Gestrichene Förderung

Das English Theatre Frankfurt kämpft um seine Existenz

Publikum bei der Vereidigungsparty zur Amtseinführung von Barack Obama, des 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten, im mit amerikanischen Flaggen geschmückten English Theatre in Frankfurt am Main
Auch Vereidigungen von US-Präsidenten, wie hier die von Barack Obama am 20.01.2009, werden im English Theatre in Frankfurt am Main gefeiert. © imago/Martin Winter
Von Ludger Fittkau · 02.01.2016
Das English Theater in Frankfurt am Main ist das größte englischsprachige Theater auf dem europäischen Festland. Doch nun bangt das Theater um seinen Fortbestand. Denn die Nachbargemeinde Eschborn hat ihre Förderung gestrichen. Die jährlich 70.000 Besucher kommen aus der gesamten Region.
"Das ist die Lea, die ist Südafrikanerin, die ist Theaterpädagogin. Die macht die Inszenierung 'The Witches'. Das läuft jetzt morgens, als Matinee-Programm für Schüler, während wir Abends das Hauptprogramm spielen."
Daniel Nicolai, der Intendant des English Theatre führt durch das Theater mit 300 Plätzen im Keller eines Bankgebäudes in Frankfurt am Main. Rund 70.000 Zuschauer erreicht die englisch-sprachige freie Bühne jährlich insbesondere mit Musicals und speziellen Theaterangeboten für Jugendliche.
"Wir haben auch nach Untersuchungen der Stadt das jüngste Publikum von allen Frankfurter Häusern, das kommt natürlich auch durch diese Sprachgeschichte. Ein Theater, das ausschließlich englische Theaterliteratur bringt, das ist natürlich ein Leuchtturm für diese ganzen Leute, die hier überwiegend in der Finanzindustrie in Frankfurt sind aber jetzt auch immer mehr europäische Institutionen. Es ist vielleicht ihren Hörern nicht so bekannt, auch die Aufsicht über das ganze Versicherungswesen, die ist auch hier in Frankfurt. Und all diese Leute, die haben Familie. Und unserer Oberbürgermeister, der kann sagen: Okay, wir haben das größte englisch-sprachige Theater in Kontinentaleuropa."
Die örtliche Finanzindustrie fördert das für ihre internationalen Mitarbeiter wichtige English Theatre wie auch die Stadt über direkte Zuschüsse und Miet-Erlass mit insgesamt rund 800.000 Euro jährlich. Jetzt aber hat die nur rund 15 Autominuten entfernte Nachbarstadt Eschborn im Speckgürtel Frankfurts ihren seit langem gezahlten jährlichen Zuschuss für das Theater aus Spargründen gestrichen. Intendant Daniel Nicolai:
"Die Stadt hatte im Jahr 2009 entschieden, das English Theatre mit 100.000 Euro im Jahr zu unterstützen und hat das loyal über viele, viele Jahre gemacht. Mittlerweile ist das natürlich Teil unserer Basisfinanzierung. 20 Prozent der öffentlichen Mittel."
Ärger über Umlandgemeinden
Die seien nicht einfach durch Streichung einer Produktion zu kompensieren, betont Daniel Nicolai. Denn damit würden auch die wichtigen Einnahmen durch den Kartenverkauf gemindert und damit die Ökonomie des Theaters nachhaltig aus dem Gleichgewicht geraten, befürchtet der Intendant des English Theatre. Nicolai appelliert an die kleinen Gemeinden des Frankfurter Speckgürtels, deren Bewohner gerne die Theater in den naheliegenden Großstädten besuchen, ihre Kulturförderung zu grundsätzlich überprüfen:
"Wenn die kleinen Gemeinden, die in den 70er-Jahren und 80er-Jahren, als alles irgendwie ein bisschen fetter war, Programm aufgebaut haben, wo sie auf einmal in der Stadthalle Theater spielen - ob das noch so zeitgemäß ist, ob man nicht jemandem zumuten kann, in die S-Bahn zu springen und eine phantastische Produktion in der Oper Frankfurt und vielleicht oder vielleicht etwas Klassischeres in der Oper Wiesbaden zu sehen. Aber dieses ganze 'Touring Theatre' - und wir machen jetzt in der Mehrzweckhalle Theater - , ich finde das eigentlich ein bisschen verschwendetes Geld."
Professor Felix Semmelroth, der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt am Main ärgert sich schon seit Langem darüber, dass die Umlandgemeinden zwar vom kulturellen Angebot der Metropole enorm profitieren, aber meist eben nichts dazu beisteuern:
"Die kulturelle Infrastruktur Frankfurts steht der gesamten Region zur Verfügung. Sie wird auch wahrgenommen. Es gibt Kultureinrichtungen etwa wie die Alte Oper, bei der 60 Prozent des Publikums nicht aus Frankfurt kommen. Das ist auch in Ordnung. Und darum war es sehr, sehr weitsichtig vom früheren Bürgermeister Eschborns, Wilhelm Speckhardt, zu sagen: Unsere eigene Bevölkerung hat einen großen Nutzen von den Kultureinrichtungen Frankfurts und damit das so bleibt, leisten wir unseren Beitrag. Das war ungemein weitsichtig, war allerdings für die Region eine Ausnahme. Aber es gibt eben auch positive Ausnahmen. Anscheinend hat sich jetzt Eschborn eines Schlechteren besonnen."
Hoffen auf das Land Hessen
Die Stadt Frankfurt am Main wird den Ausfall der Eschborner Förderung für das English Theatre wohl nicht vollständig kompensieren, das macht der Kulturdezernent im Gespräch deutlich. Denn trotz des Ausfalls des Zuschusses aus der Nachbarstadt sieht Felix Semmelroth das English Theatre aufgrund der mietfreien Nutzung der Bühnenräume im Bankgebäude gegenüber anderen freien Theatern immer noch im Vorteil:
"Selbstverständlich ist das English Theatre wichtig und darum werden wir tun, was wir können, es zu unterstützen. Aber es wird nicht einfach eine Eins-zu-eins-Kompensation geben können. Das halte ich auch im Vergleich zu anderen Kultureinrichtungen in dieser Stadt, die hohe Mieten zahlen müssen, nicht für vertretbar."
Theater-Chef Daniel Nicolai hofft ebenfalls auf das Land Hessen, wenn es drum geht, nach alternativen Finanzierungswegen zu suchen. Doch ähnlich wie die Stadt Frankfurt reagiert das Kulturministerium in Wiesbaden reserviert. Zusätzliche Projektmittel hält man für denkbar, ein langfristiger Zuschuss zur Basisfinanzierung des English Theatre ist jedoch nicht in Sicht. Die Lücke, die Eschborn schlägt, wird wohl nicht einfach zu schließen sein.
Mehr Informationen zum English Theatre in Frankfurt am Main finden Sie auf dessen Webseite.
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