Habemus Pasta

Von Josefine Janert · 11.05.2013
Die "Pastafaris" huldigen dem Fliegenden Spaghettimonster – einem schwebenden Knäuel aus Nudeln. Statt eines Kirchenoberhauptes gibt es Bruder Spaghettus, statt der zehn Gebote acht Bitten. Die Kirchenparodie will Kritik an den Religionen üben.
Bruder Verplant: "Monster unser, das Du bist im Himmel!" (Gemeinde wiederholt.) "Geheiligt werden Deine Anhängsel!" (Gemeinde wiederholt.) "

In einem Restaurant in Berlin-Kreuzberg steht ein gutes Dutzend Erwachsener im Kreis. Die meisten von ihnen haben sich als Piraten ausstaffiert. Die Männer tragen schwarze Hüte, Umhänge, Säbel und andere Waffen. Die Frauen haben das Haar unter bunten Tüchern versteckt. Sie huldigen dem Fliegenden Spaghettimonster. Dem Fliegenden – was? Richtig gehört: einem schwebenden Knäuel aus Nudeln. Zwei Hackfleichbällchen bilden die Augen. Und die Fans dieser Gottheit bilden die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters.

Bruder Verplant: " "Denn Dein ist die Soße und der Käse und die Fleischklößchen in Ewigkeit!" (Gemeinde wiederholt.) "Ramen!" (Gemeinde wiederholt.) "

Ramen – das ist ein japanisches Nudelgericht. Die Anhänger des Monsters mögen es nudelig-schräg. Sie lesen ihr Glaubensbekenntnis von einer Teigrolle ab. Zum Abendmahl essen sie Bruder Spaghettus, ihrem religiösen Oberhaupt, eine Nudel aus der Hand. Anschließend reicht ihnen ein junger Mann, der sich Bruder Verplant nennt, einen Pokal mit Bier.

Bruder Spaghettus: " "Wir sind aber auch die toleranteste Religion. Denn wir sind die einzige Religion mit einer Gott-zurück-Garantie. Wir sagen Euch: Probiert uns einfach 30 Tage lang aus. Hat Euch unser Monster dann nicht gefallen, so nimmt Euch Euer alter Gott mit Sicherheit zurück."

Bruder Spaghettus ist ein korpulenter Herr mit grauem Rauschebart. Seine volle Haarpracht hält er unter einem Piratenhut versteckt. Ehefrau Elli Spirelli hat ihn eigenhändig mit einer roten Borte versehen. Im wahren Leben heißt Bruder Spaghettus Rüdiger Weida, ist Rentner und lebt in Templin, einer Stadt nördlich von Berlin. Schon seit acht Jahren schart er Anhänger des Monsters um sich. Etwa alle sechs Wochen feiert er eine Nudelmesse mit ihnen. Dem nudeligen Ehepaar ist das Fliegende Spaghettimonster natürlich auch schon mal erschienen, wie Piratenbraut Elli Spirelli stolz berichtet:

"Also einmal, da bin ich mit dem Auto nach Hause gefahren und wollte es gerade auf dem Hof in die Garage fahren, und da guck ich so in den Rückspiegel, und da seh ich doch das Monster! Und irgendwann, als dann die Sonne unterging, da kam’s noch mal zwischen den Bäumen. Also genauso blutrot wie die Sonne, aber es war eindeutig zu sehen: die nudeligen Anhängsel, die Fleischbällchen: Es war das Monster!"

Und ihr Mann ergänzt:

"Ich wehre mich natürlich auch dagegen, wenn jemand sagt: Spaßreligion. Ne Spaßreligion sind wir nicht. Wir haben ein ernsthaftes Anliegen."

Rüdiger Weida will mit seinem Verein Kritik an Religionen üben. An allen Religionen, nicht nur am Christentum. Entstanden ist die Idee im Jahr 2005 allerdings als Reaktion auf fundamentale Christen in den USA. Die Glaubenslehre dieser Kreationisten, das sogenannte Intelligent Design, nimmt die Schöpfungsgeschichte im Alten Testament wörtlich. Sie glauben nicht an Charles Darwins Evolutionstheorie, sondern daran, dass ein intelligenter Schöpfer die Erde innerhalb von sechs Tagen erschaffen hat. In einigen Bundesstaaten haben sie erreicht, dass ihre Lehre im Biologieunterricht gleichberechtigt mit der Darwins vermittelt wird.

Ihr Erfolg in Kansas rief den Physiker Bobby Henderson auf den Plan. Der damals 25-Jährige schrieb einen Offenen Brief an die Schulbehörde: Ein Fliegendes Spaghettimonster sei ihm erschienen und habe sich ihm als Schöpfer der Welt offenbart. Henderson forderte, dass seine Lehre nun auch gleichberechtigt mit der der Fundamentalisten unterrichtet werden solle.

Wer ist Bruder Verplant?
Bobby Hendersons Aktion war ein Erfolg. Anhänger des Fliegenden Spaghettimonsters gibt es mittlerweile von Japan bis Frankreich, von Schweden bis Südafrika. In Deutschland gehört ein Mann dazu, der sich Bruder Verplant nennt. Er hat mal studiert, jetzt sei er arbeitslos, sagt der 27-Jährige. Neben Rüdiger Weida ist er eine weitere tragende Figur im Verein:

"Einer der Gründe ist auf jeden Fall, dafür zu sorgen, dass die Kreationisten hier nicht doch präsenter werden. Das andere ist halt fundamentale Religionskritik, den Leuten halt so‘n bisschen die Augen zu öffnen, dass das, was wir machen, teilweise das ist, was sie veranstalten, eigentlich genau das Gleiche ist. Und nur, weil eine Religion schon seit meinetwegen 2000, 3000 Jahren Bestand hat, heißt das nicht, dass da mehr Wahrheit hintersteckt als das, was wir machen."

Die Anhänger des Spaghettimonsters haben auch so ihre ganz speziellen Erklärungen, etwa für die Klimaveränderung. Je weniger Piraten es gebe, um so stärker schreite die Erderwärmung voran. Folglich verkleiden sie sich als Piraten, um die Katastrophe zu verhindern. Rüdiger Weida:

"Das ist eine ganz phantastische Parodie einer kreationistischen Beweisführung. Kreationisten bringen ganz oft was in Zusammenhang, in Abhängigkeiten, die eigentlich keine sind."

Er sieht sich als Kabarettist, gleichzeitig hebt er hervor, wie lange ihm die Kirche schon auf die Nerven geht. In der DDR studierte er Informationselektronik. Nachdem er sich mit dem Staat angelegt hatte, wurde er zum Betriebselektriker degradiert. In der DDR-Opposition traf er einige engagierte Pfarrer, die er bis heute bewundert, erzählt er. Allerdings:

"Das System Kirche, fand ich dann damals, war genau das Gleiche wie das System SED. Ähnliche Hierarchien, ähnliche Kommandostrukturen, das gleiche Gebot, zu glauben, ohne hinterfragen zu dürfen. Einfach, dass man akzeptieren muss und nicht selbst mitmachen und entscheiden kann."

Freilich, so könnte man einwenden, ist die Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters auch nicht so ganz frei von Personenkult. In ihrem Glaubensbekenntnis erheben seine Anhänger Bobby Henderson in den Rang eines Religionsstifters:

"Ich glaube an das Fliegende Spaghettimonster. Die Mutter, der niemals die Energie ausgeht. Die Gebärende des Sphären klingenden Himmels und der evolutionsfreien Erde. Ich glaube an Bobby Henderson, seinen Propheten, empfangen durch das World Wide Web, geboren von seiner lieben Manna, gelitten unter Kreationisten."

Immerhin ist das Monster nicht sauer, wenn man es einfach links liegen lässt. Eine Sorge weniger! Noch einmal Rüdiger Weida:

"Tja, also, unser Monster weiß, dass wir als Menschen nicht allzu sehr belastbar sind. Es hat uns also nicht mit zehn Geboten etwas übergeholfen. Und es weiß auch, dass die Gebote nicht so der ideale Pakt sind. Deshalb hat es an uns Bitten geäußert, und zwar nur acht. Und diese acht Bitten heißen bei uns die acht Am-liebsten-wäre-mir’s. Erstens: Am liebsten wäre mir’s, wenn Ihr Euch nicht wie frömmlerische, selbstgerechte Esel benehmen könntet, sobald Ihr meine nudelige Göttlichkeit beschreibt. Falls manche Leute nicht an mich glauben: Das ist okay! Ehrlich!"

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