Götz Aly zu Zuckerberg-Kritikern

"Es gibt diesen feinen bürgerlichen Antisemitismus"

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Der deutsche Historiker, Journalist und Autor, Götz Aly © picture alliance / ZB / Marc Tirl
Götz Aly im Gespräch mit Ute Welty · 12.12.2015
Der Historiker Götz Aly hat es abgelehnt, sich für seine Antisemitismusvorwürfe gegenüber Zuckerberg-Kritikern zu entschuldigen. Der Nationalsozialismus-Experte hält daran fest, dass die Kritik des "FAZ"-Kommentators Michael Hanfeld an der angekündigten Milliardenspende des Facebook-Chefs antisemitisch sei.
Die heftige Reaktion der "FAZ" sei für ihn ein Zeichen dafür, dass seine Kritik berechtigt sei, so der Historiker Aly. Die Argumentation von Medienredakteur Michael Hanfeld korrespondiere mit antisemitischen Begriffen von der Weltherrschaft der Juden. Im Fall der allgemeinen Berichterstattung über eine Stiftung von Bill Gates seien im Gegensatz dazu nicht Begriffe wie "hinterhältig, eigennützig, auf die Weltherrschaft bedacht" gefallen.
"Wir machen uns eine zu einfache Vorstellung von Antisemitismus: Dass das irgendetwas Braunes ist – mit Springerstiefeln und groben Wörtern wie 'Juda verrecke' oder 'Israel ist gar kein richtiger Staat'."
Diese Vorstellung werde zumindest in der Öffentlichkeit propagiert.
"Aber es gibt diesen feinen bürgerlichen Antisemitismus und den können Sie verschiedenerorts erleben."
Da sei er im Laufe der Zeit einigermaßen hellhörig geworden.
"Und ich glaube, dass ich da die Richtigen gerade getroffen habe."

Das Interview im Wortlaut:
Ute Welty: Für 45 Milliarden Dollar kann man sich eine Menge kaufen: 100 Bahamas-Inseln zum Beispiel oder 30 Wolkenkratzer oder drei Flugzeugträger oder auch eine deutsche Bank. Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg macht was ganz anderes: Er spendet die entsprechenden Anteile seiner Firma, und dafür wählt er aber eine Rechtsform, die ihm ein Höchstmaß auch an politischer Einflussnahme sichert und die ihm den Vorwurf einbringt, er wolle vor allem Steuern sparen.
Die Nachricht von der Zuckerberg-Spende hat also zum Teil heftige Kritik hervorgerufen, die ihrerseits heftige Kritik provoziert, zum Beispiel beim Historiker und Antisemitismusforscher Götz Aly. Der bezeichnet die Zuckerberg-Kritik als antisemitisch und sieht Parallelen in der Argumentation gegen Zuckerberg und gegen Juden: Selbstsüchtig, hinterhältig, verlogen und ausbeuterisch sind da die Schlüsselbegriffe. In einem offenen Brief verwahrt sich zum Beispiel "FAZ"-Herausgeber Jürgen Kaube gegen den Vorwurf des Antisemitismus, und der Schriftsteller Per Leo äußerte sich hier bei uns in "Fazit".
Per Leo: Es hat ja eine gewisse Tragik fast, dass Aly einer der renommiertesten und zu Recht renommiertesten Erforscher auch des Holocaust und des NS ist, aber gerade deswegen glaube ich, stünde es ihm gut an zurückzurudern, sich zu entschuldigen, und dann wäre dieses Thema gegessen, weil es gibt Wichtigeres, nämlich den tatsächlich existierenden Antisemitismus. Der müsste tatsächlich täglich bekämpft werden und nicht solche Scheindebatten über pure Unterstellungen, die eigentlich nur auf den zurückfallen, der sie trifft.
Welty: Das hat Götz Aly jetzt auch gehört, und den offenen Brief in der "FAZ" wird er auch gelesen haben. Guten Morgen, Herr Aly!
Götz Aly: Schönen guten Morgen!
Welty: Ich gebe das mal weiter, was Per Leo gesagt hat, und frage ganz direkt: Kommt eine Entschuldigung für Sie infrage?
Aly: Nein, dazu sehe ich überhaupt keinen Grund. Wissen Sie, ich hab eine ganz harmlose Kolumne geschrieben. Mir ist aufgefallen, dass im Fall von Zuckerberg ganz merkwürdig alle von Eigennutz, von Hinterhältigkeit sprachen, dass im Grunde diese Spende nicht ehrlich gemeint sei. Sie haben in Ihrer Anmoderation gerade gesagt, er wolle weiterhin politischen Einfluss darauf nehmen, das ist überhaupt nicht wahr, das wissen wir heute nicht. Persönlichen Einfluss will er nehmen, das ist etwas ganz anderes. Und mir ist auch aufgefallen, dass zum Beispiel im Fall von Bill Gates diese Worte von niemandem gebraucht worden sind, wie sie in der "FAZ" gebraucht worden sind.
"Sascha Lobo hat sehr einsichtsvoll reagiert"
Was die Entschuldigung anbelangt, denke ich, im "Spiegel", Sascha Lobo, den ich kritisiert habe, da hat's angefangen in meinem Text, der hat sehr einsichtsvoll reagiert und gesagt, ja, da ist etwas dran. Er hat sofort sich damit auseinandergesetzt. In der "FAZ" ist man auf vollständige Betonabwehr gegangen, wobei man sehen muss, dass es in der "FAZ" offenbar interne Kritik gegeben hat, nämlich sofort in der "Sonntagszeitung" ist ein Gegenartikel gewissermaßen zu dem von mir angegriffenen Artikel von einem Herrn Hanfeld erschienen. Also ich finde das jetzt alles nicht so schlimm, das bewegt sich im Rahmen der öffentlichen Debatte.
Welty: Aber ist es denn überhaupt …
Aly: Und ich glaube auch, dass der Herr Hanfeld nicht mehr davon sprechen wird, dass wir hier jemanden als listig, hinterhältig wie Odysseus ein trojanisches Pferd durch die Welt treibt, um seine wahren Absichten zu verbergen und sich die ganze Welt untertan zu machen. Das korrespondiert natürlich mit alten antisemitischen Begriffen von der Weltherrschaft, das ist überhaupt keine Frage.
Welty: Aber ist es denn überhaupt relevant zu wissen, welcher Religionsgruppe der Facebook-Gründer angehört, um seine Aktivitäten gut oder schlecht zu finden?
Aly: Na, deswegen hab ich ja … Nein, für mich ist es nicht relevant, aber Leute reagieren da …
Welty: Offensichtlich ja schon, weil sie ja auf seine Religionszugehörigkeit – er kommt ja aus einem jüdischen Elternhaus, sagt aber von sich selber in den offiziellen Informationen, er sei Atheist … Offensichtlich ist es ja für Sie doch relevant.
Aly: Es ist für mich nicht relevant. Außerdem ist es nicht so, dass ihm das Judentum egal ist. Gerade hat er im Fall Trump erklärt, als der seine Suada gegen Muslime losgelassen hat, hat er gesagt: Ich als Jude habe von meinen Eltern gelernt, dass man mit Minderheiten nicht so umgehen darf. Das ist ein paar Tage her. Es ist nicht wahr, dass das Judentum für ihn gleichgültig sei – das zum einen, das wird hier behauptet, in dieser Debatte. Das andere ist aber – ich hab ja auch noch beschrieben in meinem Text eine Karikatur der "Süddeutschen Zeitung", die war eindeutig antisemitisch, und im Fall der Karikatur hat da auch niemand widersprochen. Wenn dasselbe aber mit Worten geschieht, dann meinen alle, weil sie es ja gar nicht im Zusammenhang mit Juden gesagt haben, wenn sie hinterhältig sagen, eigennützig auf die Weltherrschaft bedacht, im Internet und so weiter, bei Facebook, dann sei das nicht so.
FAZ "auf dem richtigen Bein erwischt"
Der Punkt ist, dass es im Fall einer Stiftung von Bill Gates dieses ganze Wortfeld nicht gegeben hat, es wird auch nicht angewendet, sagen wir mal, gegen einen deutschen Stifter wie Jan Philipp Reemtsma, dass er eigennützig sei, aber in diesem Fall geschieht es, und darauf habe ich aufmerksam gemacht. Und ich glaube auch, dass diese heftige Reaktion der "FAZ" was damit zu tun, dass ich sie auf dem richtigen Bein erwischt habe. Und im Fall der …
Welty: Was glauben Sie denn, welches Signal diese Diskussion jetzt nach außen sendet?
Aly: Gar nicht, das ist vorbei, das kann man doch mal feststellen – aber sie wird wiederkommen, es wird dann an anderen Beispielen wiederkommen. Wir machen uns eine zu einfache Vorstellung von Antisemitismus, dass das irgendwas Braunes ist, sozusagen mit Springerstiefeln und so weiter und groben Wörtern wie "Juda verrecke" oder "Israel ist gar kein richtiger Staat" und so weiter. Das denken wir oder so wird es öffentlich propagiert, aber es gibt diesen feinen bürgerlichen Antisemitismus, und den können Sie verschiedenenorts erleben, und da bin ich im Laufe der Zeit einigermaßen hellhörig geworden, und ich glaube, dass ich da die Richtigen gerade getroffen habe.
Welty: Die Spende von Facebook-Gründer Zuckerberg hat eine Debatte über Antisemitismus ausgelöst, an der auch und vor allem der Historiker Götz Aly beteiligt ist. Ich hab mit ihm darüber hier in "Studio 9" gesprochen und ich sage danke fürs Interview.
Aly: Ja, sehr gerne! Dann einen schönen Tag Ihnen allen!
Welty: Ihnen auch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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