Goldrausch in Alaska

Von Jan Tussing · 15.10.2012
Seit dem drastischen Anstieg der Rohstoffpreise schlagen sich die Minengesellschaften regelrecht um die Filetstücke des riesigen US-Bundesstaates. Aber der neue Goldrausch stößt auf Widerstand - bei Fischereibetrieben, Ureinwohnern, Umweltschützern und Prominenten wie Robert Redford.
"Das ist hier Gold Creek."

Tony steht mit seinen Gummistiefeln knietief im Wasser und siebt mit seiner Pfanne den Schlamm. Tony ist Goldsucher, und der Bach hier ist Gold Creek.

"Weil das Gold so viel schwerer ist als alles andere, bringe ich es durch das Schütteln an den Grund der Pfanne und das leichtere Zeug kann ich mit meinen Händen aussortieren - wie diese größeren Steine."

Es nieselt ein wenig. Aber der Goldbach führt trotzdem nicht sehr viel Wasser, er kommt direkt aus den Bergen hier in Juneau mitten im Regenwald von Alaska. Die Goldvorkommen sind so groß, dass Tony sogar regelmäßig kleine Flocken im Wasser findet.

"Es gibt Leute, die suchen nach dem großen Stück Gold, und die werden schnell sehr enttäuscht, denn sie finden nichts Großes. Aber Kleinvieh macht auch Mist."

Das Flussbett ist ein großes Feld aus Felsen und Geröll. Die hohen Berge drum herum sind zum Großteil stillgelegte Goldminen, aber hier schlummern immer noch riesige Vorkommen. In Alaska ist ein neuer Goldrausch ausgebrochen. Der größte seit dem Zweiten Weltkrieg, sagt Historiker David Stone.

"Ja es gibt einen riesigen Goldrausch. Überall werden Vorkommen entdeckt. In der Ambler Region um Kotzebue. Die ist in der Nähe der Red Dog Mine, dem größten Zinkproduzenten in den USA, wenn nicht gar in der Welt. Dann gibt es die Livengood Vorkommen, nördlich von Fairbanks, die sich in der Nähe der Fort Knox Mine befinden und die größer sind als die Fort Knox Mine selbst. Dann haben wir die Pogo Mine, südlich von Fairbanks, in der Nähe von Delta. Sie ist in Besitz von Sumitomo, einer alten japanischen Goldminenfirma."

Minengesellschaften schlagen sich um die Filetstücke des riesigen US-Bundesstaates. Die gestiegenen Rohstoffpreise haben einen regelrechten Wettlauf ausgelöst, der viele Einwohner beunruhigt, sagt Juneaus Bürgermeister Bruce Botellho. Vor allem wegen der Umweltbelastungen.

"Es gibt viele Gemeinden, die den Minen zwar nicht insgesamt ablehnend gegenüber eingestellt sind, aber sie sind kritisch, ob die Mineninfrastruktur wieder mitten in das Stadtzentrum aufgebaut werden sollte. Sie sorgen sich um die Wasserqualität, den Verkehr, die Luftverschmutzung, usw. und diese Spannungen spiegeln die Erfahrung der Vergangenheit wider."
In Juneau lagen vor rund 100 Jahren die größten Goldminen der Welt. Die heutige Hauptstadt Alaskas gäbe es gar nicht, wenn Georges Juneau und Richard Harris 1880 hier kein Gold gefunden und der Stadt ihren Namen gegeben hätten, so der Historiker David Stone.

"Damals war Juneau die Goldgräberhauptstadt der Welt. Zum Beispiel die Treadwell Mine, die auf der anderen Seite des Kanals begann, hier auf der Douglas Insel, das war 1888 die größte Goldmine der Welt. Das war noch neun Jahre bevor in Klondyke Gold gefunden wurde. Das war 1897. Viele der Leute, die in Klondyke Gold gefunden haben, das ja im Yukongebiet in Kanada liegt, die mussten hier durch Alaska reisen, um dorthin zu gelangen. Über Umwege, über den großen Yukon-Fluss. Viele von diesen Leuten hatten in Goldminen hier gearbeitet. Sie haben Geld gesammelt, um in die Ausrüstung zu investieren, und das führte zu vielen weiteren Entdeckungen."

Juneau war vor dem Goldrausch nur ein großer bewaldeter Berg, der direkt ins Wasser abfiel. Es gab zwar eine kleine Indianersiedlung nördlich von Juneau, in der Auk-Bucht. Aber das Volk der Tlinkit kam nur zur Fischsaison hierher, feste Häuser gab es keine.
"Was Juneau zu einer Stadt werden ließ, waren zwei Arten der Goldgewinnung. Es gibt zum einen, was wir Goldseife nennen, oder Lagerstätte. Dort werden die kleinen Steine und das lose Gold abgebaut. Aber wenn diese Ablagerungen niedriger Qualität hier alles gewesen wären, dann wäre die Gemeinde bestimmt um 1900 schon ausgestorben. Aber es gibt auch die Feststoffablagerungen, in den Felsen, wo gebohrt und gesprengt werden musste. Zuerst waren es offene Gruben, aber schließlich wurde unter Tage gefördert, mit Schächten, die dem Abbau eine gewisse Solidität verschafften. Und diese Minen waren lange Jahre in Betrieb. Treadwell startete 1881, und vier Minen wurden bis 1917 ausgebeutet. Eine sogar bis 1922."

Der Berg bei Juneau gleicht heute einem Schweizer Käse. Milliarden von Kubiktonnen Fels wurden abgebaut und ins Meer geschüttet. Mit dem Schutt wurde Land gewonnen, und darauf entstanden die Häuser der heutigen Hauptstadt. Mehr noch: Juneau ist der platt gewalzte Schutthaufen. Zudem: Die Minen lockten Abenteurer und Unternehmer aus der ganzen Welt an.

"Die meisten gelernten Minenarbeiter kamen aus Europa, in den USA gab es keine. In London und Paris gab es Rekrutierungsprogramme. Wer sich sechs Monate als Bergarbeiter verpflichtete, dem wurde ein Hin,- und Rückflugticket gegeben. Die Minen zahlten die höchsten Gehälter weit und breit."

Das ist heute immer noch so. Wer sich verpflichtet in den Minen zu arbeiten, kann mit einem hohen Lohn rechnen. Auch damals lockte das Geld die Menschen an. Hier wurden Vermögen gemacht und wieder verloren.

"Frederick Worthen Bradley zum Beispiel kam aus Kalifornien. Als er 1933 starb, hinterließ er seiner Frau und seinen Kindern 64 Millionen Dollar. Damals zur Zeit der großen Wirtschaftskrise war das nicht schlecht. Ein anderer reicher Mann hieß Bernard Baruch, der auch der Wolf von Wall Street genannt wurde. Der hat jeden US Präsidenten beraten. Von Woodrow Wilson bis John F Kennedy."

Juneau und Alaska stehen für Reichtum und Risiko. Noch immer werden riesige Goldreserven vermutet, und der einzige Grund warum die Treadwell-Mine in Juneau geschlossen wurde, war eine Überflutungskatastrophe. Durch den Anstieg des Meeresspiegels strömte damals Salzwasser in die Stollen und zwang die Menschen zur vorzeitigen Aufgabe. Aber aufgrund der seit Jahren drastisch gestiegenen Rohstoffpreise werden die Minen überall in Juneau nun für die Konzerne wieder interessant, sagt Bürgermeister Bruce Bothello. Zwei wurden bereits wieder in Betrieb genommen.

"Die Greens Creek Mine befindet sich im Westen des Stadtzentrums von Juneau, und das ist die größte Silbermine Nordamerikas. Dann wurde die alte Kensington Mine im vergangenen Jahr wieder aufgemacht, eine Goldmine, die gleichzeitig auch der größte Arbeitgeber der Stadt ist. Der Prozess von der Planung zur Wiederaufnahme hat aber fast 19 Jahre gedauert. Das spiegelt die Sorgen in Bezug auf die Umweltbelastung wider."
In Juneau spielt zwar auch der Tourismus eine bedeutende Rolle. Im Sommer landen täglich rund 15.000 Besucher mit riesigen Kreuzfahrtschiffen. Aber ohne die Steuern der Minengesellschaften könnte sich die Hauptstadt ihre gute touristische Infrastruktur gar nicht leisten. Alaska ist den Rohstoffkonzernen ausgeliefert, glaubt Bürgermeister Bruce Botellho.

"Ressourcenentwicklung ist die treibende Kraft, was die Einnahmen angeht. Wir gleichen in vielen Dingen einer Kolonie, weil die Förderung von Rohstoffen unsere einzige Einnahmequelle ist. Und die Ausbeutung der Rohstoffe wird hauptsächlich von großen multinationalen Konzernen durchgeführt, die ein Interesse an Alaska haben."
"My name is John Hughes.”"

John Hughes steht im Stollen der AJ Mine und führt eine
Gruppe von Touristen durch das alte Bergwerk. Der groß gewachsene kräftige Mann ist halb Indianer, vom Stamm der Tlinkit, und halb Waliser. Sein Urgroßvater kam aus Wales und begann schon mit neun Jahren hier in der Mine zu arbeiten. Er bediente das Schienensystem, mit dem der Fels aus dem Stollen gefahren wurde. Seine Tlinkit-Familie stammt aus DryBay, einem Ort am Pazifik, nicht weit entfernt von Glacier Bay. Angefangen mit dem Minengeschäft hat John in Fairbanks, in Zentralalaska in der Fort Knox Gold Mine, einer offenen Mine. Am Delta Mine Trainingszentrum wurde er ausgebildet, rund 50 Meilen von Juneau entfernt. Er lernte dort das Bohren mit dem Presslufthammer. Anhand der Felsproben kann er sehen, in welche Richtung die Goldader verläuft. Die AJ Mine war früher die größte Goldmine der Welt. 3,5 Millionen Unzen Gold wurden hier gefördert. Es ist kühl im Stollen und um John stehen ein Dutzend neugieriger Touristen. Jeden Tag legen in Juneau fünf Kreuzfahrtschiffe an und Tausende von Besuchern fluten die kleinen Straßen des Orts. Hungrig nach Ausflugszielen erkunden sie Juneaus reiche Geschichte. Ein Besuch der AJ Mine ist ein Ausflug in die alten Stollen der Stadt.

""Haltet Eure Helme fest und guckt direkt nach oben", sagt John. "Hier ist eine Goldader. Eine Quarz-Ader. Mir wurde gesagt hier schlummern noch eine Million Unzen Gold im Berg, wahrscheinlich sind es mehr. Alles wird hier in dem Fels gefunden, in diesem Quarz."

Juneau ist im Umbruch, vielleicht auch im Aufbruch. Zwar machen es strenge Umweltgesetze heute schwieriger, Gold zu fördern, aber die internationalen Konzerne wittern so große Profite, wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Das Goldfieber ist überall im Land zu spüren. Die Abenteuerlust hat sogar auch die Individualisten wieder gepackt. In Nome, im Westen Alaskas, hat eine Fernsehreportage von National Geographic über die riesigen Goldvorkommen eine regelrechte Völkerwanderung ausgelöst. Hunderte sind in die Wildnis der Arktis gekommen, um Gold zu schürfen. Kleine Siedlungen werden aus dem Boden gestampft, so wie in Juneau vor 130 Jahren.

"Zur Zeit gibt es einen Gold Rush,keine Frage. Wir sehen ein beispielloses Niveau von Erschließung und Entwicklungen. Das wahrscheinlich größten Goldvorkommen der Welt wurden in Alaska entdeckt, die Dolan Creek Mine,in der Yukon Region in der Nähe von Baffle. Die bekommt gerade grünes Licht und dort werden 40 Millionen Unzen Gold geschätzt. Die größte Goldmine in Alaskas Geschichte war die Alaska Juneau Mine, und die förderte nur 3,5 Millionen Unzen Gold. Und hier werden jetzt 40 Millionen Unzen vermutet."

Aber nicht nur in der Arktis ist eine regelrechte Schlacht ums kalte Büffet ausgebrochen.

"Und dann gibt es die Pebble Mine, die liegt in der Nähe der Gewässer von Bristol Bay, hier werden die wahrscheinlich größten Kupfer,- und Goldvorkommen der Erde vermutet."
Die Pebble Mine sorgt in Alaska zur Zeit für besonders große Aufregung. An ihr zeigen sich die Widersprüche der aktuellen ungezügelten Rohstoffpolitik. Man kann sie nur aus der Luft erreichen: die Pebble Mine liegt etwa 300 Kilometer südwestlich von Anchorage - Alaskas größter Stadt. Und würde sie tatsächlich in Betrieb genommen werden, dann wäre es die größte Gold- und Kupfermine der Welt. Über 1200 Erkundungsbohrungen wurden schon durchgeführt, sagt Minenarbeiter Bud Versier.

"Über 1200 Meter tief sind die Bohrungen, in das Loch wird Frischwasser gefüllt, auch etwas Bohrschlamm herunter gepumpt, damit es nicht zu heiß wird."

Die Pebble Mine ist noch gar nicht von den Behörden genehmigt, da regt sich aber bereits Widerstand in der Bevölkerung. Es sei die falsche Mine am falschen Ort, sagt Terrin Kiko von NRDC, einer Umweltorganisation zum Schutz von natürlichen Ressourcen.

"Es geht um eine riesige Region in der Tundra, mit unzähligen Flüssen, Seen und Inseln, wenn du am Ort der Mine aus dem Flugzeug steigst, und ich hatte das Glück, dann siehst du eine Wasserlandschaft. Die ganze Region ist übers Wasser verbunden, die vielen Ströme, Bäche und Seen sind die Grundlage für die weltgrößten Laichgründe des Rotlachses. Hundert Millionen dieser roten Fische kommen jedes Jahr hierher zurück, sie schwimmen flussaufwärts,und es ist das Herz der Region. Die Lachse unterhalten die gesamte Fischindustrie, die Freizeitindustrie, den Tourismus und sie sind die Lebensgrundlage der Ureinwohner."

Würde die Mine vom Bundesstaat Alaska genehmigt, dann würde mitten in der unberührten Natur ein Loch von 500 Meter Tiefe entstehen mit einem Radius von drei Kilometern. Die kanadische Firma Northern Dynasty Minerals zusammen mit Angloamerican, einem britischen Konsortium, wollen hier gemeinsam den Rohstoff ans Tageslicht bringen. Sie rechnen mit einem Gewinn von 300 Milliarden Dollar und versprechen, rund 2000 Arbeitsplätze zu schaffen, sagt Terrin Kiko von NRDC.

"Aber während das Geld ins Ausland verschwindet, weil keine der Multis in den USA ansässig ist, bleiben die Einwohner Alaskas mit einer riesigen offenen Mine zurück und zehn Milliarden Tonnen Giftmüll, der für immer gelagert werden muss."

Neben Gold und Kupfer ist in der Pebble Mine auch der seltene Rohstoff Molybdän zu finden, der ist wichtig beim Bau von elektronischen Geräten wie Smartphones und Fernseher. Und weil der Anteil der Rohstoffe im Boden so gering ist, entstehen riesige Mengen Abfall.

"Um nur ein Pfund an Kupfer oder Gold zu fördern, musst du 99 Pfund Abfall fördern. Das ist die Art der Mine hier, das Gold ist von niedriger Qualität. Und leider ist der Abfall auch säurehaltig, du bekommst buchstäblich zehn Milliarden Tonnen kontaminierten Minenabfall und der wird für immer gelagert, an der Spitze der kristallklaren Wasserscheide, die die Lachse unterstützt und die das wirtschaftliche Rückgrat der Region ist."

Nicht nur Umweltschützer gehen auf die Barrikaden. Die Gefahr, dass der Boden durch den Goldabbau verseucht und die Natur kontaminiert wird, ist sehr groß. Ein Zusammenschluss aus Fischereibetrieben, Ureinwohnern und Aktivisten versucht die Mine daher zu stoppen noch bevor der Antrag bei den Behörden eingereicht wird.

"Das sei der letzte Ort der westlichen Welt, den der Mensch noch nicht zerstört hat, sagt der Fischer Pete Andrew. Er werde alles unternehmen das zu verhindern."

Sogar Hollywoodschauspieler Robert Redford hat zu einem Boykott aufgerufen. Unterstützung bekommt er von Alaskas reichstem Mann. Der Milliardär Bob Gillam hat bereits 400.000 Dollar gespendet, um in einem Volksentscheid über die Mine abstimmen zu lassen.

"Diese Mine wird meilenweit Lachsbäche und Flüsse zerstören."

Gillam hat daher eine Initiative ins Leben gerufen: "Rettet unseren Lachs". Ob die Gegner sich allerdings mit ihrem Protest durchsetzen können ist fraglich. Die alaskischen Behörden haben nämlich bisher noch nie einen Antrag zur Ausbeutung von Ressourcen abgelehnt, sagt Terrin Kiko.

"Viele der Koalitionsgegner suchen daher in Washington nach Hilfe. Die Umweltbehörde EPA hat bei Projekten ein Vetorecht, wenn diese gegen Wasserschutzgesetze verstoßen. Aber in ihrer gesamten Geschichte hat die Umweltbehörde EPA das Vetorecht nur 19 Mal in Anspruch genommen. Die Mine ist in ihren Ausmaßen riesig und wenn es irgendein Projekt gibt, für das die Behörde ihre Autorität nutzen kann, dann ist es das hier."

Die großen Konzerne sind dabei, den riesigen Bundesstaat unter sich aufzuteilen. An der Pebble Mine entscheidet sich, inwieweit die Regierung bereit ist, die Wildnis Alaskas aufs Spiel zu setzen. Mitsubishi ist bereits wieder ausgestiegen. Der japanische Konzern hatte sich mit zehn Prozent bei Northern Dynasty Minerals eingekauft. Aber nach Abwägung aller umweltpolitischen und wirtschaftlichen Risiken wurde dem Konzern der Boden zu heiß. Nun warten beide Seiten, Gegner und Befürworter auf die Entscheidung der Behörden: In Alaska und in Washington. Sollte die Pebble Mine am Ende genehmigt werden, fängt der Kampf der Umweltaktivisten erst richtig an. Tony hat das Goldfieber längst gepackt. Er ist mit seinen Söhnen hier am Gold Creek und schürft. Das Gold schürfen ist für den Amerikaner ein Hobby, mit dem er richtig Geld verdient. Stolz zeigt der Amerikaner sein mit Goldflocken gefülltes Reagenzglas.
"Ich habe einen Freund, der ist fast jeden Tag hier. Der verdient damit rund 300 oder 400 Dollar pro Woche."
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