Göring-Eckardt hofft auf "Initialzündung" für Ökumene

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler · 23.09.2011
"Wir haben die Aufgabe, das zusammen zu machen, was wir zusammen machen können", sagt Katrin Göring-Eckardt, Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, vor dem Treffen mit dem Papst in Erfurt.
Jan-Christoph Kitzler: Man könnte ja meinen, der Papst hat die kritischen Momente seiner Deutschlandreise schon hinter sich. Die große Kritik, große Demonstrationen waren in Berlin erwartet worden, und jetzt bei den Stationen im Eichsfeld und in Erfurt heute und morgen dann in Freiburg wird es vielleicht etwas beschaulicher. Aber auch heute steht ein kritischer Punkt auf dem Programm des Papstes, und der Ort ist höchst symbolisch: Benedikt XVI. trifft sich mit Vertretern der evangelischen Kirche in Deutschland – in Erfurt, dort, wo der Reformator Martin Luther studiert hat und seine ersten Schritte als Theologe gegangen ist. Es geht um die Ökumene, das ist ein Dauerthema zwischen evangelischen und katholischen Christen in Deutschland, und was da zu erwarten ist von diesem Treffen, das will ich jetzt besprechen mit Katrin Göring-Eckardt, der Grünen-Politikerin, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, und sie ist der Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Schönen guten Morgen!

Katrin Göring-Eckardt: Ich grüße Sie, guten Morgen!

: Blicken wir noch einmal ganz kurz zurück auf gestern: Vorher hat es ja viel Kritik gegeben an der Rede des Papstes im Bundestag, auch in Ihrer Fraktion, bei den Grünen, gab es deutlich kritische Stimmen, dass der Papst überhaupt sprechen darf. Wie beurteilen Sie denn mit etwas Abstand den Auftritt des Papstes?

Göring-Eckardt: Also, wir haben ja ein Staatsoberhaupt eingeladen, dann gab es viele, die haben befürchtet, dass der Religionsführer kommt, dann haben wir den Professor bekommen. Und das war, glaube ich, für viele sehr spannend, also auch aus dieser, aus der intellektuellen Perspektive heraus sich die Frage von Recht und Gerechtigkeit, von Politik und Werten anzuhören, und insofern sind, glaube ich, manche Befürchtungen jedenfalls unberechtigt gewesen. Und ich sage mal als Grüne, dass es ein derartiges Würdigen der Ökologiebewegung schon in den 70er-Jahren gegeben hat, das fand ich schon sehr bemerkenswert, das zeigt sicherlich auch, dass die Wirtschafts- und Klimakrise eben mit diesem Schwerpunkt etwas ist, was weit über die grüne Bewegung hinaus inzwischen zentral und wichtig ist. Das wissen wir auch von der Problematik her, aber diese Würdigung war schon sehr besonders, das muss man, glaube ich, sagen.

Kitzler: Heute nun werden die Grünen vielleicht nicht ganz so gut wegkommen, heute ist Ökumene das wichtige Thema. In Erfurt steht ein Treffen mit Vertretern der evangelischen Kirchen an. Ist das mehr als nur ein Treffen voller Symbolik?

Göring-Eckardt: Zunächst mal ist der Ort glaube ich nicht nur symbolisch, sondern er ist ein wichtiger ökumenischer Ort. Das Augustinerkloster ist ja das, in dem Luther seine erste Messe gelesen hat, hier ist er losgegangen, hier ist er in den Orden eingetreten und aufgebrochen, um Reformator zu werden, ist auch hier noch mal zurückgekommen in das Augustinerkloster und hat seiner Kirche ins Gewissen geredet, so muss man das, glaube ich, sagen. Und dass der Papst jetzt sich nicht nur in das Kernland der Reformation begibt, sondern auch an diesen sehr evangelischen Ort, das ist ein wichtiges Zeichen. Und die Frage …Wir werden 35 Minuten miteinander sprechen, wir werden dann gemeinsam Gottesdienst feiern, und da ist jetzt nicht die Frage, ob wir am Schluss Verträge unterschreiben, sondern ob wir uns auf den Weg machen können, und dieses Thema Reformation einfach auch weiter gemeinsam zu bedenken.

Kitzler: Das heißt, Sie erwarten schon wichtige Impulse von dem Treffen?

Göring-Eckardt: Ich erwarte jedenfalls Anstöße. Ich weiß gar nicht, ob wir am Ende über die zentralen Fragen, die viele in den Gemeinden bewegen, jetzt Fortschritte erzielen werden, da geht es ja um das Abendmahl und vieles andere, sondern ich erwarte mir eher, dass wir eine Initialzündung haben in Richtung des Jahres 2017, da werden wir ja 500 Jahre Reformation feiern und ich hoffe, dass wir das ökumenisch, gemeinsam tun können und dass wir da tatsächlich echte Fortschritte dann zu verzeichnen haben.

Kitzler: Die Ökumene in Deutschland ist ja eine Dauerbaustelle, es gibt viele Themen, die da strittig sind, und man hat aber nicht den Eindruck, dass sich in den letzten Jahren da besonders viel bewegt hat. Zum Beispiel beim Abendmahls-Thema, was Sie schon angesprochen haben, da scheinen die Fronten ja verhärteter denn je. Stimmt der Eindruck?

Göring-Eckardt: Na, verhärteter denn je kann man sicherlich nicht sagen, aber man muss schon sagen, dass es da keine Bewegung gibt. Jetzt muss man auch fragen: Ist es das, was viele eigentlich verstehen und auch tatsächlich bewegt? Manchmal habe ich das Gefühl, in den Gemeinden selbst ist das gar nicht so das zentrale Thema, sondern da ist eher die Frage: Wie kann man eigentlich besser zusammenarbeiten? Aber das Abendmahl ist ja etwas, was uns sehr stark ausmacht, und da kann man auch nicht sich unterhaken und sagen, das machen wir jetzt gemeinsam, sondern da braucht man eine gemeinsame Theologie dafür. Was verstehen die einen darunter, was verstehen die anderen darunter? Was bedeutet das für den Glauben? Ich glaube, diese intellektuelle Anstrengung braucht es dann auch.

Kitzler: Die Probleme der beiden Konfessionen, die sind ja ähnlich, zum Beispiel auch beim Thema Kirchenaustritte. Kann es sein, dass am Ende der gemeinsam zu ertragende Leidensdruck der evangelischen und der katholischen Kirchen die beiden Lager, wenn ich mal so sagen darf, zusammenschweißt?

Göring-Eckardt: Also zunächst mal: Wir sind heute ja in Erfurt in einer Region, wo deutlich mehr Menschen keiner Konfession angehören und wo Christinnen und Christen, katholisch und evangelisch, gemeinsam in der Minderheit sind. Und das ist schon zu DDR-Zeiten so gewesen, da war auch Ökumene eine ganz große Selbstverständlichkeit. Und vielleicht kann man das, mal davon abgesehen, dass wir jetzt natürlich nicht in der Diktatur leben, auch so ein bisschen übertragen. Ja, das muss uns mehr zusammenschweißen, aber ich will auch sagen, dass ich glaube, dass die Vielfalt, in der wir leben, auch ein Reichtum ist. Also, auch die Ökumene ist eigentlich ein Geschenk, und wir sollten nicht so tun, als ob es jetzt darauf ankäme, uns wiederzuvereinigen – ich bleibe mal bei diesem Ost-West-Thema –, sondern eigentlich sind wir reicher in unserer Vielfalt. Aber das heißt eben auch: Wir haben wirklich die Aufgabe, das zusammen zu machen, was wir auch zusammen machen können, und das ist einmal nach innen gerichtet, aber es ist eben auch nach außen gerichtet. Also, was wir sozusagen der Welt weiterzusagen haben, darauf kommt es natürlich auch an, wie wir über Frieden, wie wir über Gerechtigkeit reden, wie wir auch anerkennen, wie Menschen heute leben in dieser Welt. Und da kommt es auch schon darauf an, in dieser Zeit anzukommen.

Kitzler: 2017, das Jahr haben Sie schon angesprochen, da jährt sich der Thesenanschlag von Martin Luther zum 500. Mal. Wie weit ist die Ökumene in Ihrer Vorstellung, vielleicht in Ihren Träumen in diesem Jahr?

Göring-Eckardt: Also, ich hoffe sehr, dass wir dieses Jahr gemeinsam feiern können. Die römisch-katholischen Geschwister sagen ja im Moment noch: Na, feiern können wir das nicht. Und ich würde mir sehr wünschen, dass wir gemeinsam auf den Reichtum gucken können, den die Reformation gebracht hat. Ja nicht nur für eine Kirche, sondern letztlich ja auch für Gesellschaft, für die Demokratieentwicklung, für die Trennung von Staat und Kirche und so weiter. Und ich erhoffe mir jedenfalls, dass wir da einen deutlichen Schritt weiterkommen, und dass wir das Jahr 2017 auch ökumenisch feiern können.

Kitzler: Katrin Göring-Eckardt von den Grünen, sie ist stellvertretende Bundestagspräsidentin und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Vielen Dank für das Gespräch und gute Gespräche in Erfurt heute!

Göring-Eckardt: Ich bedanke mich auch sehr, alles Gute!

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