Günther Oettinger wird EU-Kommissar

In großen Fußstapfen

EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) in einer Gesprächssituation.
EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) in einer Gesprächssituation. © imago / Horst Galuschka
Von Annette Riedel · 29.10.2016
Der CDU-Mann Günther Oettinger wird in Brüssel als Kommissar aufgewertet. Seine lockere Zunge muss er wohl künftig wieder mehr im Zaum halten. Oettinger müsse jetzt beweisen, dass er eine gute Wahl ist, kommentiert Annette Riedel.
Günter Oettinger rückt auf, in der EU-Kommission. Der Mann aus dem Schwabenland übernimmt – wie passend zu dem, was man den Schwaben gemeinhin nachsagt – die Verantwortung für gute Haushaltsführung in der EU. Und er wird damit auch sozusagen "Personalchef" für das rund 30.000-köpfige EU-Personal. Zudem wird er wohl einer der Stellvertreter von Jean-Claude Juncker.
Für Oettinger ist das zweifelsohne eine Aufwertung. Auch wenn er nicht müde wurde zu betonen, wie wichtig das digitale Ressort schon ist und noch werden wird – so ist seine Rolle doch im Konzert des 28-Kollegiums in seiner jetzigen Funktion meist als eine eher nebengeordnete wahrgenommen worden. Die "Stars" sind andere. Durchaus als ein "Star" gilt Kristallina Georgieva, die Oettinger jetzt beerbt, weil diese zum Jahresanfang zu ihrem alten, langjährigen Dienstherren Weltbank zurückkehrt.
Es sind große Fußstapfen, in die der Deutsche damit tritt. Wiewohl Georgieva nicht permanent im Rampenlicht stand, so bescheinigen der Bulgarin eigentlich alle, dass sie sehr gute, sehr solide Arbeit geleistet hat. Dieses Lob bekommt sie auch von Vertretern fast aller Fraktionen im EU-Parlament. Sie ist ohne Frage ein Verlust für die EU-Kommission.

Ein Vertrauensbeweis

Dass Jean-Claude Juncker Günter Oettinger zum Haushaltskommissar macht, ist ein Vertrauensbeweis. Er vertraut, wie Juncker selbst sagt, auf dessen "ausgiebige politische Erfahrung, sowie gute Netzwerke und Kontakte im Europäischen Parlament, in den EU-Mitgliedsstaaten". Er setze, so Juncker, auf Oettingers "Professionalität, seine Kapazitäten, sowie seine Erfahrungen, um diese neue Verantwortung zu übernehmen."
Das kann der EU-Kommissionspräsident mit Recht. Außerdem passt das neue Ressort eindeutig besser zu dem Baden-Württemberger als das Digitale. Trotz seines in Brüssel wohlbekannten und geschätzten Fleißes, seiner Bereitschaft und Fähigkeit, sich in Themen hinein zu graben, war und ist Oettinger eben kein "Digital Native". Hat er die Online-Welt nicht gerade mit der Muttermilch in sich aufgenommen. Womit er angelegentlich gern mal kokettiert. Was ihm aber auch immer wieder heftige Kritik und einen Gutteil Häme und Spott vonseiten der Netz-Protagonisten eingebracht hat. Der Vorwurf, dem er sich außerdem wiederholt ausgesetzt sah: Er habe zu sehr die Interessen der Telekommunikationsunternehmen im Blick. Und nicht die der Nutzer. Der verunglückte erste Aufschlag zur Abschaffung der Roaming-Gebühren in der EU, den Oettinger mit zu verantworten hatte, ist nur ein Beispiel.

Günther Oettinger hat aktuell mit einer Bemerkung über die Ehe für homosexuelle Paare Empörung ausgelöst: Audio Player

Legendär sind die Reden, die der deutsche EU-Kommissar hält – und zwar nicht einmal wegen des für ihn so typischen Duktus oder des unverwechselbaren Schwaben-Englisch. Der Mann kann reden. Ganz sicher. Aber er redet eben nicht nur gut klug und strukturiert, sondern immer wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Das ist meist amüsant. Aber gelegentlich peinlich aus dem Mund eines Politikers.
Beispiele dafür finden sich – unauslöschlich – im Netz. Zu Hauf. In seiner neuen Funktion werden sie sich weiter häufen. Denn als Haushaltskommissar kann und wird Günter Oettinger noch mehr als er es jetzt schon tut zu vielen Themen seine Stimme erheben.

Weiterer Deutscher am Schalthebel

Mit dem Aufrücken des Schwabens in der EU-Kommission rückt aber auch ein weiterer Deutscher an die Schalthebel der Europäischen Union. Das wird nicht jedem schmecken, zumal ein anderer Deutscher eine der wichtigsten Funktionen in der EU-Kommission innehat – mancher wird sagen die wichtigste Funktion: Martin Selmayr, Junckers Kabinettschef. Einer, der sich in seinem Umfeld nicht gerade der ungeteilten Wertschätzung erfreut. Im Gegenteil. Nicht wenige empfinden ihn als zu übergriffig.
Haushälter werden selten geliebt. Sie müssen ihren Job machen: Kasse zusammenhalten, Begehrlichkeiten abwehren. Oettinger muss jetzt beweisen, dass er eine gute Wahl ist.
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