Grundwasser

Wohin mit der Gülle?

Ein Landwirt in Niedersachsen bei Hoopte bringt Gülle aufs Feld.
Biogas: Gut für die Öko-Bilanz, aber schlecht für das Trinkwasser? © picture alliance / dpa
Von Franziska Rattei · 02.09.2014
In bestimmten Regionen in Norddeutschland steigt der Nitrat-Gehalt im Grundwasser immer weiter an. Das ist gesundheitsgefährdend, besonders für Kinder - auch Gärreste aus Biogas-Anlagen tragen zur Überdüngung bei.
Holger Meier leitet im niedersächsischen Deelsen einen Betrieb mit 180 Milchkühen. Nebenher betreibt er Ackerbau. Seit 25 Jahren arbeitet Meier eng mit dem örtlichen Wasserversorger zusammen. Deshalb weiß der Landwirt, wieviel und wann er düngen darf, damit er das Grund- und Trinkwasser in seinem Boden nicht mit zu viel Nitrat belastet. Eine neue Düngeverordnung hält er für nicht sinnvoll.
"Hier wird wieder ein Bürokratiemonster aufgebaut. Wir verbringen heute 50 bis 60 Prozent unserer Zeit mittlerweile am Schreibtisch und kommen nicht mehr dazu, vernünftig Landwirtschaft zu machen. Und das ist eigentlich das größte Problem, das wir damit haben. Es wird immer wieder eine neue Verordnung gebracht. Die hat Verwaltungsaufwand, die nimmt immense Kosten mit sich, und man hat nicht mehr Zahlen, als wir sie heute auch schon haben."
Aber so gut wie in Meiers Landkreis, in Verden an der Aller, läuft es nicht überall, sagt Beeke Gredner. Sie arbeitet für die Landberatung Verden und ist dort für die Kooperation zwischen Trinkwasserverband und Landwirten zuständig. Die Nitratkontrollen bei Meier und seinen Kollegen haben ergeben:
"Die Werte hier sind in Ordnung. Die sind alle unterhalb von 10 mg/Liter. Die meisten sind bei 0 oder 0,5 – jedenfalls unter 1. Die Trinkwasserverordnung sagt: 25 mg als Alarmgrenze und 50 mg Nitrat pro Liter dann als Liefergrenze."
Es hat viel mit den Erneuerbaren Energien zu tun
In anderen Regionen, beispielsweise im Raum Cloppenburg oder Vechta, allerdings "brennt die Hütte" sagt Gredner. Hier sind die Nitrat-Werte sehr viel höher. Egon Harms ist Bereichsleiter für die Grundwassergewinnung und den Ressourcenschutz beim oldenburgisch-ostfriesischen Wasserverband und kennt diese Region. Bis 2005/2006 sanken die Nitrat-Werte dort, sagt er. Man konnte erreichen, was die EU-Nitratrichtlinie vorschreibt. Danach allerdings war ein Anstieg der Werte zu verzeichnen.
Egon Harms, Bereichsleiter für die Grundwassergewinnung und den Ressourcenschutz beim oldenburgisch-ostfriesischen Wasserverband: "Das hat sehr viel damit zu tun, dass ab 2004 das Erneuerbare Energien Gesetz durchkam und seitdem bei uns in der Region intensiv Biogas-Anlagen gebaut wurden."
Die Gärreste, die in den Biogasanlagen entstehen, bringen die Landwirte aufs Feld; und zwar zusätzlich zur Gülle aus den Ställen. Das, sagt Harms, führt am Ende zu einer massiven Überdüngung, die die Nitrat-Werte im Grundwasser ansteigen lässt. In rund 150 Metern Tiefe, wo das Trinkwasser gewonnen wird, sei die Belastung gering. Nur: irgendwann sickert das Wasser von oben nach unten, und dann landet das Nitrat auch im Trinkwasser. Eine gefährliche Entwicklung, sagt Reinhild Benning, Leiterin des Bereichs Agrarpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland:
"Nitrat im Grundwasser ist so gefährlich, weil wir dreiviertel unseres Trinkwassers aus Grundwasserquellen gewinnen. Ist dort zu viel Nitrat enthalten, so können Kinder, die dieses Wasser erhalten, Blausucht bekommen – Sauerstoffmangel im Blut. Und bei Erwachsenen trägt zu viel Nitrat im Trinkwasser zum Krebsrisiko bei."

Eine Biogasanlage in Mecklenburg-Vorpommern
Eine Biogasanlage in Mecklenburg-Vorpommern© picture alliance / dpa
Zu viel Dünger auf zu wenig Fläche
Deutschland muss seine Düngeverordnung schnell überarbeiten, sagt Benning, und für eine sogenannte "Hoftorbilanz" sorgen, wie sie beispielsweise in den Niederlanden üblich ist. Dafür erfasst jeder Hof, ob die Pflanzen auf dem Feld den ausgebrachten Dünger vollständig aufnehmen. Momentan fehlt eine solche Regelung in Deutschland. Die nitrathaltigen Gärreste aus Biogasanlagen etwa würden bislang nicht eingerechnet in die Nährstoffbilanz der Höfe. So kommt es zur Überdüngung: zu viel Dünger auf zu wenig Fläche.
"Dieses Problem gibt es schon sehr sehr lange, deshalb wird die EU-Kommission auch zunehmend ungeduldig. Denn Deutschland setzt die EU-Nitratrichtlinie nicht richtig um. Im Grunde wäre es überhaupt nicht schwer, diese Hoftorbilanz einzuführen, denn wir hatten sie bis vor wenigen Jahren. Im Jahr 2007 hat dann eine Novelle der damaligen Düngeverordnung leider dieses sehr wichtige Instrument der Hoftorbilanz herausgeworfen. Und seitdem haben wir diese scheunengroßen Hintertüren und Schlupflöcher, durch die quasi die Nährstoffe auf dem Papier entwischen und im Grundwasser landen."
Fachmedien berichten, dass der Entwurf einer neuen Düngeverordnung schon im September an Brüssel gemeldet werden soll. Details sind bislang allerdings nicht öffentlich geworden.
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