Griechenland benötigt "Hilfe für die Konjunktur"

Martin Knapp im Gespräch mit Jörg Degenhardt · 08.02.2012
In der Diskussion um weitere Sparanstrengungen Griechenlands werde zu wenig an die Unternehmen im Land gedacht, bemängelt der Leiter der Deutsch-Griechischen Industrie- und Handelskammer, Martin Knapp. Die Reformen müssten von entsprechenden Hilfen für die Konjunktur begleitet werden.
Jörg Degenhardt: Das Gezerre um die Sanierung Griechenlands findet noch kein Ende, aber die Verhandlungen über das neue harte Sparpaket, die befinden sich gewissermaßen auf der Zielgeraden. Ministerpräsident Papademos will sich heute in Athen mit den Chefs der drei Regierungsparteien treffen, um das Sparpaket zu billigen. Die neuen Sparanstrengungen sollen Forderungen der internationalen Geldgeber erfüllen. Am 20. März muss Griechenland 14,5 Milliarden Euro Schulden zurückzahlen. Wenn das zweite Rettungspaket bis dahin nicht beschlossen ist und wenn private Banken und Fonds nicht bis dahin ihre Anleihen umgetauscht haben, müsste die Regierung ihren Bankrott erklären.

Ich begrüße Martin Knapp, den Geschäftsführer der deutsch-griechischen Handelskammer, guten Morgen, Herr Knapp!

Martin Knapp: Guten Morgen!

Degenhardt: Wir reden ja nicht das erste Mal an dieser Stelle über Griechenland und auch nicht das erste Mal mit Ihnen. Glauben Sie noch daran, dass die Pleite abgewendet werden kann?

Knapp: Nun, das kommt darauf an, was man unter Pleite versteht. Da gibt es jetzt die verschiedensten Szenarien, da gibt es die geordnete Insolvenz und die gibt es dann wiederum innerhalb und außerhalb der Eurozone und so weiter und so fort. Also, im Prinzip sagen ja die Wirtschaftswissenschaftler, dass Griechenland eigentlich längst bankrott ist. Es geht ja allenfalls um die offizielle Bankrotterklärung und davor scheuen sich die Politiker in ganz Europa. Und die versucht man ja gerade abzuwenden.

Degenhardt: Ja, nicht alle Politiker in Europa. Wir lesen heute Morgen, dass zum Beispiel die Vizechefin der EU-Kommission einen Ausstieg Griechenlands aus der Währungsunion für durchaus verkraftbar hält. Zitat, das sei "kein Weltuntergang". Also, Mut machen klingt irgendwie anders ...

Knapp: Und hat die Kommission da unmittelbar reagiert und festgestellt, dass das so nicht die Meinung der Kommission als solcher ist. Auch 80 Prozent der Griechen sind ja weiterhin der Meinung, dass sie besser in der Eurozone bleiben, und wären vermutlich bereicht, auch noch Opfer dafür zu bringen. Aber insgesamt ist die Lage doch sehr verfahren. Es gibt keinen Königsweg, von dem man sagen kann, das ist jetzt die Lösung und das machen wir jetzt und dann ist alles in Ordnung. Das gibt es mit Sicherheit nicht.

Degenhardt: Es gibt keinen Königsweg, gleichwohl darf man über Korrekturen nachdenken. Das Sparpaket, das nimmt den Menschen die Luft zum Atmen, das, was jetzt schon beschlossen wurde an Sparmaßnahmen, so ist es zu hören. Sie haben kein Geld, das sie ausgeben können. Ist das wirklich der richtige Weg, um wirtschaftlich in Griechenland wieder auf die Beine zu kommen?

Knapp: Es ist sicher nicht der richtige Weg oder es ist sicher nicht ausreichend. Das ganze Programm steht gewissermaßen auf einem Bein, auf dem Bein Sparen und Reformen. Beides sicher richtig und beides sicher unvermeidlich, aber es fehlt das zweite Bein. Und das zweite Bein ist eben die Unterstützung der griechischen Realwirtschaft, der griechischen Unternehmen, damit die nicht alle reihenweise jetzt der Krise zum Opfer fallen.

Denn es gibt auch immer noch einen Tag danach, auch in fünf oder in zehn Jahren gibt es auch noch Griechenland. Staaten sind keine Firmen, die bei einer Pleite abgewickelt werden, sondern sie müssen auch nachher noch existieren. Und was uns ganz die allergrößten Sorgen macht, ist, dass eben diese Krise dem künftigen Griechenland die Lebensgrundlage raubt. Und deshalb muss dringend etwas getan werden für die Realwirtschaft in Griechenland. Sonst ist alles andere sinnlos.

Degenhardt: Was muss denn da zum Beispiel getan werden beziehungsweise was ist denn vielleicht schon getan worden? Eine Forderung der Vergangenheit war ja auch immer, weg von einer gewissen Staatslastigkeit in Griechenland. Hat sich denn da was in den letzten Wochen und Monaten getan?

Knapp: Also, was Sie ansprechen, das gehört zu dem Bereich Reformen und diese Reformen sind notwendig, damit ein Aufschwung, wenn er nun mal kommt, nicht gleich wieder erstickt wird von diesem wenig effizienten Staat. Aber auf der anderen Seite muss natürlich auch an die Unternehmen gedacht werden und da fehlt es vor allen Dingen an Liquidität, sie können sich nicht mehr finanzieren. Und wenn man sich ein bisschen auskennt, wie ein Unternehmen funktioniert, dann ist also die Finanzierung der laufenden Geschäfte eine ganz entscheidende Sache, das ist das Entscheidende überhaupt. Und das läuft nicht. Und deshalb muss da dringend etwas getan werden.

Was jetzt da ungefähr läuft in Griechenland, muss man sich so vorstellen wie eine Operation am offenen Herzen ohne die Herz-Lungen-Maschine. Da ist dann am Ende die Operation vielleicht gelungen, aber der Patient trotzdem tot. Und deshalb müssten wir dringend dafür sorgen, dass die griechische Realwirtschaft überlebt. Denn sonst ist, wie gesagt, alles andere für die Katz.

Degenhardt: Das klingt nicht so, als sei Griechenland in den letzten Wochen und Monaten wettbewerbsfähiger geworden?

Knapp: Wettbewerbsfähiger vielleicht schon, was einige exportorientierte Branchen anbetrifft. Denn die Exporte sind in den letzten Jahren gestiegen, einer der wenigen Lichtblicke, die wir in Griechenland haben. Und wenn Exporte steigen, dann kann man schon mal davon ausgehen, dass zumindest diejenigen Firmen, die daran beteiligt sind, auch international wettbewerbsfähig sind, denn sonst könnten sie ja nicht exportieren.

Aber das reicht natürlich nicht, da ist noch viel zu tun, sind noch viele Bereiche, wo Griechenland noch Reformen braucht, und wir unterstützen auch diese Reformen, da gibt es auch gar kein Wenn und Aber. Aber Sie müssen trotzdem begleitet werden von einer entsprechenden Hilfe für die Konjunktur. Denn sonst, wie gesagt, klappt es nicht.

Degenhardt: Bemerkenswert war ja schon - wir haben das vorhin vom Kollegen Korrespondentenbericht von Thomas Bormann (MP3-Audio) Bormann gehört aus Athen - gestern beim Generalstreik, da waren auch Unternehmer auf der Straße und haben protestiert. Wie bewerten Sie denn das als Vertreter der deutsch-griechischen Handelskammer?

Knapp: Das ist ja kein Wunder, insofern dass ... Die griechische Wirtschaft war ja sehr konsumlastig in der Vergangenheit und das bedeutet natürlich, dass zum Beispiel der Bereich Einzelhandel sehr stark ist. Sehr viele Firmen beschäftigen sich mit dem Einzelhandel und in den letzten 20 Jahren ist ja auch sehr stark noch investiert worden in den Einzelhandel. Und der lebt natürlich davon, dass die Leute Geld in der Tasche haben. Und wenn die Leute kein Geld mehr in der Tasche haben, dann gehen diese Firmen natürlich als Erstes kaputt.

Das Gleiche gilt natürlich auch im industriellen Bereich für die Hersteller von Konsumgütern. Auch die Hersteller von Konsumgüter wollen eigentlich, dass ihre Kunden im Geld schwimmen nach Möglichkeit. Das ist ... Das ist einfach so. Und da ist es kein Wunder, wenn wir jetzt einen solchen Rückgang haben der Nachfrage, dass das diesen ganzen Bereich der Wirtschaft - und der ist eben sehr wichtig in Griechenland - unmittelbar betrifft.

Degenhardt: Griechenland, ein Dauerthema, das uns sicherlich erhalten bleibt bei den Problemen, die noch zu lösen sind und die teilweise auch schon angegangen wurden. Das war Martin Knapp, der Geschäftsführer der deutsch-griechischen Handelskammer zur aktuellen Entwicklung in Athen. Vielen Dank, Herr Knapp, für das Gespräch!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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