine Frau, die in der intellektuellen Männerwelt nicht viel zu lachen hat. Ihre Anspannung, auch die einer - mehr oder weniger - offenen Ehe, wird durch immensen Zigarettenkonsum illustriert. Der vornehmlich in Brauntönen gehaltenem Film spielt fast durchweg in geschlossenen Räumen. Emotionen gibt es hier eigentlich nur als intellektuellen Konflikt. Das macht es bei aller Bewunderung der darstellerischen Leistungen schwer, einen auch sinnlich-gefühlsmäßigen Zugang zu diesem nicht als Biopic abzutuenden Filmporträt zu finden.

BRD/Frankreich/Kanada/Israel; Regie: Margarethe von Trotta; Darsteller: Barbara Sukowa, Axel Milberg, Julia Jentsch, Michael Degen, Ulrich Noethen; 113 Minuten, ab 6 Jahren

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