Gespaltene russische Außenpolitik

Von Hermann Krause · 11.02.2012
Zwischen dem Kreml und dem russischen Außenministerium herrschte jahrelang eine Art Konkurrenzdenken. Die russischen Außenminister verstanden sich nicht als gehorsame Diener des Präsidenten, sondern verfolgten "ihre" Politik gegenüber dem Ausland.
So setzte der Liberale Andrey Koseriew unter Boris Jelzin eigene Akzente, indem er die Annäherung an den Westen zu seiner Politik machte. Und Jewgenej Primakow, Außenminister von 1996 bis 1998, hatte als Nah-Ost-Kenner beste Kontakte zu den arabischen Staaten. Er sorgte dafür, dass Russland in der Arabischen Welt Gehör fand, bei der Arabischen Liga war er ein gern gesehener und respektierter Gast. In Erinnerung ist natürlich immer noch Andrej Gromyko, der 28 Jahre lang die Sowjetunion repräsentierte. Der höchste sowjetische Diplomat wurde "Mr. Njet" genannt, weil er in im Sicherheitsrat der UN zu fast allen westlichen Vorschlägen "Nein" sagte.

Der jetzige Außenminister Sergei Lawrow ist von diesem Titel nicht mehr allzu weit entfernt. Was er in Damaskus bei seinem Treffen mit dem syrischen Präsidenten Assad ablieferte, schockierte den Westen und isoliert Russland auf lange Sicht in der arabischen Welt. Lawrow ist seit 2004 Außenminister, ein Hardliner, der sich auch nicht scheut, Diktatoren zu verteidigen. So rechtfertigte er das brutale Vorgehen der Armee im usbekischen Andijan 2005 gegen unbewaffnete Demonstranten, an die 1000 Menschen kamen dabei ums Leben. Sergey Lawrow agiert immer im Dienste seines Herrn Wladimir Putin, Menschenrechte rangieren dabei ganz hinten.

Trotz aller Ankündigungen aber ist es weder Putin noch Lawrow gelungen, Russland auf die Weltbühne zurückzuholen, weder politisch, wirtschaftlich oder militärisch. Nun versucht sich Moskau wieder einmal im Sicherheitsrat im "Nein-Sagen". Denn aus Fehlern der jüngeren Vergangenheit will der Kreml aus seiner Sicht lernen.

So hat der Westen Muammar al-Gaddafi in Libyen weggebombt, nachdem Russland sich im Weltsicherheitsrat "nur" seiner Stimme enthielt, damals auf Anordnung von Präsident Dmitri Medwedew. In den Augen Wladimir Putins eine absolute Fehlentscheidung. Denn auch Libyen war, wie Syrien, Abnehmer russischer Waffen, der russische Energiekonzern "Gazprom" hatte Milliarden investiert, Geld, das nach dem Machtwechsel verloren ist. Im Irak wurde Saddam Hussein von den USA verjagt, hier steht Russland ebenfalls auf der Verliererseite.

Die Verbündeten von einst sind tot oder müssen sich wie der frühere ägyptische Präsident Hosni Mubarak vor Gericht verantworten. Im Nahen Osten gleicht die russische Außenpolitik einem Scherbenhaufen.

Übrig bleibt da nur noch Baschar al-Assad, auf dessen Staatsgebiet der Militärhafen Tartus als letzter russischer Marinestützpunkt am Mittelmeer liegt. Von hier aus wollte die russische Marine ihre Präsenz in der Region verstärken, ob daraus etwas wird, ist ungewiss. Die Solidarität der russischen Führung mit dem Diktator in Damaskus gleicht eher einer Trotzreaktion - gegenüber den USA und Europa.

Innenpolitisch kann Wladimir Putin, der sich am 4. März wieder einmal zum Präsident wählen lassen will, so am rechten Rand, bei den Kommunisten und den Militärs punkten, die sind für ihn besonders wichtig, genauso wie der Geheimdienst. Nicht zufällig reiste der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes mit Lawrow nach Damaskus, möglicherweise will er erkunden, wie lange sich ein angeschlagenes Regime mit Waffengewalt an der Macht halten kann. Die aufgeklärte Mittelschicht in Russland, die in den nächsten Wochen in Moskau oder St. Petersburg wieder auf die Straße gehen wird, aber ist entsetzt.

Nach wie vor in dem Denken eines Geheimdienstlers gefangen, will Putin nicht akzeptieren, was in Syrien wirklich passiert. Bei alle dem ist die Position Russlands auch international gefährlich. Sollten sich nämlich die USA zu einer Flugverbotszone oder zu Waffenlieferungen an die Aufständischen entschließen, ist eine militärische Reaktion Moskaus nicht ausgeschlossen. Den Waffenbruder Assad können Putin und sein Außenminister Lawrow nach all den Bekundungen nicht mehr fallen lassen - auch wenn dessen Fall unausweichlich sein wird. Somit ist unkalkulierbar, wie Russland reagieren wird, kein gutes Zeichen für den bevorstehenden Wechsel im Kreml.

Noch ist Dmitri Medwedew, der sich bemüht, wesentlich konzilianter aufzutreten, das Staatsoberhaupt der Russischen Föderation - doch seine Tage im Kreml sind gezählt.
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