Donnerstag, 18. April 2024

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Ökonom Stefan Kooths
Plädoyer für die Vollgeldreform

Eine Vollgeldreform würde das gesamte Banken- und Geldsystem stabiler machen, sagte der Ökonom Stefan Kooths im Dlf. Das Volumen der ausgegebenen Kredite würde deswegen aber nicht zwangsläufig geringer, so der Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft.

Stefan Kooths im Gespräch mit Katja Scherer | 08.06.2018
    Deutsche Bank Zentrale in Frankfurt am Main.
    Kooths kritisiert, dass die Geschäftsbanken aus dem Nichts eigenes Geld schöpfen können - aber eine Reform hin zum Vollgeldsystem müsste schrittweise vonstatten gehen, so der Ökonom. (imago / Jan Huebner)
    Katja Scherer: Es ist schon länger deutliche Kritik am jetzigen Geldsystem zu hören, aus verschiedenen Richtungen. Heute hat zum Beispiel der Ökonom und OECD-Wirtschaftsberater William White in der Börsenzeitung betont, dass auch er grundlegende Reformen für angebracht hält. Was ist denn Ihre Meinung, ist unser heutiges Geldsystem, in dem auch die Geschäftsbanken Geld in großem Umfang schaffen können, ist das überholt?
    Stefan Kooths: Es lohnt sich auf jeden Fall, darüber nachzudenken, ob man einige Grundeinstellungen in diesem Geldsystem noch mal deutlich ändert. Die jetzige Situation ist ja so, dass die Geschäftsbanken aus dem Nichts eigenes Geld schöpfen können und dieses Geld nicht vollständig mit Zentralbankgeld hinterlegt sein muss. Das ergibt eine starke Elastizität, das heißt, Sie können die Geldmenge stark nach oben ausweiten, sie kann aber auch recht schnell wieder zusammenschrumpfen. Und das gesamte System würde stabiler, wenn man diese Elastizität verringerte.
    Kooths: Risiken müssten von den Banken getragen werden
    Scherer: Die Vollgeldreform soll ja genau das unterbinden. Sie soll zum Beispiel verhindern, dass Banken zu viele riskante Kredite vergeben, wie das zum Beispiel auch vor zehn Jahren auf dem amerikanischen Immobilienmarkt geschehen ist. Dadurch sollen Finanzkrisen weniger werden. Kann das gelingen?
    Kooths: Es ist ein Beitrag dazu. Man muss hier sicherlich an verschiedenen Stellschrauben drehen, die sich zum Teil ergänzen. Eine wichtige Forderung bleibt weiterhin, dass die Eigenkapitalausstattung der Banken hoch sein muss, damit die Risiken, die sie eingehen, zunächst vor allem auf sich selber zurückfallen. Das macht ohnehin vorsichtiger im Geschäftsbetrieb. Zum anderen sollte man aber auch dazu beitragen, dass die Risiken, die im Geschäftsbankensystem bestehen, nicht übergreifen auf die Geldversorgung. Und die Vollgeldreform hat ja zum Ziel, dass man das Geldsystem abschirmt vom sonstigen Kreditgeschäft der Banken. Und indem das gelingt, hat man insgesamt ein robusteres Geldsystem.
    Scherer: Das heißt, das ist dann auch das Argument, dass die Bankeinlagen der Sparer zukünftig sicherer sind, weil dieses Spargeschäft quasi völlig losgelöst ist von dem, was die Banken sonst noch an Kapitalanlage machen?
    Kooths: So ist es. Diejenigen, die einer Bank Geld anvertrauen, müssen sich dann entscheiden: Wollen sie das auf einer Einlage halten, als Sichtguthaben? Das wäre dann vollständig von sämtlichen Risiken der übrigen Bankbilanz entkoppelt, denn es ist ja durch Zentralbankgeld zu 100 Prozent gedeckt. In dem Moment, wo aber die Privaten dann höhere Zinsen haben wollen und der Bank dann ihrerseits einen Kredit geben, dann stehen sie natürlich auch im Risiko.
    Scherer: Die Idee der Vollgeldreform ist ja auch, dass man die Geldschöpfung wirklich allein bei den Zentralbanken ansiedelt und Geschäftsbanken eben keine Möglichkeiten mehr haben, Geld zu schöpfen. Ist das der richtige Ansatz?
    Kooths: Das ist in der Tat der richtige Ansatz. Allerdings kommt es dann natürlich entscheidend darauf an, welche Zentralbankgeldpolitik betrieben wird. Wenn die dann ebenfalls sehr elastisch ist, wenn also die Zentralbank sehr starke Veränderungen der Geldmenge zulässt, dann haben wir so viel nicht gewonnen. Es kommt dann ganz darauf an, wie die Zentralbank ihrerseits agiert.
    Kooths: Keine Geldschöpfung mehr für Geschäftsbanken
    Scherer: Das heißt aber, prinzipiell wären Sie auch dafür, den Geschäftsbanken die Möglichkeit zur Geldschöpfung zu entziehen?
    Kooths: Ja.
    Scherer: Warum? Es gibt ja viele Kritiker, die sagen, wenn man das macht, dann wird zum Beispiel das Volumen der Kredite, die ausgegeben werden, deutlich geringer, es gibt volkswirtschaftliche Einbußen, die damit verbunden sind. Also schadet man damit nicht eigentlich auch der Gesellschaft?
    Kooths: Nein, der Gesellschaft schadet man damit nicht, denn es gibt zwei Bereiche, die bislang die Kreditvergabe ausmachen: Das eine ist die Kreditschöpfung aus dem Nichts der Geschäftsbanken, das würde dann nur noch in dem Maße möglich sein, wie die Zentralbank zusätzliches Zentralbankgeld zur Verfügung stellt; aber der viel wichtigere Bereich ist ja der der Kreditvermittlung, also die Spargelder einzusammeln, um sie dann an diejenigen Investoren auszureichen, die das Geld für Investitionszwecke brauchen. Und dort spielen die Geschäftsbanken auch in einem Vollgeldsystem weiterhin eine ganz wichtige Rolle. Sie haben eben nur nicht mehr die Möglichkeit, über das, was die Privaten freiwillig bereit sind zu sparen, zusätzliche Kredite auszureichen.
    Scherer: Bisher gilt es als unwahrscheinlich, dass sich die Befürworter der Vollgeldreform am Wochenende in der Schweiz durchsetzen können. Aber angenommen, wenn: Mit welchen Folgen wäre ganz konkret zu rechnen am Finanzmarkt?
    Kooths: Was bei dieser Entscheidung sicherlich unglücklich ist, ist, dass man so einen Systemwechsel von jetzt auf gleich zur Abstimmung stellt. Es wäre natürlich vernünftiger, ein solches System nicht abrupt einzuführen, sondern es eher über einen längeren Zeitraum einzuführen. Das könnte man tun. Unsicherheit, die in das System hineingetragen wird, ist immer Gift für Entscheidungen, das kann dazu führen, dass man erst mal gar nichts macht oder dass man überreagiert. Und das sind unnötige Turbulenzen, die sollte man sich lieber ersparen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.