Geschichten aus dem Hörsaal

11.08.2009
Nach einem verunglückten Roman über eine Geschichte aus dem Leben von Henry James, im Jahre 2006 erschienen und nach übereinstimmender Kritikermeinung durchgefallen, begibt sich der britische Bestsellerautor David Lodge wieder auf sein angestammtes literarisches Terrain - das der "campus novel".
Mit Romanen aus dem Akademiker- und Universitätsmilieu wurde er vor einem Vierteljahrhundert berühmt - hervorstechend dabei sein beißender Witz, seine schnellen, komischen Dialoge und die unterhaltsamen, satirischen Ausflüge in haarsträubende Forschungsgebiete seiner Protagonisten.

"Wie bitte?" heißt Lodges neuer, knapp 370-seitiger Roman und er muss als eine Weiterentwicklung der "campus novel" angesehen werden. Denn sein Held ist ein bereits emeritierter Professor für Linguistik - und fast taub. Der Roman setzt ein mit einer unglaublich komischen Stehpartyepisode, bei der man mit dem Protagonisten zittert und schwitzt, ob das Hörgerät auch seinen Dienst tut. Das Kapitel ist fraglos ein meisterlich entworfenes Kabinettstück.

Die Schwerhörigkeit des armen Desmond Bates funktioniert als latentes, manchmal explizites Memento mori - und als sichere Gag-Quelle. Doch darin liegt seit jeher auch eine Schwäche von Lodges Literatur: Aufsässig konstruiert er seine Prosa auf den Effekt hin. Schaut man sich das genau an, rümpft man mitunter über Kitsch und Zoten die literarische Spürnase. Zu lesen sind dann - anlässlich der Beobachtung weiblicher Brüste - auch schon einmal Formulierungen wie diese: Sie haben "die vibrierende Plastizität von ungefesseltem Fleisch, die Haut mit einer leichten Oberflächentransparenz wie gutes Porzellan".

Dennoch: Die Fabel vom schwerhörigen Professor ist komisch und spannend bis zum Schluss. Der gutaussehende, rüstige Rentner hat natürlich eine jüngere Frau, die ausgerechnet Karriere macht, als er in Pension geht. Und eine studentische Femme fatale - die mit dem ungefesselten Fleisch - verführt ihn auch noch. Abgesehen von einem dramaturgisch und stilistisch überflüssigen Besuch der Hauptfigur in Auschwitz überzeugt der Plot.

In seinem Creative-Writing-Ratgeber "Das Handwerk des Schreibens" (2001) redet Lodge von sich wie von einem Klassiker. Man merkt auch zwischen den Zeilen des neuen Buches, dass der Autor sich entsprechend einschätzt. Das ist peinlich und störend. Denn die Kunst bringt der Autor mit seinem "Wie bitte?" nicht voran. Stattdessen hat er hochkomisches, unterhaltsames Lesefutter produziert, das einen vergnüglichen Nachmittag garantiert. Erstklassige Unterhaltung ohne Ewigkeitswert.

Besprochen von Marius Meller

David Lodge: Wie bitte?
Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann.
Blessing Verlag, Berlin 2009
367 Seiten, 19,95 Euro