Hamburg

Aus einer Kirche wird eine Moschee

Al-Nour-Moschee in Hamburg-Horn
Informationsveranstaltung am 26.05.2016 in der neuen Moschee der Al-Nour-Gemeinde im Hamburger Stadtteil Horn. © dpa/picture alliance/Foto: Daniel Bockwoldt
Von Axel Schröder · 22.09.2016
In Hamburg leben mehr als 150.000 Muslime, von denen viele eine der rund 50 Moscheen der Stadt besuchen. Oft befinden sich diese Gotteshäuser in einem schlechten Zustand. Nun ist Besserung in Sicht: Derzeit wird die einstige evangelisch-lutherische Kapernaum-Kirche umgebaut.
Es ist Freitagmittag, halb zwei. Junge und alte Männer strömen aus einer Tiefgarage in Hamburg-St. Georg. Im ersten Untergeschoss der Garage ist die Moschee der Al-Nour-Gemeinde untergebracht. Eine breite Holzfläche am Boden trennt das Innen vom Außen der Moschee. Hier ziehen die Gläubigen nach dem Freitagsgebet wie im Vorübergehen ihre Schuhe wieder an:
"Früher, vor 23 Jahren, haben die Autos da drin geparkt. Aber wir haben es jetzt provisorisch die ganze Zeit versucht, das zu verschönern. Mit Teppich versehen und so weiter und so fort. Dennoch ist es halt im Sommer stickig und im Winter eisig!"
Daniel Abdin ist Vorsitzender der Al-Nour-Gemeinde. Im dunklen Mantel begrüßt er Bekannte, hält Smalltalk und geht einen Schritt zur Seite, als acht junge, kräftige Männer einen schwarzen Sarg die schräge Zufahrt zur Moschee hinuntertragen. Letzte Woche ist der Kollege von Daniel Abdin gestorben, nun findet in der Al-Nour-Moschee die Trauerfeier statt.
"Diese ganzen Hinterhof-Moscheen – es ist schäbig und man betet an einem nicht-würdevollen Ort sozusagen. Es ist ganz wichtig, dass wir sichtbar, dass wir transparent sind und das ist auch präventiv gegenüber Radikalismus und Islamophobie. Weil es für die dann heißt: ´Ja, wir Muslime sind unterprivilegiert und wir müssen in irgendwelchen Löchern leben!`"

Zehn Jahre stand die Kirche leer

Würdevoll, sichtbar und transparent soll die neue Al-Nour-Moschee werden. Im Hamburger Stadtteil Horn, ganz in der Nähe der Autobahn, hat die Gemeinde die einstige Kapernaum-Kirche gekauft. Zehn Jahre lang hatte die Kirche leer gestanden, wurde dann erst an einen Investor verkauft, Jahre später dann an die muslimische Al-Nour-Gemeinde. Ein direkter Verlauf wäre nach den Kirchenvorschriften nicht möglich gewesen. Seit einem Jahr läuft der Umbau zur Moschee. Und schon während der Arbeiten lädt die Al-Nour-Gemeinde Bürgerinnen und Bürger zur Besichtigung ein. Die Wände sind mit frischem Weiß getüncht, die Empore wurde um 90 Grad gedreht. An den Stahltreppen fehlt noch das Geländer. Aber das, erzählt Daniel Abdin wird bald geliefert.
"Wie Sie sehen, ist auch alles verkleidet, alles fertig, bis auf die Teppiche natürlich. Von hier aus sehen sie die Decken, die waren in einem sehr schlechten Zustand. Die sind neu gemacht worden, in den Originalzustand versetzt. Die ganzen Fenstermosaike wurden gereinigt, saniert, was kaputt war. Das war auch ein sehr teures Vergnügen. So ein kleines Fenster, wie sie es sehen, die anzufertigen nach dem Original, kostet uns ungefähr 8000 Euro."
1961 wurde die Kirche erbaut. Ein heller Bau mit bunten Glasmosaiken in breiten Betonwaben. Das Kreuz auf der Spitze des frei daneben stehenden Turms wurde schon abmontiert und durch die goldglänzenden Schriftzeichen für "Allah" ersetzt. Und wer genau hinschaut, entdeckt in den bunten, wabenförmigen Mosaiken noch immer das Kreuz der Vorgängergemeinde.
"Die Fenster bleiben so wie sie sind. Wir werden sie nicht anrühren. Das ist vielleicht auch eine Art Toleranz und Verständnis gegenüber den anderen Religionen."

Protest und Gegenprotest

Kurz nach dem Kauf der Kirche hatten ein paar Rechtsextreme gegen die Moschee-Pläne demonstriert. Den 17 Protestierern stellten sich damals 600 Hamburgerinnen und Hamburger entgegen, die mit dem Umbau einverstanden sind. Die Menschen, die in den backsteinroten Blöcken neben der bald fertigen Neuen Al-Nour-Moschee wohnen, haben mit den neuen Nachbarn jedenfalls kein Problem:
"Ich bin Atheist. Und ich verlange, dass ich von Gläubigen respektiert werde. Und genauso respektiere ich diese Leute auch!"
"Ich finde das völlig OK. Wenn die Kirche meint, dass von den Kirchensteuern erworbene Hab und Gut veräußern zu müssen, kann sich nachher keiner mehr beschweren."
"Da kann jeder rein! Und ich bin auch schon gespannt, wie das dann nachher aussieht! Ich werde da auch öfters mal rübergehen, obwohl ich keinen Glauben habe."
*) Anmerkung der Redaktion: In der ersten Fassung hatten wir im Vorspann die Kapernaum-Kirche versehentlich als eine katholische Kirche bezeichnet. Dank eines Hörerhinweises wurde das korrigiert.
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