Gespräche über den Brexit

Eine Einstimmung auf rauhe Verhandlungen

Die neue britische Premierministerin Theresa May
Der britischen Premierministerin Theresa May geht es darum, für Großbritannien eine neue Rolle in der Welt zu definieren. © dpa / picture-alliance / EPA
Von Almut Möller · 23.09.2016
Drei Monate ist es her, dass sich die Mehrheit der Briten für den Brexit aussprach. Die Briten rüsten sich nun für die weiteren Austrittsverhandlungen. Die Politologin Almut Möller prophezeit äußerst unangenehme Gespräche und neuen Zoff.
Das große alte Königreich wirkte auf einmal wie Realsatire: Schockierender als der Ausgang des britischen EU-Referendums war für den Rest Europas, dass die Austrittsbefürworter für ein "Nein" völlig unvorbereitet waren. Plötzlich liefen die gerade noch kraftstrotzenden "Brexiteers" wie die Hasen, zerlegte sich das Westminister-Establishment und es wurde für den Rest der Welt offensichtlich, dass niemand wirklich einen Plan für diesen Ausgang in der Schublade hatte. Die ersten Wochen nach dem Referendum herrschte schlicht Chaos auf der Insel. Und Europa rieb sich die Augen – da konnte man ja regelrecht Mitleid bekommen.

Briten wollen aus der Not eine Tugend machen

Kühn wie die Briten sind, versuchen sie jetzt aus der Not eine Tugend zu machen. Die Lage ist sehr ernst, aber wir Briten haben in unserer Geschichte schon ganz anderes geschafft. Und wir werden auch diesen Bruch zu einem Erfolg machen.
Zum Ende der Sommerpause hat Theresa May jüngst ihr Kabinett zu einem Brainstorming auf das Landgut Chequers eingeladen. Zum Auftakt führte sie mit fester Stimme vor der Weltöffentlichkeit aus, dass es jetzt um nicht weniger als darum ginge, eine neue Rolle für Großbritannien in der Welt zu finden – und zwar eine kraftvolle Rolle, von der alle Briten profitierten. Für einen Start der Austrittsverhandlungen mit der EU sehe man bis zum Jahresende, so die Verlautbarungen des Treffens, übrigens noch keinen Anlass. Die Phase der Unsicherheit, die auch dem Rest der EU wirtschaftlich und politisch erheblich zu schaffen macht, wird also bis auf Weiteres andauern – und letztlich bestimmt London, wann sie endet. So atemberaubend schlicht die Botschaft Mays von der neuen Rolle in der Welt klingt, so wörtlich darf man sie nehmen: London wird diesem Ziel in den kommenden Monaten alles andere unterordnen.

Treue und Glauben?

Wer also darauf setzt, dass sich die Briten als noch-EU-Mitglieder dem Prinzip von Treue und Glauben verpflichtet sehen, wenn sie mit den anderen 27 die Bedingungen ihres Austritts und die künftigen Beziehungen verhandeln, kann sich auf Enttäuschungen gefasst machen. London muss es schaffen, aus einer katastrophalen Ausgangslage das Beste zu machen. Da wird wenig Raum für politische Hygiene bleiben. Die Rest-EU (in Großbritannien gerne abfällig als "Rumpf-EU" bezeichnet) muss verinnerlichen, dass es der britischen Regierung um das eigene Land und um die eigene Bevölkerung geht – ganz offensichtlich wurde im Referendum die innere Zerrissenheit des Landes, politisch, gesellschaftlich und geographisch. Wenn diese nicht zu kitten ist, dann wird das Vereinigte Königreich nicht überleben. Dies ist die entscheidende Schlussfolgerung, die May und ihre Berater aus dem Referendum ziehen. This is about the unity of our kingdom. Full stop.

Auch Europa schließt seine Reihen

Wer mit den Briten verhandelt, muss sich deshalb warm anziehen. Angela Merkel, so scheint es, hat das verstanden. Jetzt bloß nicht abhängig werden von einem Land, das nur die eigene Fortüne im Blick hat. Für eine Spitzenpolitikerin ist diese Herangehensweise nachvollziehbar. Der Unterschied ist nur, dass Angela Merkel die Zukunft Deutschlands eben ganz entschieden weiterhin im EU-Rahmen sieht. So muss man die Botschaften lesen, die sie bei ihren ausgedehnten Sommergesprächen mit ihren europäischen Partnern im Gepäck trug. In dem, was nach außen drang, blendete sie das spaltende "britische Thema" fast völlig aus und verschob ihren Fokus klar auf die Probleme, die es in Europa gemeinsam zu lösen gelte: Wohlstand und Sicherheit für die Menschen in der EU. Als sich kürzlich die Spitzen der EU in Bratislava versammelten, um über Strategien für Innovation, Beschäftigung und Sicherheit zu beraten, saßen die Briten schon nicht mehr mit am Tisch. Auch Europa schließt seine Reihen. Und auch wenn man in Berlin kein Interesse an einer Konfrontation mit London hat: Der Zoff ist vorprogrammiert.
Almut Möller ist Politologin und Mitglied des "Think Tanks" European Council on Foreign Relations. Sie leitet dessen Berliner Büro.
Almut Möller, Politologin und Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)
Almut Möller, Politologin und Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP)© picture alliance / dpa - Jürgen Daum
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