Gisela Werler

Als die "Banklady" große Kasse machte

Die Angeklagte Gisela Werler vor Prozessbeginn im Gespräch mit ihrem Anwalt Heinrich Happ
Prozess gegen Bank-Lady Gisela Werler © picture alliance / Johannes Gewiess / Johannes Gewiess
Von Hartmut Goege · 15.12.2017
In den 1960er-Jahren gab es einen regelrechten Bankraub-Boom - und die erste Bankräuberin im Nachkriegsdeutschland. Die "Banklady" Gisela Werler wurde zum Medienereignis. Kriminologen hingegen trauten Frauen damals solche Taten nicht zu.
"Man muss sie sehen, die erfolgreichste Bankräuberbande der Nachkriegszeit und ihren Star, die 34-jährige Gisela Werler. 400.000 Mark in zweieinhalb Jahren."
So kündigte die Wochenschau den Prozessauftakt um die erste Bankräuberin der Bundesrepublik an. Ein Jahr zuvor war die Bande der Polizei endlich ins Netz gegangen. 19 Mal hatte sie im Norden zugeschlagen, in Filialen ohne Alarmsysteme. Selbst die Polizei war dort noch schlecht ausgerüstet, wie sich Ruheständler Günther Prostka erinnert:
"Wir hatten auf dieser Dienststelle mit sechs, sieben Leuten noch nicht mal einen Dienstwagen. Wir hatten Privatfahrzeuge und kein Funkgerät. Wir konnten also gar nicht miteinander kommunizieren. Wer die Dienststelle verließ, der war nicht mehr erreichbar."

Frauen für unfähig zum Bankraub gehalten

So erlebte der Bankraub in den 60er-Jahren einen regelrechten Boom. Allein 1966 gab es fast 400 Überfälle. Alle sozialen Schichten waren beim schnellen Abkassieren dabei: Unternehmer, Landwirte, Berufsoffiziere, Polizeimeister und nun auch noch eine Frau. Eine Sensation. Denn die herkömmliche Kriminologie bezweifelte, dass Frauen überhaupt zu Planung und Ausführung fähig wären. Boulevardblätter kürten die Unbekannte zur "Banklady". Karikaturen zeigten sie als Revolver schwingende Femme fatale. Titelseiten überschlugen sich:
"Schon wieder Bankraub mit Stöckelschuhen!"
"Revolver-Mädchen erbeutet 45.000 Mark!"
"Fräulein Bankräuber kassiert wieder!"
Im Hamburger Polizeipräsidium waren die Ermittler ratlos. Eine Vermutung führte ins Rotlichtmilieu. Überfallene Bankangestellte mussten als Augenzeugen durch die Kneipen von St. Pauli ziehen, so wie Gerda Kleiber:
"Wir sollten die 'Banklady' identifizieren. Und zwar auf der Reeperbahn hatten sie 'nen Tipp bekommen, sie solle in irgendeinem Lokal dort sein."

Teures Outfit und Perücke nötig

Doch alles vergebens. Während die Polizei im Trüben fischte, ging die "Banklady" ihrer normalen Beschäftigung nach. Unter ihrem bürgerlichen Namen Gisela Werler wohnte die 31-Jährige noch bei den Eltern in Altona und arbeitete in einem Tapetengeschäft. Sie galt als fleißig und hilfsbereit und hatte sich bis dato mit ihrem Kollegen Hugo Warncke mit geklauten Tapeten gelegentlich etwas hinzuverdient. Hugo war es, der sie mit dem "Bankgeschäft" bekannt gemacht hatte.
Die Angeklagte Gisela Werler und der Mitangeklagte Gerhard. J. auf der Anklagebank. Gegen die "Bank-Lady" Gisela Werler und ihre drei Komplizen wurde am 27.12.1968 vor dem Schwurgericht in Kiel der Prozess eröffnet. Sie sollen zwischen 1964 bis Ende 1967 bei 20 Banküberfällen rund 400.000 DM erbeutet haben.
"Bank-Lady" Gisela Werler (r.) und der Mitangeklagte Gerhard. J. 1968 auf der Anklagebank. © dpa
Eines Tages war Hugo mit seinem Kumpel Hermann Wittorff und einer Geldtasche bei Gisela aufgetaucht, auf der Suche nach einem sicheren Beuteversteck. Die empfahl ihren Kleiderschrank und verliebte sich nebenbei unsterblich in Hermann, einen verheirateten Taxifahrer. Als Hugo für einen weiteren Bankraub wegen "Bauchweh" kurzfristig ausfiel, sprang Gisela ein. Und sie hatte Nerven. Mit vorgehaltener Waffe erbeutete sie 3000 Mark, während ihr Geliebter Hermann im Fluchtauto vor der Filiale wartete, wie er später in einem Interview erzählte:
"Ich sag, 'du', sag ich, 'das ist aber leichtsinnig. Du kommst hier mit 'ner Waffe an. Wenn die jetzt losgeht, dann musst du sehen, wie du aus dem Auto heil rauskommst. Ich bin dann tot'. - 'Oh ja‚ da habe ich gar nicht dran gedacht'."
Der Überfall war Mutprobe und Feuertaufe zugleich und sicherte das notwendige Anfangskapital. Denn von nun an brauchte Gisela teures Outfit und eine Echthaar-Perücke. Fahndungsaufrufe blieben erfolglos:
"Gesucht wird: Frau mit blonder Perücke und Sonnenbrille!"

Banküberfälle wurden zur Routine

Stets gingen die beiden nach dem gleichen Muster vor. Zumeist freitags vor Geschäftsschluss fuhren sie mit einem gestohlenen VW Käfer vor.
Nach erfolgreichem Abkassieren brauste das Paar davon und stieg irgendwo in Hermanns Taxi um. Dort konnte man den Polizeifunk abhören und weitere Schritte planen. Für die beiden bald Routine, erinnert sich Hermann Wittorff:
"Wenn Sie das zehnmal gemacht haben, dann ist das nicht anders, als wenn Sie zum Brötchen holen gehen."
Das machte sie noch dreister und leichtsinnig. Noch einmal wollten sie das ganz große Geld einsacken: 100.000 Mark. Doch als sie am 15. Dezember 1967 die Kreissparkasse in Bad Segeberg überfielen, ging alles schief. Die Filiale hatte seit kurzem einen Alarmknopf. Die vier Angestellten widersetzten sich und Gisela und Hermann mussten flüchten. In der Annahme, die beiden hätten nur Platzpatronen in ihren Waffen, nahmen die Angestellten die Verfolgung auf und wurden von Wittorff angeschossen. Die Flucht endete schließlich vor einer geschlossenen Bahnschranke, wo die Polizei die Bankräuber festnehmen konnte. Die Wochenschau über den anschließenden Prozess:
"Das Urteil: Neuneinhalb Jahre Zuchthaus für die Lady. Vier Jahre weniger als ihr Geliebter, denn der Landgerichtsdirektor ist der Ansicht: 'Sie war sich der Schwere ihrer Taten nicht bewusst!'"
Denn Gisela Werler hatte im Prozess immer wieder beteuert, sie habe alles nur aus Liebe getan.
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