Hamid Sulaiman: "Freedom Hospital"

Tinte wie Blut auf dem Papier

Eine Bildcombo zeigt das Buchcover von "Freedom Hospital" von Hamid Sulaiman vor dem Foto eines Chirurgen in einem syrischen Krankenhaus.
"Freedom Hospital" von Hamid Sulaiman: Die Zeichnungen der Graphic Novel sind streng in Schwarz-Weiß gehalten. © Verlag Hanser Berlin/ Imago / EST&OST
Von Susanne Billig · 31.01.2017
Folter, Mord, Entsetzen: Brutal geht es in "Freedom Hospital" von Hamid Sulaiman zu. Die Graphic Novel erzählt von einer Friedensaktivistin, die in der syrischen Provinz ein kleines illegales Krankenhaus betreibt. Trotz aller Grausamkeit des Krieges bleibt Raum für Hoffnung.
In Hamid Sulaimans Graphic Novel "Freedom Hospital" stehen brutale Folterszenen neben versunkenen Liebesnächten, Menschen werden aus nächster Nähe in den Kopf geschossen, dass die schwarze Tinte nur so über das Papier spritzt, und Freundinnen sitzen unter dem funkelnden Sternenhimmel Syriens beieinander und träumen von ihrer Zukunft.
Es ist das Prinzip Hoffnung, das dieses Buch durchzieht, auch wenn der Autor mit Grausamkeiten nicht spart. Denn Hamid Sulaiman weiß, wovon er spricht: 2011 unterbrach er sein Kunststudium, beteiligte sich am Widerstand gegen das Assad-Regime, wurde verhaftet und gefoltert, bis ihm die Flucht nach Frankreich gelang.

Hoffnung trotz aller Grausamkeiten

Vier Jahre lang hat er an den 280 Blättern von "Freedom Hospital" gearbeitet. Auf der narrativen Ebene erzählt er von der syrischen Friedensaktivistin Yasmin, die aus dem Exil in ihre Heimat zurückkehrt, um mitten im Krieg ein illegales, kleines Krankenhaus – das "Freedom Hospital" – in der Provinz zu betreiben. Und zwischen den Zeilen und Bildern geht es aber auch um Hoffnung und Brutalität, Menschlichkeit und Entsetzen.
Streng in Schwarz-Weiß sind die Zeichnungen gehalten, mit grellem Licht und dunklem Schatten. Wenn es ganz hart wird, Bomben auf Menschen stürzen und Folterknechte ihre Arbeit verrichten, lösen die Bilder sich von der Realität. Dann verteilt sich Tinte wie Blut auf dem Papier oder man sieht nur noch leere Textblasen im schwarzen Nichts. Und aus manch einem Bild wird man kaum schlau. Was ist da zu sehen? Das Innere einer Maschine oder Häuser von oben? Liegen Trümmer in den finsteren Straßenschluchten, oder sind es Menschen, zerfetzte Leiber? Das erzeugt eine eigenartige Stimmung, in der sich Befremden und Ahnen, Hin- und Wegschauenwollen unheilvoll miteinander vermischen.
Dabei möchte Hamid Sulaiman keineswegs eine schwarz-weiße Welt zeigen. Gut und Böse gibt es hier nicht, keine aufrechten Demokraten gegen verhetzte Fanatiker. In dem kleinen Krankenhaus mit seinem Dutzend Patienten sprechen anfangs alle noch miteinander, die Alawiten und Salafisten, die Muslimbrüder und demokratiehungrigen jungen Menschen, die Aktivisten aus dem Westen und die Getreuen des syrischen Staates. Im Mikrokosmos des "Freedom Hospital" bringt der Autor sie alle zusammen und hält es für möglich: das Miteinandersprechen, Erklären und Zuhören und das Lachen – sogar Witze erzählt dieses Buch.

UN-Friedenstruppen tauchen nicht auf

Doch dann greift die Propaganda um sich. Menschen, existenziell mit dem Rücken an der Wand, lockt man in Milizen, wo sie sich satt essen können. Waffen aus aller Welt (der Zeichner versieht sie mit Herkunftsetiketten, was die ganze Schändlichkeit des internationalen Waffenhandels vor Augen führt) walzen alle Vielfalt nieder. Der Freundeskreis zerbricht, kaum einer kann überleben. Selbst die Katze, die alle so liebten, landet im Kochtopf. UN-Friedenstruppen tauchen nicht auf. Keine Hilfe, keine Befreiung. Dennoch lässt Hamid Sulaiman Raum für Hoffnung: In der Beharrlichkeit der Menschen und ihrem unbeirrten Einsatz für ein humanes Miteinander keimt ein neuer Frühling auf.

Hamid Sulaiman: Freedom Hospital
Aus dem Französischen übersetzt von Kai Pfeiffer
Hanser Berlin, Berlin 2016
288 Seiten, 24 Euro

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