Gold schürfen im Elektroschrott

Von Michael Engel · 14.05.2012
2500 Tonnen Gold werden jährlich in Goldminen gefördert, das meiste davon wird zu Schmuck verarbeitet, 300 Tonnen aber landen in Handys oder Computern. Haben diese dann ihren Dienst geleistet, gewinnen Spezialfirmen das Edelmetall zurück.
Es scheppert und kracht, wenn die Computer, Bildschirme und Tastaturen abgeladen werden. Rund 8000 Tonnen Elektronik-Schrott im Jahr landen bei der Braunschweiger Recycling-Firma ELPRO, sagt Geschäftsführer Dr. Dirk Schöps:

"Das, was wir eben gehört haben, war die Entleerung einer Staplerschaufel mit Altgeräten auf dem Schubbodenförderer, mit dem wir die Geräte in die manuelle Zerlegung, in die Halle hinein fördern."

Richtig laut ist es aber erst jetzt, in der "Zerlegehalle". 15 Mitarbeiter zerlegen hier im Schichtdienst – manchmal auch am Sonnabend – die Computer. Es sind die Geräte aus einem Einzugsgebiet von rund einer Million Menschen.

Dr. Dirk Schöps: "... und die Geräusche, die Sie hier hören, sind: Schlaggeräusche von den Hämmern, die sie benutzen, um Geräte schnell auseinander zu bekommen, die Schraubergeräusche von den Akkuschraubern, mit denen Schrauben gelöst werden und auch die Geräusche, die entstehen, wenn Teile abgeworfen werden in die Produktbehälter, wo sie dann hineinkommen."

Kunststoff-Gehäuse, Aluminium-Chassis, Platinen – alles wird fein säuberlich in unterschiedlichen Containern getrennt. Besonderen Wert haben die Computer-Platinen – wegen der vielen Mikrochips. Dr. Dirk Schöps:

Dr. Dirk Schöps: "Die Platinen sind Baugruppen, die aus einer Vielzahl von Stoffen zusammengesetzt sind. Wir finden dort heutzutage das halbe Periodensystem der Elemente. Außer den Edelgasen und den radioaktiven Elementen ist so ziemlich alles drin, was man sich nur vorstellen kann…"

... zum Beispiel Kupfer, Silber und auch Gold. In nur 49 Handys ist so viel Gold enthalten, wie in einer Tonne Golderz. Man muss also keine tiefen Stollen graben, Berge sprengen oder aufwändig im Sand schürfen, um diesen Schatz zu heben. Im Institut für Materialien und Bauelemente in der Elektronik der Uni Hannover nimmt Institutsleiter Prof. Jörg Osten einen Mikrochip in die Hand und öffnet das schwarze Chipgehäuse:

"Die Chips sind ja im Gehäuse, die sind geschützt gegen die Umwelt, da passiert gar nichts. Aber wenn Sie so einen Chip aufmachen würden oder vielleicht haben Sie das irgendwo mal gesehen, da gibt es lauter kleine dünne Drähtchen, die den Chip mit dem Gehäuse, also mit Füßen verbinden. Das sind Golddrähte."

An die 400 solcher haarfeinen Bond-Drähte aus Gold verbinden das elektronische Innenleben des Mikrochips mit den außen sichtbaren Gehäusekontakten. Das Gold liegt unsichtbar verborgen im schwarzen Chip-Gehäuse. Drähte aus Silber oder Kupfer würden den Strom zwar besser leiten, nur leider würden diese Materialien dann auch korrodieren, so der Materialforscher:

"Korrosion tritt auf, wenn Material Kontakt mit Sauerstoff hat. Und das ist auch im Zimmer, im Büro. Es wird ein bisschen unterstützt, wenn die Feuchtigkeit höher ist, wenn es wärmer wird, eine Klimaanlage ist wunderbar für Korrosion. Man will aber langlebige, bessere und stabile Kontakte herstellen – es wird vergoldet."

Nur mit Drähten aus Gold ist die Miniaturisierung in der Mikroelektronik überhaupt möglich. Winzige Handys, die in die Jackentasche passen und Tablet Computer, dünner als eine "Pizza Vierjahreszeiten". Neben den Mikrochips kommen aber auch die Sim-Karten in den Handys ohne Gold nicht aus:

"Gold hat nämlich noch eine zweite gute Eigenschaft, es ist relativ weich. Das heißt, die Kontakte sind nicht spröde, es ist beweglich. Auch unten, die Drähtchen, auf denen die Sim-Karte drückt, die sind vergoldet. Damit man dort mit Sicherheit einen guten elektrischen Kontakt hinbekommt, der auch nicht durch Luft, durch Feuchtigkeit beeinflusst wird. Das sind eigentlich so die beiden Hauptstellen, wo man es findet. In den Chips selbst gibt es Gold eigentlich nicht."

25 Milligramm Gold stecken in einem Handy – mit einem Wert von gerade mal einem Euro. Doch die Masse macht’s. In einer Tonne Elektronik-Schrott sind es schon 250 Gramm.

So landet der Elektronik-Schrott u.a. bei der Aurubis AG in Hamburg, wird dort zunächst einmal geschreddert, um die brennbaren Anteile zu verheizen. Metalle wie Aluminium werden in einem elektrolytischen Verfahren abgetrennt. Übrig bleibt ein sogenannter "Anodenschlamm". Klingt nach Abfall, hat es aber in sich, sagt Dr. Eric Becker:

"Ja, das ist alles andere als Abfall. Eine Tonne Anodenschlamm hat einen Wert zwischen 500.000 und einer Million Euro. Das hängt damit zusammen, dass der Anodenschlamm die ganzen Elemente sammelt, die nicht in der Elektrolyse aufgelöst werden können. Und das sind in erster Linie die Edelmetalle."

Erst kommt das Silber an die Reihe und in einem der finalen Schritte der König unter den Edelmetallen – das Gold. In der Edelhütte von Aurubis landet es rotglühend in Küvetten:

"Hier wird jetzt gerade Gold vergossen. Das heißt, aus einem Induktionsofen wird die flüssige Goldschmelze mit einer Temperatur von 1150 und 1200 Grad in die vorgewärmten und eingerußten Gussformen eingefüllt, erstarrt dann, und nach dem Abkühlen werden die Goldbarren geprägt."

Zehn Barren á zwölf Kilo sind es heute im Wert von rund sechs Millionen Euro. Im letzten Jahr kamen so rund 35 Tonnen zusammen im Gegenwert von etwa zwei Milliarden Euro. Elektronikschrott macht sich bezahlt, dem Unternehmen geht es glänzend. Am Schluss kommen die Barren in den "Goldtresor", ein schmuckloser Raum mit vielen Waagen. Mitarbeiter wiegen das Gold bis auf zwei Stellen hinter dem Komma.

Noch vier Stempel, die mit einem Hammer eingeschlagen werden, dann geht die teure Fracht mit einem Sicherheitstransporter raus aus dem streng bewachten Betriebsgelände. Handys sind hier verboten. Mitarbeiter nehmen sogar ihre Namensschilder ab, wenn Journalisten kommen. Kameras dürfen nicht einmal ihre Gesichter filmen. Sie könnten nach einer Veröffentlichung Opfer von Erpressern werden. Das viele Gold aus Handys und Computerplatinen macht hier alle sehr vorsichtig.
Mehr zum Thema