Geschichte der Sternenkunde

23.01.2013
Der Astronomiehistoriker Robert van Gent stellt in diesem Sachbuch die spektakulären Darstellungen des Astronomen, Kosmografen und Mathematiker Andreas Cellarius vor: seinen Himmelsatlas.
Sie ziehen ihre Bahnen in himmlischen Sphären und sind in Kutschen mit wundersamen Zugtieren unterwegs. Ein Herr in prachtvoller Rüstung etwa lässt sich von Hähnen ziehen, eine leicht bekleidete Dame hat Schwäne angespannt, und ein bärtiger Gesell treibt zwei Drachen an. Immer im Kreis herum geht das Wagenrennen dieser eigentümlichen Gesellschaft und Gespanne – um einen fixen Mittelpunkt: die Erde. Tatsächlich zeigt die allegorische Szenerie, dargestellt in einem detailreich gearbeiteten und aufwendig kolorierten Kupferstich, die Umlaufbahnen der Planeten in einem geozentrischen Universum.

1660 wurde die kunstvolle Bildtafel gemeinsam mit 28 weiteren spektakulären Darstellungen der Erde und des Himmelsgewölbes erstmals publiziert: in der "Harmonia Macrocosmica" des deutschen Kosmografen Andreas Cellarius. Seit langem zählt dieser Himmelsatlas zu den bedeutendsten und farbenprächtigsten astronomischen Kartenwerken des Barock. Nun liegt ein exquisiter Nachdruck im Großformat von 48 mal 29 Zentimeter vor.

Cellarius, 1596 bei Worms geboren, und sein Verleger Johannes Janssonius hatten den Anspruch, die Geschichte der Astronomie bis in ihre Gegenwart abzubilden. So illustriert ihr Werk die Weltsysteme von Claudius Ptolemäus, Nikolaus Kopernikus und Tycho Brahe, die Bewegungen und Konstellationen von Sonne, Mond und Planeten sowie die Sternbilder der Nord- und Südhalbkugel.

Astronomisch sind Cellarius’ Sternkarten überholt, künstlerisch zeugen sie nach wie vor von großem Handwerk und geradezu poetischen Bildfindungen. Vor allem die farbenprächtigen und figurenreichen Szenografien, die eine perspektivische Ansicht zeigen, sind faszinierend. Je nach Weltbild schwebt hier mal die Erde, mal die Sonne als leuchtender Kugelkörper im Mittelpunkt, während die Planeten – als allegorische Figuren oder Sterne dargestellt – in immer neuen Bahnen ihre Kreise ziehen. Umrahmt ist jede Tafel mit barockem Ornament, kosmografischen Instrumenten und Porträts bedeutender Astronomen.

Wie das Original zeigt der Reprint – in bestechender Druckqualität – jede Bildtafel auf einer Doppelseite. Zudem gibt es viele Detailaufnahmen in extremer Vergrößerung. So lassen sich Einzelheiten studieren und ganz neue Entdeckungen machen. Etwa wenn herangezoomte Schwünge von Planetenbahnen zu abstrakten Kompositionen werden.

Dem prunkvollen Kartenwerk beigestellt sind ein kundiges Vorwort und ausführliche Bildlegenden von Robert van Gent. Der Astronomie-Experte skizziert die Geschichte der Sternenkunde, beschreibt Cellarius’ Werdegang und nennt wissenschaftliche sowie künstlerische Quellen. Darüberhinaus ordnet van Gent die Harmonia Macrocosmica in ihren Kontext ein und reflektiert die Rezeptionsgeschichte.

So bietet der Nachdruck des Cellarius-Atlas’ ein doppeltes Vergnügen: er lässt die Leser und Leserinnen über viele Seiten in der Opulenz seiner Bilder schwelgen und ermöglicht, die Entwicklung des astronomischen Weltbildes nachzuvollziehen. Eine bestechende Kombination!

Besprochen von Eva Hepper

Robert van Gent, Andreas Cellarius: Harmonia Macrocosmica
übersetzt von Brigitte Beier und Marion Holländer
Taschen Verlag, Köln 2012
248 Seiten 39,99 Euro