"Granteloper" am Hebbel am Ufer

Wir kommen, um uns zu beschweren

Szene aus der "Granteloper" der Künstlergruppe FUX am Berliner Theater Hebbel am Ufer: Hannah Müller, Tino Kühn, Léonard Bertholet (v.l.n.r.)
Einer Idee aus dem 18. Jahrhundert Leben eingehaucht: Szene aus der "Granteloper" am Hebbel am Ufer in Berlin mit Hannah Müller, Tino Kühn, Léonard Bertholet © Dorothea Tuch
Falk Rößler und Nele Stuhler im Gespräch mit Gesa Ufer · 10.01.2018
Meckern, schimpfen, lamentieren: Das Berliner Theater Hebbel am Ufer liefert mit der "Granteloper" das Stück zum Zeitgeist des Beschwerens. Die Idee zu einer solchen Granteloper hatten bereits Komponisten im 18. Jahrhundert. Doch das wurde nie umgesetzt.
Zu viel Salz in der Suppe oder zu wenig, die Politik ohnehin immer, der Tod – ein Skandal, der endlich aufhören muss: Alles und jedes kann Anlass zum Granteln liefern, das Beschweren ist zudem auch gerade sehr aktuell. Zeit also, der alten Idee der "Granteloper" Leben einzuhauchen. Am Berliner Hebbel am Ufer kommt das Stück übers Meckern, Beschweren und Protestieren nun auf die Bühne.

Als Idee seit dem 18. Jahrhundert

Falk Rößler und Nele Stuhler von der Gruppe FUX waren im Studio und wir wollten wissen, was genau denn eine "Granteloper" ist?
"Eine Granteloper ist zunächst mal ein Rätsel, weil sie eigentlich nur als ein Konzept, als eine Idee existiert, die seit Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder durch die europäischen Länder geistert – als Möglichkeit einer Oper für das Volk, einer Oper, die die Beschwerden aller Menschen sammelt und zum Ausdruck bringt, musikalisch geformt, aber eben nicht in der Form der aristokratischen, bürgerlichen Oper, sondern in einer alternativen Opernform. Wie die dann aussehen kann oder soll, das versuchen wir jetzt rauszufinden, weil es in der Geschichte noch nicht so wirklich stattgefunden hat."
Über die Gründe, warum die Idee der Granteloper noch nicht auf die Bühne gebracht wurde, lässt sich spekulieren. Nele Stuhler stellt folgende Überlegungen an:
"Wer hat eigentlich ein Interesse daran, dass Leute sich beschweren. Denn Kunst braucht ja eigentlich auch immer Leute, die das fördern, die das finanzieren. Und wenn es so ein Format dafür gibt, dass man sich beschweren kann, dass man aufrührerisch wird, dann gibt's auch ziemlich viele Leute, die ein Interesse daran haben, dass das nicht stattfindet – das ist, glaube ich, der eine Grund."
Zum anderen sei es natürlich auch ein sehr ambitioniertes Vorhaben ist, ein Opern-Format zu entwicklen, das musikalisch stark ausgestaltet ist, das alle Beschwerden versammelt, das gleichzeitig aber von Leuten gemacht wird, die nicht ausgebildete Sänger und Musiker sind.

Meckern, klagen, protestieren

Falk Rößler erklärt die Herangehensweise beim Konkretisieren:
"Wir haben uns erstmal gefragt, was heißt denn Granteln? Wir sind dann immer wieder auf den Begriff des Beschwerens gekommen als so einen Überbegriff für alle Formen des Meckerns, Klagens, Protestierens. Auch diese Spannweite hat uns interessiert, auch die Spannung zwischen Aktivität und Passivität, die im Beschweren drinliegt. Einerseits kann eine Beschwerde etwas wahnsinnig aktivierendes haben, auch zur Änderung aufrufen, andererseits ist das Beschweren aber auch möglicherweise schlicht und ergreifend ein Klagen ohne tatsächliche Möglichkeit zur Änderung."
Szene aus der Inszenierung der "Granteloper" der Künstlergruppe FUX: Léonard Bertholet, Hannah Müller, Tino Kühn (v.l.n.r.) 
© Dorothea Tuch

Möglichkeitsraum Musiktheater

Eigentlich liege ihnen Popmusik näher, erklären die beiden, aber die Möglichkeiten des Musiktheaters seien eben sehr groß, ergänzt Rößler:
"An der Oper interessiert uns sicherlich auch, dass wir sonst eben so schlechte Erfahrungen in der Oper machen für uns. Und wir aber an und für sich den Möglichkeiten des Musiktheaters schon viel abgewinnen können. Das ist ein riesengroßer Möglichkeitsraum, der im Musiktheater aufgeht, und den haben wir halt Lust, anders zu füllen."
(mf)

"Granteloper" - Inszenierung der Gruppe FUX (Nele Stuhler/Falk Rößler)
Premiere im Hebbel am Ufer, Berlin, am 10. Januar 2018.
Mit Léonard Bertholet, Tino Kühn, Hannah Müller

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