Griechenland

Was geschafft?

Zu sehen ist eine Essensausgabe in Athen. Einheimische und Migranten erhalten von freiwilligen Helfern Lebensmittel.
Trotz erster Erfolge: Bei einer Arbeitslosenquote von 27 Prozent sind viele Menschen auf Lebensmittelhilfen angewiesen. © dpa / Sandra Weller
Von Thomas Bormann  · 02.09.2014
Bewältigt ist die Krise in Griechenland noch längst nicht. Doch das Land hat viel Potenzial, sagen Experten von der Task Force, die dem maroden Staat wieder auf die Beine helfen sollen. Erste Erfolge zeichnen sich ab.
Jahrzehntelang war Griechenland ein Paradies für Steuersünder. Kontrollen gab es kaum; betrügen war einfach. Mit Hilfe der Experten der Task Force sind die griechischen Behörden inzwischen aufgerüstet und machen erfolgreich Jagd auf Steuersünder, sagt Johannes Luchner von der Task Force:
"Es gab hier keine gesetzliche Grundlage und keine technische Voraussetzung dafür, dass die Steuerbehörde sich systematisch die Bankkonten der Steuerzahler ansehen konnte. Jetzt ist das der Fall. Jetzt kann das Finanzministerium an eine Bank herantreten und sagen: Ich will die Bankauszüge von einem Herrn X oder einer Frau Y."
So kamen die griechischen Steuerbehörden zum Beispiel einem Bauunternehmer auf die Schliche, der 280 Millionen Euro Vermögen auf seinem Konto angesammelt hatte, aber nur 72.000 Euro Einkommen im Jahr versteuert hatte. Solche offensichtlichen Betrügereien spüren die griechischen Steuerfahnder jetzt schnell auf, nachdem sie mit Hilfe der Task Force aufgerüstet wurden.
Johannes Luchner ist stellvertretender Leiter der Task Force in Athen. Er stammt aus Österreich. Sein Arbeitgeber ist die EU in Brüssel. Insgesamt hat die EU 60 Verwaltungssxperten nach Griechenland geschickt. Sie sollen dort helfen, das Steuersystem, die Krankenversicherung, die Zollbehörden, eben die gesamte Verwaltung in Griechenland zu modernisieren.
"Es gibt Experten, die kommen für ein Zwei-Tages-Seminar über ein ganz spezifisches, spezielles Thema. Zum Beispiel die Landwirtschafts-Forstgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu Griechenland. Es gibt Experten, die wesentlich länger hierbleiben und aktiv daran mitarbeiten, zum Beispiel das Steuersystem umzustellen."
Die Task Force wird nur aktiv, wenn sie von der griechischen Regierung den Auftrag bekommt. Johannes Luchner legt Wert auf diese Feststellung: Die EU zwingt den griechischen Behörden nicht die Experten der Task Force auf. Nein: Die griechische Regierung bestimmt, wo sie die Hilfe der Experten der Task Force benötigt. Der Finanzminister hatte besonders viel Bedarf, dass die Experten der Task Force aus den anderen EU-Ländern ihr Wissen an ihre griechischen Kollegen weitergeben:
"Zum Beispiel haben wir über 700 griechische Beamte in Taktiken, die der Geldwäsche entgegen wirken sollen, ausgebildet."
Privatisierung schafft Arbeitsplätze
Der Hafen von Piräus, ein Zug fährt vom neuen Container-Terminal in Richtung Nordgriechenland. Die chinesische Firma Cosco hat einen Teil des Hafens von Piräus übernommen, den früher voll und ganz der griechische Staat betrieben hatte. Hier legen jetzt ständig Container-Schiffe aus China an und bringen Waren, die dann per Eisenbahn nach ganz Osteuropa weiterverteilt werden. Seit zwei Monaten ist der neue Container-Terminal in Betrieb. Für den griechischen Ministerpräsident Antonis Samaras ein Beispiel für gelungene Privatisierung:
"Die Möglichkeiten sind riesig. Mehr Investitionen bringen mehr Produktion, mehr Einkommen, und - am allerwichtigsten - mehr Beschäftigung und mehr Arbeitsplätze. Das wird Griechenlands Rolle in Europa stärken."
Nun soll ein weiterer Teil des Hafens von Piräus privatisiert werden. Auch hier ist der Sachverstand der Task Force gefragt:
"Wir haben dafür einen Hafenexperten über die Generaldirektion für Transport in Brüssel organisiert: einen Niederländer, der das für niederländische Häfen gemacht hat. Auch hier ist das wieder ein sehr großes Projekt, weil sie müssen innerhalb von relativ kurzer Zeit einen Hafenregulator schaffen, diese Konzession schreiben und dann ausverhandeln und auch da sind wir zum Beispiel dann aktiv."
Wenn die Task-Force-Experten in eine griechische Behörde kommen, stoßen sie durchaus auch auf Widerstand, auf Bedenken bei den dort Beschäftigten. Denn viele haben Angst, dass sie durch die Reformen in der Verwaltung ihren Arbeitsplatz verlieren. Ziel der Task Force ist aber in erster Linie, die Arbeitskräfte effizient einzusetzen, nicht etwa, sie zu ersetzen, sagt Johannes Luchner. Und schließlich habe die Task Force auch schon Tausende Arbeitsplätze gerettet – zum Beispiel im Autobahnbau:
"Aufgrund der Krise wurde der Bau von vier wichtigen Autobahnen in Griechenland eingestellt. Weil das Verkehrsaufkommen so war, dass die Mautgesellschaften ihre Kredite an die Banken nicht mehr bezahlen konnte. Das stand völlig still."
In Griechenland steckt viel Potenzial
Die Mautgesellschaften in Griechenland sind gleichzeitig die Bauherren der neuen Autobahnen. Aber die Einnahmen aus der Maut reichten nicht mehr, um die Bauarbeiter zu bezahlen - nach und nach lagen alle Baustellen brach.
Mit Hilfe der Experten der Task Force hatte die griechische Regierung dann bei der EU Subventionen beantragt. Milliardensummen stehen im EU-Haushalt bereit, um Infrastruktur-Projekte zu verwirklichen - man muss sie nur richtig beantragen:
"Und da hat sich die Task Force mit gutem Rat immer sehr intensiv darum bemüht, dass diese Autobahnbauten weiterlaufen können, weil das sind auch Tausende von Arbeitsplätzen, und waren damit letztes Jahr erfolgreich. Also Sie können die Früchte der Arbeit auch ganz real in der griechischen Landschaft betrachten."
In Griechenland steckt viel Potenzial, sagt Johannes Luchner. Griechenland kann es schaffen, viele neue Arbeitsplätze zu schaffen und aus der Krise herauszukommen.
Zum Beispiel im Tourismus. Die Bimmelbahn, die mehrmals täglich mit Touristen an den Sehenswürdigkeiten Athens vorbeizuckelt, ist in dieser Saison immer gut besetzt. Im Tourismus läuft es richtig prima. Ari Andriades vom griechischen Touristenverband schwärmt:
"Griechenland ist wieder in Mode. Das ist eine gute Nachricht. Überall höre ich: Dieses Jahr gehen wir nach Griechenland. Das ist wirklich sehr gut für das Land und für seine Wirtschaft."
Und bringt auch neue Arbeitsplätze:
"Bei einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 50 Prozent ist der Tourismus ein Wirtschaftszweig, wo junge Leute relativ leicht einen Job finden können."
Allerdings sind das oft nur Saison-Arbeitsplätze. Im September oder Oktober werden die jungen Leute dann wieder entlassen. Auch das ließe sich ändern, meint Johannes Luchner:
"Sie können hier am 4. November noch ohne jede Bedenken ins Meer springen, wenn Sie Hotels finden, die noch offen sind. Also: Die Verlängerung der Saison und wie man das strukturell angehen kann, ist ein Bemühen der griechischen Behörden, also da gibt es noch viel Potenzial."
Ist ein Ende der Krise in Sicht?
Die gute Tourismus-Saison 2014 wird Griechenland erstmals wieder ein bescheidenes Wachstum bringen. Die griechische Regierung rechnet mit einem Plus von 0,6 Prozent. Das ist gut, reicht jedoch bei weitem nicht:
"Aber, wie Sie wissen, auch wenn wir zwei, drei Prozent Wachstum hätten - von 27 Prozent Arbeitslosigkeit kommen Sie so schnell nicht runter."
So bleiben für die Experten der Task Force noch jede Menge Aufgaben - für Jahre oder Jahrzehnte. Denn Griechenland wird noch lange mit der Krise zu kämpfen haben, auch wenn Ministerpräsident Samaras schon jubelt, die Krise sei so gut wie überwunden. Johannes Luchner von der Task Force bewertet das etwas nüchterner:
"Die Krise ist vorbei in dem Sinne, dass das Land nicht, wie das bis vor ein paar Jahren der Fall war, fast vorm Kollaps steht, dass es auch eine gewisse politische Stabilität wieder gibt; für die Arbeitslosen ist die Krise natürlich erst vorbei, wenn sie wieder einen Arbeitsplatz haben."
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