Handwerker im Internet

"Den Kunden digital abholen und versorgen"

Ein Mitarbeiter des Zentralverbandes der deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke hält auf der Handwerksmesse IHM ein Tablet in einem E-Haus in den Händen.
So geht digitaler Fortschritt: Ein Mitarbeiter des Zentralverbandes der deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke hält auf der Handwerksmesse IHM ein Tablet in einem E-Haus in den Händen. © dpa / picture alliance / Sven Hoppe
Christoph Krause im Gespräch mit Dieter Kassel · 06.04.2017
Kleine Handwerksbetriebe begegnen dem Thema Digitalisierung zum Teil eher ängstlich, sagt Christoph Krause, Leiter des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk West. Dabei gebe es sehr einfache und preisgünstige Lösungen wie zum Beispiel Terminbuchungs-Apps.
Dieter Kassel: In Düsseldorf findet gerade die G20-Digitalministerkonferenz statt, eine Veranstaltung, die sich eher theoretisch mit der Frage der Digitalisierung beschäftigt. Wir werden das jetzt eher praktisch tun und deshalb mit jemandem sprechen, der vor Ort damit zu tun hat und versucht, Digitalisierung zu fördern, und das konkret bei deutschen Handwerksbetrieben. Christoph Krause ist Leiter des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk West und Leiter des Kompetenzzentrums für Gestaltung, Fertigung und Kommunikation bei der Handwerkskammer Koblenz. Schönen guten Morgen, Herr Krause!
Christoph Krause: Guten Morgen!
Kassel: Machen wir es mal ganz praktisch: Ich suche zum Beispiel gerade für mich einen Dachdeckerbetrieb und habe festgestellt, dass in dem Teil von Berlin, wo ich wohne, knapp die Hälfte der Dachdecker gar keine Homepage hat, nicht im Internet ist – wohne ich in der falschen Gegend oder ist das noch relativ typisch für kleinere deutsche Handwerkerbetriebe?
Krause: Für die kleinen ist das noch typisch, dass sie keine digitale Kundenschnittstelle haben, wo ich sie wirklich finde. Wir haben aber auch einen großen Teil, ungefähr 50 Prozent, die das sehr gut machen, und zehn Prozent von den 50, die einen Schritt weitergehen, noch von der Webseite auf den Kunden noch viel mehr zu, dass er auch mit ihm interagieren kann. Aber wir haben eben eine große Gruppe von Handwerkern, die wir, glaube ich, noch ein bisschen begleiten müssen, um den Kunden digital abzuholen auf Augenhöhe.
Kassel: Wie würden Sie denn deren Einstellung beschreiben? Ist das eher so eine sehr verhaltene Neugier oder ist das teilweise tatsächlich eine Ablehnung dieser Einstellung, zu sagen, wir brauchen das Internet nicht?
Krause: Im Moment müssen wir sagen, dass es dem deutschen Handwerk durch die Bank, gerade vielleicht auch dem Bauhandwerk natürlich sehr gut geht. Es wird viel gebaut, das Geld wird in Beton gesteckt. Damit ist eine gute Auslastung da, und deswegen ist im Moment natürlich der Wille und die Lust, sich neuen Dingen zu widmen, neue Themen einzuführen, nicht sehr groß, bis hin, dass wir auch einige Unternehmen haben, die Digitalisierung in der Komplexität, die ja in ihr steckt, ängstlich begegnen und sich deswegen vielleicht auch diesem Thema nur schwer widmen.
Kassel: Aber was sagen Sie denen jetzt? Gehen wir mal von so Tatsachen, wie dass der Kunde eben heutzutage im Internet sucht und da am besten auch finden sollte, mal weg, auch wenn Sie jetzt wirklich einen Kleinbetrieb haben, der aus ein bis drei Leuten besteht – was haben die wirklich davon, wenn die auch in digitale Technik investieren?
Krause: Wir haben einfach heute eine neue Zielgruppe, die, wie Sie es richtig sagen, digital denkt. Und wenn ich da nicht mich einschalte in diesen Kanal, zwischen Gerät und Kunde in seinen Kopf komme, dann werde ich es zukünftig und auch heute schon schwer haben, Aufträge zu generieren. Was wir tun, ist, dass wir vor Ort in diese Unternehmen hineingehen und ihnen einfach Lust machen, solche Technologien einzusetzen, um ihnen auch die Einfachheit dieser Technologien einfach mal zeigen. Ich glaube, hier läuft ganz viel,. dass ich so eine Praxisanwendung mitnehme und ihm darüber die Angst nehme. Also ich brauche nicht einen großen Leitfaden, den er vielleicht gar nicht liest, sondern ich brauche Praxisanwendungen, wo er erkennt, wie einfach das heute ist, auch mit einfachen Werkzeugen da relativ schnell zu einem sehr guten Ergebnis zu kommen.
Kassel: Aber gehen wir doch mal einfach von dem Kundenkontakt, das können wir uns alle noch recht leicht vorstellen, weg. Was für Möglichkeiten gibt es denn auch für wirklich kleine Betriebe, die jetzt auch nicht Hunderttausende oder Millionen investieren können in neue Software, was für Möglichkeiten gibt es denn, die digitale Technik so zu nutzen, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis am Ende wirklich stimmt?
Krause: Es gibt sehr einfache und preisgünstige Apps, bis gar, dass sie kostenlos sind, die ich mir in mein mobiles Arbeiten integrieren kann, die ich auch relativ einfach mit einer Webseite koppeln kann. Nehmen Sie mal so eine Terminbuchungsapp, die Sie integrieren können, wo Sie direkt auf der Webseite sehen, wann hat der Handwerker noch Zeit. Sie haben sieben, acht und neun da, und Sie suchen sich Ihr Zeitfenster aus und nehmen ihn mit, machen die Terminplanung für den Handwerker. Da hat der eigentlich dann wieder Zeit, er muss Sie nicht zurückrufen, er muss keine nervigen Fragen beantworten, sondern er sieht, Sie haben jetzt gebucht und kann daraufhin direkt mit Ihnen einen Termin vereinbaren. Und da gibt es sehr einfache, kleine Lösungen, die auch relativ wenig Geld kosten.
Kassel: Aber wahrscheinlich auch Sachen, die ich als Kunde nicht mitbekomme, nehmen wir mal Abrechnungssysteme oder auch interne Logistik, das macht wahrscheinlich auch Sinn.
Krause: Genau. Die interne Sicht. Ganz wichtig sind diese ganzen Geschäftsprozesse, Angebotserstellung, Rechnungsstellung. Auch da muss er heute Tools einsetzen, und die gibt es. Der Markt ist voller Tools. Er muss die richtigen wählen und muss sehr genau drauf achten, dass diese einzelnen Werkzeuge gut miteinander kommunizieren. Weil es hilft ihm ja nichts, Insellösungen zu schaffen. Das erleben wir im Handwerk leider sehr oft. Das heißt, ich kaufe ein Rechnungsprogramm oder ich kaufe ein Programm, mit dem ich die Kunden vielleicht besser verstehen kann und mit ihnen interagiere. Aber beide müssen ja sozusagen relativ dicht ohne eine digitale Lücke miteinander kommunizieren können. Und darum geht es, diese Schnittstellen aufzulösen. Das Handwerk ist durchaus bereit, solche Werkzeuge vielleicht auch einzusetzen, aber achtet viel zu wenig darauf, dass ich eine durchgängige digitale Kette brauche, damit mein Leben einfach wird und ich dann auch wieder Handwerk machen kann.

"Bei der Infrastruktur Gas geben"

Kassel: Nun ist es natürlich so, dass vieles gerade für Handwerker praktisch ist, wenn es wirklich übers Internet funktioniert, denn viele kleine Betriebe funktionieren ja so, dass der Chef morgens um sechs das Haus verlässt und abends um sechs kommt, dann macht er noch ein paar Abrechnungen, und zwischendurch muss er erreichbar sein. Gerade in Ihrer Region, jetzt nicht in der Stadt Koblenz, aber nehmen wir mal doch auch kleinere Orte, Linz am Rhein und die Dörfer rundherum. Ist das da teilweise ein Problem, oder haben alle das schnelle Internet, das sie brauchen?
Krause: Nein, großes Problem weiterhin in einigen Regionen, andere sind Vorreiter. Aber wir haben viele Regionen in Deutschland, wo sozusagen diese digitalen Konzepte aufgrund der Infrastruktur gar nicht funktionieren kann. Das geht ja hin, wenn ich so eine Terminvereinbarung mache, das ist eine Sache. Wenn ich einen 3-D-Datensatz übertrage in ein Unternehmen, was mir einen 3-D-Druck herstellt, was auch ein Standardthema inzwischen im Zahnmedizinhandwerk ist, dann sind das einfach Datenmengen, die da aufkommen, die oft in diesen Netzen nicht bewältigt werden können. Und da müssen wir, glaube ich, alle gemeinsam sozusagen Gas geben, die Infrastruktur, das Internet so ernst zu nehmen, wie wir auch Straßen so professionell in Deutschland bauen, genauso gut müssen wir die Wege der digitalen Daten ebnen, gerade für die kleinen Handwerker im ländlichen Bereich.
Kassel: Das heißt, wenn da immer so theoretisch drüber geredet wird und der eine oder andere Großstädter das auch nicht mehr hören kann von den weißen Flecken und den Problemen. Es kann wirklich sein, dass ein Handwerker sagen muss, na ja, digitale Technik hin oder her, ich wohne da blöderweise im falschen Dorf.
Krause: So ist es, ganz genau. Erleben wir jeden Tag, solche Anfragen, bis hin, dass wir schon erlebt haben, dass ein Ortswechsel bei hoch technisierten Handwerkern dann stattfindet.
Kassel: Aus Sicht des Kunden – wir haben viel gesprochen über einfach Terminvereinbarung, Erreichbarkeit, schön und gut, aber wie weit geht das inzwischen mit der digitalen Technik. Wenn ich zum Beispiel einen Maler brauche, kann ich dem inzwischen per Webcam mein Zimmer zeigen, und dann schickt er mir eine E-Mail, wie es angemalt aussehen könnte?
Krause: Haben wir letzte Woche genau hier gezeigt im Zentrum, wir haben einen großen Demonstrator, wo wir also neue Technologien auch dem Handwerk zeigen. Es gibt eine wunderschöne App, wo genau das passiert, was Sie eben beschrieben haben. Ich nehme den Kunden über mein Smartphone an die Hand, beide halten das in der Hand, und ich steuere als Handwerker den Kunden durch seine Wohnung, der Kunde diskutiert mit mir, was er braucht. Man kann aber bis dahin gehen, wenn wir vom Maler weggehen hin zum technischen Handwerk, Sanitär, Heizung, Klima, kann vor Ort vielleicht schon das Problem lösen. Oft ist das eine kleine Einstellungsfrage vielleicht an einem Gerät. All das ist heute über unsere Oberflächen, über Smartphones, über Tablets, natürlich wunderbar möglich. Er spart sich die Anfahrt, er spart sich das Benzin und kann direkt vor Ort helfen, bis dahin, dass er vielleicht dann auch vor Ort berät digital. Gibt es wunderbare Werkzeuge.

Analoges Handwerk wird es weiter geben

Kassel: Ganz ehrlich, es werden ja immer ein paar übrig bleiben. Sie müssen ja keine Namen nennen, aber Sie haben ab und an ein paar Kunden, denen können Sie erzählen, was Sie wollen, denen könnten Sie die ganze Software schenken und einen schnellen DSL-Anschluss dazu – die wollen nicht, oder?
Krause: Die gibt es, aber man muss vielleicht im Handwerk auch ehrlich bleiben. Es gibt ja immer zwei Chancen, gerade im Handwerk. Für andere Branchen wie Bankwesen, Versicherungswesen ist das sicherlich nicht so. Im Handwerk haben wir beide Chancen, die der Digitalisierung, aber natürlich wird es auch analoges Handwerk geben, und auch das ist durch Digitalisierung wieder sehr gefragt, weil irgendwann muss so ein Rohr auch qualitativ an die Wand, und auch dafür, glaube ich, gibt es eine große Chance. Ich muss, wie gesagt, aber den Kunden trotzdem digital versorgen und digital abholen in der Kommunikation.
Kassel: Und dabei hilft vor Ort Christoph Krause. Er ist unter anderem bei der Handwerkskammer Koblenz Leiter des Kompetenzzentrums Digitales Handwerk West. Herr Krause, ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen analog und digital viel Erfolg!
Krause: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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