Großbritannien

Verkehrte Welt bei den Wahlversprechen

Der britische Oppositionsführer Ed Miliband (l.) und Premierminister David Cameron
Der britische Oppositionsführer Ed Miliband (l.) und Premierminister David Cameron. © AFP / Matt Dunham
Von Jochen Spengler · 15.04.2015
In drei Wochen wählt Großbritannien. Die Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Konservativen und der Labourpartei voraus. Nun haben die Parteien ihre Wahlversprechen bekannt gegeben - und dabei einiges von der Konkurrenz übernommen.
Diese Woche soll endlich die Wende bringen, den entscheidenden Vorsprung in der Wählergunst. Das jedenfalls hoffen die Parteien, denn es ist "manifesto week", die Woche der Wahlprogramme und der meist großen Versprechungen, die die Partei-Defizite überdecken sollen.
Unter gleich zweien leidet die Labourpartei: einerseits unter mangelnder Haushalts-Kompetenz in den Augen der Öffentlichkeit und andererseits unter einem nur mäßig überzeugenden Spitzenkandidaten. Weswegen sich Ed Miliband am Montag als Mann zeigt, der entschlossen ist, Großbritannien zu regieren und zu verändern. Denn bislang sei der Wirtschaftsaufschwung am Volk vorbei gegangen.
"Ich bin bereit, Schluss zu machen mit der Mär, das was gut für die Reichen und Mächtigen sei, auch gut ist für das Land. Großbritannien hat dann Erfolg, wenn wir nicht nur die Leute mit dem sechsstelligen Bonus belohnen, sondern jeden hart arbeitenden Menschen in unserem Land. Wenn Sie mich in drei Wochen zum Premierminister wählen, werde ich für dieses Ziel arbeiten."
Labour verspricht sinkendes Haushaltsdefizit
Der 45-jährige Parteichef hat Labour nach links gerückt. Miliband kündigt Steuererhöhungen für Reiche an, verspricht das Ende der Niedrigstlöhne, die Senkung der Studiengebühren, den Ausbau des staatlichen Gesundheitssystems. Doch noch gilt Labour vielen Briten als Schuldenmacherpartei, die dem Land 2010 ein Haushaltdefizit von elf Prozent hinterlassen hat. Und nur so lässt sich das für Labour ungewöhnliche, zentrale Wahlversprechen im Manifest 2015 erklären: man werde die Partei der fiskalischen Verantwortung sein.
"Mein Schwur vor dem britischen Volk lautet: alles in unserem Programm ist gegenfinanziert, jedes Jahr wird das Haushaltsdefizit verringert und die Staatsverschuldung gesenkt. Ein besserer Plan für eine bessere Zukunft unseres Landes."
Und die liege auf jeden Fall in der EU. Miliband will anders als der konservative Premier David Cameron kein Austrittsreferendum. Das Kontrastprogramm folgt einen Tag später und die Labour-Versprechen nehmen sich geradezu bescheiden aus gegenüber dem Wohltaten-Feuerwerk, das die Tories abbrennen: 30 Wochenstunden kostenlose Kinderbetreuung für Berufstätige, keine Einkommensteuer für Menschen mit Mindestlohn und große Rabatte, wenn die Mieter von 1,3 Millionen Sozialwohnungen ihre Wohnung kaufen wollen. Und dann verkündet David Cameron im Namen seiner Konservativen, die vielen als Partei der Reichen und Mächtigen gilt:
"Wenn Sie ein junger Mensch sind auf der Suche nach Ausbildung, wenn Sie einen guten Job wollen, Ihr eigenes Haus kaufen wollen, eine Familie großziehen und Hilfe bei der Kinderbetreuung brauchen, krank werden und auf unser nationales Gesundheitssystem angewiesen sind, dann sind wir für Sie da und bieten Ihnen in jeder Lebensphase Sicherheit. Ja, die konservative Partei, die wahre Partei der Arbeitnehmer heute."
Die Torys als Wohlfühlpartei
Das Tory-Wahlmanifest versucht, aus einer Partei, die bislang für Sparen, eiserne Haushaltsdisziplin und Wirtschaftsaufschwung stand, eine Wohlfühlpartei zu machen, die allerdings konkrete Antworten schuldig bleibt, wie sie ihre Milliardenversprechen finanzieren soll.
"Mehr als alles andere bin ich ein Patriot, der sein Land aus vollem Herzen liebt. Ich bitte Sie um fünf weitere Jahre, um den Job zu beenden. Dann könnten wir die guten Nachrichten aus unserer Wirtschaft umwandeln in ein gutes Leben für Sie und Ihre Familie."
Verkehrte Welt - in der die traditionelle Arbeiterpartei und die traditionelle Wirtschaftspartei jeweils die Kernkompetenz des anderen für sich beanspruchen. Aber vermutlich sind die vollmundigen Beteuerungen in den britischen Wahlmanifesten ohnehin nicht mehr ganz so ernst zu nehmen wie früher, als es noch absolute Mehrheiten für die Großen und damit keine Entschuldigung gab für uneingelöste Wahl-Schwüre.
2015 aber wird es aller Voraussicht nach auf instabile Verhältnisse und entweder auf eine Koalitions- oder eine Minderheitsregierung hinauslaufen - die perfekte Entschuldigung für gebrochene Versprechen, wie die an Koalitionen gewöhnten deutschen Wähler wissen.
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