Gewalt in Computerspielen

Wird der Gesellschaft ein Spiegel vorgehalten?

07:07 Minuten
Ein junger Mann sitzt am Bildschirm und spielt. Auf dem Monitor ist die Abbildung einer getöteten Person zu sehen und zu lesen, dass der User sie getötet hat.
Auch wenn Spiele keine manifesten Auswirkungen auf unser Verhalten haben, können sie moralisch schlecht oder gut sein, meint Feige. © imago / Friedrich Stark
Moderation: Gesa Ufer · 19.03.2019
Audio herunterladen
In "Rape Day" sollen Frauen vergewaltigt werden. Es folgte Kritik und das Spiel wurde von einer Plattform entfernt. Dabei könne Gewalt in Spielen auch ein Kommentar auf gesellschaftliche Verhältnisse sein, meint Philosoph Daniel Martin Feige.
Das Computerspiel "Rape Day", bei dem Spieler nach einer Zombie-Apokalypse Säuglingsfleisch essen und Frauen vergewaltigen, sorgte zuletzt für Aufsehen. Nach massiver Kritik entfernte die Spieleplattform "Steam" das Spiel aus dem Onlineshop.
In diesem Fall waren für viele die ethnischen Grenzen überschritten. Andere gewaltverherrlichende Spiele werden nach wie vor produziert, zum Download angeboten und gekauft. Scheinbar wird mit zweierlei Maß gemessen, wenn es um Gewaltdarstellungen in Computerspielen geht.

"Das Problem ist nicht, dass auf Menschen geschossen wird"

Es komme darauf an, sagte Daniel Martin Feige, Professor für Philosophie und Ästhetik in der Fachgruppe Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, im Deutschlandfunk Kultur. So habe das Computerspiel "Hatred", das einen Amoklauf simuliert, vor einigen Jahren für ähnliche Kontroversen gesorgt.
"Das Problem ist nicht, dass auf Menschen geschossen wird, sondern dass es in Form einer völlig indiskutablen Handlung passiert. Dass der Protagonist einfach Amok laufen soll und möglichst viele Menschen umbringen soll. Ich glaube auch nicht, dass das in First-Person-Shootern prinzipiell unproblematisch ist. Es kommt ganz darauf an, was das Spiel macht und wie es das zeigt."

Überdrehte und ironisierende Darstellungen

Auch Gangsterfilme seien meistens hochgradig gewalttätig, sagte Feige, doch in Filmen und auch in Spielen gebe es oft auch eine interessante Auseinandersetzung "mit abgekapselten, normativen Orten, die nicht identisch sind mit denen der restlichen Gesellschaft und halten unserer Gesellschaft mitunter auch einen Spiegel vor".
Dennoch gebe es auch viele Spiele, in denen Gewalt unmotiviert vorkomme, erläuterte Feige. So könne man in der "Grand-Theft"-Autospielreihe Passanten überfahren. Allerdings geschehe das in einer "überdrehten und ironisierenden Art und Weise":
"Da laufen Radioshows in diesen Spielen, die ein übler und zynischer Kommentar auf die amerikanische Gegenwartsgesellschaft sind. Ich glaube, die moralische Valenz dieser Handlung ist in der Spielwelt nicht so zu bewerten wie jetzt in der Debatte um das Spiel 'Rape Day'."

Komplett unreflektierte Handlung

Bei der aktuellen Debatte müsse man sich erst einmal anschauen, was "Rape Day" konkret für ein Spiel sei, so Feige. Nach dem, was er bisher über das Spiel wisse, erscheine ihm die Handlung als komplett unreflektiert und das Spiel habe inhaltlich nicht mehr zu bieten als einen Schockwert. Dennoch sollte bei Gewaltdarstellungen in Computerspielen, laut Feige, differenziert werden:
"Wer den ganzen Tag hochkulturelle Literatur liest, wo Menschen getötet werden und das nicht auf eine richtige Weise liest, kann vielleicht danach auch seltsame Verhaltensweisen entwickeln."
Das Spielen eines Computerspiels erscheine Daniel Martin Feige zunächst immer als eine Interaktion oder Gebrauch eines Mediums. Man wisse, dass man ein Spiel spielt:
"Das scheint mir eine ganz wesentliche Sache zu sein. Ich töte ja niemanden, wenn ich im Spiel schieße, sondern ich drücke einen Mausknopf oder einen Controllerbutton."


Ein weiterer wesentlicher Punkt sei, dass man erst einmal die Mechanismen und Mechaniken eines Spiels verstanden habe müsse, um überhaupt in einem Spiel etwas zu erreichen, sagte Feige. Zudem gebe es Filme, die viel "intensiver unsere Körper oder Wahrnehmungen" beeinflussen würden:
Am Boden in einem Hinterhof liegt ein Frau. Es schneit und sie scheint tot zu sein.
Filme von Lars von Trier zeigen Gewalt mitunter viel explizierter als Computerspiele, so Feige. Hier eine Szene aus dem Film Nymphomaniac.© Imago / Lars von Trier
"Denken sie an die Filme von Lars von Trier. Da fällt mir im Spielebereich nichts ähnlich intelligentes, scharfes und heftigeres ein. Und es gibt Literatur, die das auch auf eine viel intensivere und klügere Weise macht."
Auch wenn Computerspiele keine manifesten Auswirkungen auf unser Verhalten haben, können sie moralisch schlecht oder gut sein, meinte Feige. Spiele können einen total falschen oder problematischen Gesichtspunkt auf Gewalt darlegen, und das Spiel "Rape Day" scheine ein Beispiel dafür zu sein, so Feige.

(jde)

Hören Sie hier auch ein Gespräch mit Regisseurin Julia von Heinz zu "Gewalt in Filmen: Opfer zeigen, ohne Opfer zu produzieren". Audio Player

Mehr zum Thema