Gröning-Prozess

"Eine symbolische Entscheidung"

Beate Klarsfeld zwischen den Stelen des Holocaust-Mahnmal in Berlin
Beate Klarsfeld zwischen den Stelen des Holocaust-Mahnmal in Berlin © imago/IPON
Beate Klarsfeld im Gespräch mit Marianne Allweiss und André Hatting · 15.07.2015
Der NS-Täter Oskar Gröning ist zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Ob der 94-Jährige tatsächlich hinter Gitter muss, ist unklar. Für die Journalistin und NS-Verbrecher-Jägerin Beate Klarsfeld hat das Urteil vor allem symbolische Bedeutung: als Anschauung für die junge Generation.
Vier Jahre Haft wegen Beihilfe zum Massenmord in Auschwitz: So lautet das Urteil des Landgerichts Lüneburg für den früheren SS-Mann Oskar Gröning, der erst 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs verurteilt wurde.
Damit gingen die Richter über das von der Anklage geforderte Strafmaß hinaus. Jüdische Organisationen äußerten sich zufrieden. Knapp drei Monate hatte der Prozess gedauert, etliche Holocaust-Überlebende hatten in ihren bewegenden Aussagen erschütternde Details ihrer Verschleppung und des Massenmordes im Konzentrationslager Auschwitz geschildert. Deutschlandradio-Korrespondent Alexander Budde berichtete von dem Urteil
Den Jugendlichen etwas zeigen
Die deutsch-französische Journalistin Beate Klarsfeld, die sich als engagierte Dokumentarin von Verbrechen des Nationalsozialismus und hartnäckige Verfolgerin von NS-Verbrechern einen Namen gemacht hat, kommentierte das Urteil im Deutschlandradio Kultur: Diese sei vor allem eine symbolische Entscheidung und ein geschichtlich bedeutsamer Prozess. „Denn wir wollen ja vor allem den Jugendlichen heute ... etwas zeigen mit diesem Prozess und mit der Anhörung der Überlebenden, die ihre Leiden geschildert haben."
Es gebe heute so viele Holocaust-Leugner, dass im Zusammenhang mit dem Holocaust alles gesagt und gezeigt werden müsse. In diesem Zusammenhang sei auch bedeutsam, dass Oskar Gröning als NS-Täter,die Verbrechen geschildert habe – „und das ist eigentlich bislang selten vorgekommen". Es sei sehr wichtig, dass berichtet werde „wie war das und wie konnte das möglich sein".
Deutschland wollte diesen Prozess
Klarsfeld sagte weiter: Deutschland habe sich geändert. „Die deutsche politische Gesellschaft möchte diese Prozesse noch durchführen. Aber muss der heute 94-jährige, gesundheitlich angeschlagene Gröning tatsächlich noch hinter Gitter? Die Journalistin hält das für zweitrangig. „Er ist verurteilt worden, das ist die Hauptsache. ... Es kann durchaus sein, dass er vorher stirbt – wie bei Demjanjuk."
Angesichts der Tatsache, dass der Gröning-Prozess möglicherweise einer der letzten dieser Art ist, weil die NS-Täter und auch die Opfer aussterben, betonte Klarsfeld die besondere Bedeutung von Holocaust-Museen und Gedenkstätten. „Wir müssen die Jugendlichen dazu bringen, das zu sehen, das zu beobachten."
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