Gesundheitsversorgung

Wie Apotheken ums Überleben kämpfen

Ein Rezept wird am 25.01.2018 während der Vorstellung einer digitalen Rezeptsammelstelle in Neidlingen (Baden-Württemberg) in den Schlitz der Sammelstelle eingeführt. Patienten können dort ihre Rezepte einscannen und bekommen die Medikamente dann nach Hause geliefert.
Eine digitale Rezeptsammelstelle © picture alliance / dpa / Sebastian Gollnow
Von Tonia Koch · 22.02.2018
Die Apothekenlandschaft verändert sich immer schneller: Auf dem Land dünnt das Netz aus. Die Apotheken sind in einer wirtschaftlich prekären Situation. Rezeptsammelstellen vor Ort sollen die Situation mildern - zum Beispiel im saarländischen Heusweiler.
Das Bundeswirtschaftsministerium spricht von einem Konsolidierungsprozess, also einer überfälligen Bereinigung des Marktes. Apotheker hingegen reden vom Apothekensterben. Um 13 Prozent ist die Zahl der Apotheken in den vergangenen Jahren zurückgegangen. Es sei daher an der Zeit gegenzusteuern und sich neuer Methoden zu bedienen, um diese Entwicklung zu stoppen, argumentiert der Vorsitzende der saarländischen Apothekerkammer, Manfred Saar.
"Wir werden ein paar Probleme kriegen in den Randbereichen, also im nördlichen Saarland und im Bereich Bliesgau. Wir werden wahrscheinlich keine Probleme kriegen an der Saarschiene, also Saarbrücken, Saarlouis, Merzig, da gibt es genügend Apotheken. Problem ist der ländliche Raum. Aber wir gehen davon aus, wenn wir das mit Rezeptsammelstellen beispielsweise geschickt organisieren können, dass wir weiterhin eine flächendeckende Versorgung gewährleisten können."

Rezepte werden direkt an Apotheke übermittelt

Saar führt eine Landapotheke im saarländischen Heusweiler. Er ist bislang der einzige Apotheker im Saarland, der seit ein paar Wochen eine elektronische Rezeptsammelstelle betreibt. Es handelt sich dabei um einen unspektakulären weißen Kasten. Er wurde ein paar Kilometer entfernt im etwas abgelegenen Ortsteil Kutzhof aufgestellt, am Eingang einer halbtags geöffneten Arztpraxis. Patienten können am Automaten, der ähnlich wie ein Bankterminal funktioniert, ihre Rezepte einschieben. Diese werden dann elektronisch ausgelesen und ohne Zeitverlust an die Apotheke übertragen, erläutert Manfred Saar.
"Das ist jetzt diese Seite, da geht auch ein Licht an, wenn was neu kommt. Das ist das Rezept. Ich vermerke dann hier, dass ich den Artikel bestellt habe, dass er abholbereit ist, (...) ansonsten stellen wir den Artikel dann zu."
Saar ist überzeugt, dass es mit dieser elektronischen Variante, Rezepte von Patienten einzusammeln, gelingt, die Apotheke vor Ort zu stärken. Denn die Menschen hätten dann keinen Grund mehr ins Internet abzuwandern, weil sie in der Nähe der Arztpraxis oder zu Hause keine Apotheke mehr vorfänden.
"Wir sind damit unschlagbar schnell, weil die Rezepte direkt an die Apotheke übermittelt werden."
Im Oktober vor zwei Jahren hatte der Europäische Gerichtshof gegen die Interessen der deutschen Apotheker den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten über die Grenzen hinweg zugelassen. Inzwischen liegt der Anteil des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln bei 1,3 Prozent. Das allein stelle für die Apotheken noch kein großes Problem dar, sagt der Präsident der saarländischen Apothekerkammer. Denn es zeige doch, dass die Patienten weiter auf ihre Apotheke vor Ort vertrauten.
Patienten: "Die Beratung ist mir viel lieber, zumal sich manche Medikamente nicht mit anderen vertragen. Ich mach gar nix übers Internet, grundsätzlich nicht. Das Personal ist mir vertraut, mit denen kann ich reden, das fehlt mir beim Internet. Manchmal ist es schon sehr viel günstiger als in der Apotheke, also Antibiotika oder so, das würde ich nicht unbedingt im Internet bestellen, aber normale Sachen, das mach' ich dann schon."

Gewinne der Apotheken stark gesunken

Der Internethandel mit frei verkäuflichen Arzneimitteln hat inzwischen einen Anteil von etwa 20 Prozent erreicht. Und wenn auch der Handel mit den rezeptpflichtigen Medikamenten einen weiteren Aufschwung nehme, dann gerieten - so Saar - kleinere und mittlere Apotheken immer mehr in Schieflage.
Bereits jetzt sei es so, dass tausende von Apotheken nur noch ein Betriebsergebnis von brutto 30.000 Euro im Jahr erwirtschafteten. Etwa die Hälfte dessen, was ein angestellter Apotheker verdient. Diese Bestandaufnahme stammt aus dem Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums. Mit einer solchen Perspektive ließe sich eine Apotheke nicht mehr wirtschaftlich führen, resümieren die Macher der Studie, deshalb fänden diese Apotheken auch keine Nachfolger mehr. Eine Entwicklung, die selbst vor auskömmlich verdienenden Apotheken nicht mehr Halt macht. Karin Molitor hat solche Erfahrungen gemacht. Für ihre alteingesessene Landapotheke hat sie keinen jüngeren Interessenten gefunden.
"Weil der Verdienst bei diesen typischen Apotheken mittlerweile in einem Größenbereich ist, der sich nicht mehr sehr stark von einem angestellten Apotheker unterscheidet, und das ist für viele nicht mehr attraktiv, sie müssen die Investitionen bringen, sie müssen sich festlegen für viele Jahre. Sie wissen, dass Arbeit auf sie zukommt. Man weiß auch politisch nicht, was einem zugemutet wird, das ändert sich ja von Woche zu Woche, so dass die Zukunft sehr ungewiss ist."
Die finanzielle Situation sei aber nur einer von vielen Gründen, warum junge Nachwuchskräfte die Finger von der Selbständigkeit ließen. Ausgedehnte Arbeitszeiten, Nacht- und Notdienste und gerade auf dem Land enge Kontakte zur Kundschaft, das sei nicht jedermanns Sache.
Molitor: "Es ist ein sehr kundennahes Arbeiten, viel weniger distanziert als in der Stadt."
Überdies stünde geeignetes Personal auf dem Land nicht eben Schlange. Karin Molitor war in der glücklichen Situation, ihre Apotheke nicht verkaufen zu müssen, um ihren Lebensabend zu sichern. Bei einer Reihe ehemaliger Kolleginnen und Kollegen sei das allerdings anders, sie arbeiteten weit über das Rentenalter hinaus.
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