Getrickst und geschummelt

Von Ursula Weidenfeld · 19.02.2012
Nein, Griechenland ist nicht zu retten. Das Buch des deutsch-griechischen Journalisten Wassilis Aswestopoulos trägt zwar den pompösen Titel "Griechenland - eine europäische Tragödie". Aber gemeint ist damit eigentlich: "Griechenland - eine unendliche Posse."
Nicht einmal einen ordentlichen Untergang werden die Griechen seiner Ansicht nach hin bekommen.

"Die Fortsetzung des griechischen Dramas folgt!"

verspricht Aswestopoulos am Ende seines Buchs:

"Bis zum letzten Euro, wie versprochen"."

Aswestopoulos schildert das an vielen kleinen und kleinsten Beispielen. Griechenland ist eine Nation mit einem grotesk aufgeblähten Beamtenapparat, es ist ein Land ohne Steuermoral, wenn auch mit einer gewaltigen Steuerverwaltung. Es ist ein Land der Sommerwaldbrände. Aber auch eines, in dem die halbe Feuerwehr im Sommer Urlaub macht und der einzige einsatzbereite Hubschrauber mitunter ein Fußballspiel beschützt.

Griechenland ist, so schreibt Aswestopoulos, ein marodes Land. Doch erst mit dem Eintritt in die EU und in die Währungsunion nahm der Verfall richtig Fahrt auf. Warum? Zwar hätten auch vorher schon Vetternwirtschaft, Korruption und Schlendrian geherrscht, aber mit Europa kam das große Geld dazu. Das habe keineswegs zur Anpassung der griechischen Wirtschaft an das EU-Niveau geführt, sondern zum rasanten Zerbröseln der Zivilgesellschaft. Das Geld wurde konsumiert und verteilt, es steigerte den Wohlstand und die Preise, ließ die Renten zu stattlichen Einkommen anwachsen. Und das, ohne dass irgendjemand ein schlechtes Gewissen dabei gehabt hätte.

""Die Mentalität der Griechen liegt genau zwischen Okzident und Orient. Griechenland ist weder ein westeuropäisches Land, noch gehört es zum Orient. Wer als im Ausland lebender Grieche vor der Krise in seinem Vaterland Missstände ansprach, erhielt oft als Antwort: Was willst Du? Geh doch nach Europa zurück. Hier ist Griechenland."

So sei es kein Wunder, dass die Integration Griechenlands in die EU und die Bemühungen, das Land auch ökonomisch auf einen europäischen Standard zu bringen, gescheitert seien. Schade, dass wir das nicht vorher gewusst haben.

Im Kern sei das Problem nicht eines des Griechen an sich, sondern eines seiner Politiker. Die hätten die Angewohnheit, ihre Wähler bei Laune zu halten, indem sie ihre Unterstützer einfach einstellen und verbeamten. Da das alle Wahlsieger machen, und Beamte in Griechenland bisher unkündbar und zudem gut bezahlt waren, wuchs die Beamtenschar mit jedem Wechsel in der Regierung unkontrollierbar.

"Eine reale Kalkulation der Lohnkosten war deshalb im öffentlichen Dienst nicht mehr möglich. Erst im Sommer 2010 konnte in einer Art Volkszählung die tatsächliche Stärke des Verwaltungsapparats ermittelt werden."

Der deutsch-griechische Journalist schildert Fälle aus dem Autobau und der Bürokratie, er beschreibt die Lage auf dem Immobilienmarkt und erklärt, auf welch verschlungenen Wegen Griechenland die Austragung der Olympischen Spiele des Jahres 2004 gewann - und wie getrickst und geschummelt wurde, um sie dann auch durchführen zu können.

"Offiziell hat die Olympiade 2004 den griechischen Staat knapp über 11 Milliarden Euro gekostet. Mittlerweile geben Schätzungen den tatsächlichen Preis der Olympiade mit 20 bis 30 Milliarden Euro an. Die Maximalschätzung der tatsächlichen Kosten entspricht mehr als 15 Prozent des damaligen Bruttoinlandsproduktes."

Der Autor dekliniert das Thema "der korrupte Grieche mit Herz" durch alle Bevölkerungsschichten, Branchen und Berufsgruppen. Die These: Der Grieche sei kein schlechter Kerl, aber die Verhältnisse, die ihn umgeben, sind widrig und schlecht. Diese Verhältnisse würden von den Eliten des Landes bestimmt, und die hießen über alle Generationen hinweg Papandreu, Simitis, Karamanlis oder ähnlich. Es sind wenige Familien, die Griechenland regieren. Und die finden in ihrer weitverzweigten Verwandtschaft laut Aswestopoulos immer noch einen gut ausgebildeten Harvardabsolventen, der eine Behörde leiten kann, ein Staatsunternehmen führen oder einer internationalen Kommission vorsitzen soll. Deshalb habe sich zwar immer mal wieder die Regierungspartei geändert, nicht aber der Regierungsstil.

Aswestopoulos bleibt die Antworten schuldig, die man sich als griechenlandunkundiger Leser eigentlich erhofft. Er sagt zum Beispiel nicht, ob das akademische Proletariat des Landes auch in der Lage sein würde, politische Verantwortung auch zu übernehmen. Er verlangt unbekümmert nach einem Marshallplan, um im gleichen Satz festzustellen, dass man nicht wissen könne, ob mit dem frischen Geld heute ordentlicher gewirtschaftet würde.

""Die wirklich Schuldigen blieben bislang unbestraft", "

so lamentiert er.

Tja, aber wer sind denn dann die wirklich Schuldigen? Sind das nur die Politikerdynastien, die ihr Land in die Eurozone geschmuggelt haben? Oder liegt die Schuld nicht doch bei allen Griechen - in Form einer Haftungsgemeinschaft? Denn dass die Eliten das Geld in großem Stil in die eigene Tasche gesteckt hätten, behauptet der Autor ja nicht einmal. Wenn aber jahrelang viele von den Geldinfusionen Europas profitiert haben, dann ist es wohl auch richtig, dass sich nun alle einschränken müssen.

Aswestopoulos wirft den politischen Eliten des Landes nur vor, dass ihre Väter und Großväter auch schon regiert haben. Dass die Clans es versäumt haben, ein Steuersystem zu etablieren, das seinen Namen verdient, findet er nicht so schlimm. Das ist das wirklich Ärgerliche an dem Buch: Man liest zwar viel über Griechenland, aber man lernt nicht viel. Das ist schade. Denn angesichts der Situation in der Eurozone würde man schon gern verstehen, was Griechenland eigentlich ist.

Wassilis Aswestopoulos: Griechenland - eine €UROpäische Tragödie
Die Hintergründe der Euro-Krise
Ambition Verlag, 2011
Buchcover "Griechenland - eine EuroUROpäische Tragödie"
Buchcover "Griechenland - eine EuroUROpäische Tragödie"© Ambition Verlag
Mehr zum Thema