Glücksgefühle im Sport

Von Askese und Ekstase

Frauen und Männer praktizieren ein Pilates-Fitness-Training.
Wann sorgt Sport für Glücksgefühle? © picture alliance / dpa / Keystone Arno Balzarini
Von Sabine Gerlach · 24.07.2016
Verleihen Goldmedaillen Glücksgefühle? Oder sind es eher die zähen Trainingsstunden, die einen Sportler begeistern? Eins scheint klar: Ohne asketische Momente und Trainingsqualen gibt es selten ein richtiges Gefühlshoch.
"Glücksmomente haben ja viele Gesichter, zum einen der sportliche Erfolg, also wenn man sich ein Ziel gesetzt hat, zum Beispiel Olympische Spiele erfolgreich zu bestreiten und mit einer Medaille nach Hause zu kommen, und wenn man das erreicht hat, das ist ein Glücksgefühl."
"Olympiasieger in Sydney 2000, Robert Bartko."
Von den Olympischen Spielen in Sydney brachte Bahnradfahrer Robert Bartko gleich zwei Medaillen mit nach Hause. Er gewann die Einerverfolgung und holte Gold mit der Mannschaft. Mittlerweile hat er seine sportliche Karriere beendet. Der Blick zurück bringt Überraschendes zutage:
"Die häufigsten Glücksmomente waren die, wenn es Training erfolgreich war, wenn es einen Muskelschmerz gab, wenn es einen Muskelkater gab am nächsten Tag, das waren auch Glücksmomente wo man gemerkt hat, man hat was getan, man hat es für das Ziel getan und man ist auf dem richtigen Weg."

"Glücksmomente, wenn man Ziele erreicht"

Training bedeutet Anstrengung, Entbehrung, Überwindung und oftmals auch Schmerz. Wie es ist, sich im Training zu quälen, weiß auch Hockeynationalspieler Moritz Fürste. Aber auch: Wie es sich anfühlt, erfolgreich zu sein: Gleich zweimal, 2008 und 2012, gewann er mit seinem Team olympisches Gold.
"Drei, zwei, eins. Die Schläger fliegen, weg damit, her mit der Goldmedaille. Die deutschen Hockeyherren sind erneut Olympiasieger. Gold für Deutschland!"
In Rio möchte Moritz Fürste zum dritten Mal in Folge das Finale gewinnen. Aber auch für ihn zählen die kleinen Erfolgserlebnisse.
"Glücksmomente sind für mich, wenn man Ziele erreicht und das kann jeden Tag passieren, das passiert manchmal im Training, das passiert häufig auf dem Weg zum Training, kann auch mental sein, die Ziele, die man sich gesteckt hat, wenn ich mir eine klare Vorgabe gesetzt habe in Bezug auf wie ich in ein Training reingehen möchte, und ich komm da an und merke, ich hab mich so vorbereitet, wie ich das für richtig halte, das ist das so eine Form von Glücksgefühl in dem Moment."
Glücksmomente fallen nicht einfach so vom Himmel, bestätigt der Philosoph Wilhelm Schmid. Um zu angenehmen Gefühlen zu kommen, seien häufig unangenehme oder anstrengende Tätigkeiten nötig. Das gelte für alle Lebensbereiche, auch für den Sport.
"Die Belohnung ist letzten Endes Ekstase. Runners High, der Sieg, das Triumphgefühl oder auch nur das tolle Gefühl, ich hab es gemacht, auch wenn nicht Erster und überhaupt nicht unter der Spitzengruppe bin, aber ich hab es gemacht, ich habe mich dazu gekriegt. Aber die Voraussetzung der Ekstase ist immer Askese. Das ist ein Wort, das viele Menschen nicht gerne hören, ist vielleicht auch zu stark belegt durch eine christliche, moralische Bewertung, das ist schade, das kommt aus dem griechischen, das heißt Askesis und Askesis heißt einfach Übung. Und Übung ist einfach anstrengend."

Wichtig ist, das persönliche Ziel zu erreichen

Nur wer das, was er tut, mit Freude tut, ist bereit, sich anzustrengen, betont der Sportmediziner Robert Margerie. Er betreut in seiner Praxis viele Langstreckenläufer. Das Erfolgs- oder Glücksgefühl des Einzelnen hänge aber nicht nur von messbaren Ergebnissen ab. Auch die Erwartungshaltung spiele eine Rolle:
"Wir können uns nicht zu etwas zwingen, was wir nicht wollen, dann werden wir da keine Glücksmomente und keine Erfolgserlebnisse haben. Der Sieger freut sich natürlich über den Erfolg im Wettkampf, aber das wird von Profisportlern, Leistungssportlern auch selbst berichtet, dass sie teilweise neidisch auf die Sportler blicken, die weit hinter ihnen kommen, vielleicht Stunden später das Ziel überqueren, aber doch wesentlich glücklicher sind, weil sie ihre persönlichen Ziele erreicht haben. Das macht es aus."
Nicht nur der Erfolg, sondern auch Tiefpunkte gehören zum Sportlerleben. Handballnationalspieler Steffen Weinhold musste verletzt zuschauen als seine Teamkameraden Ende Januar den EM-Titel gewannen. Das Finale fand ohne ihn statt.
"Und sie läuft runter die Zeit und jetzt ist Schluss. Jetzt ist Schluss. Deutschland ist Europameister!"
Krisen zu überwinden, aus einem Formtief herauszukommen oder nach einer Verletzung endlich wieder spielen zu können, auch das löst Glücksgefühle aus:
"Natürlich ist es so, dass man eine Verletzungszeit immer dafür nutzt, an sich zu arbeiten, aber trotzdem ist es so, dass man immer sich auf diesen Tag freut, wo man wieder auf der Platte stehen kann und dementsprechend hat man da denn auch ein Glücksgefühl, wenn man einfach wieder spielen kann."
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