Gescheiterte Rettungspolitik

Mehr Ehrlichkeit bei der Griechenland-Hilfe!

Eine Europaflagge weht am 06.07.2015 auf dem Dach des Deutschen Bundestages, dem Reichstagsgebäude, in Berlin vor dunklen Wolken.
Europaflagge auf dem Dach des Deutschen Bundestages: Auch mit einem dritten Hilfspaket für Griechenland ist die Schuldenkrise nicht vorbei. © Bernd von Jutrczenka,dpa picture-alliance
Von Stefan Maas, Hauptstadtstudio · 15.08.2015
Es sei eine Beleidigung für die Bürgerinnen und Bürger, wenn Politiker meinten, dem Souverän die Realität nicht zumuten zu können – dass nämlich die Rettungspolitik gescheitert ist und Griechenland sein Schulden nicht wird zurückzahlen können.
Wäre die Eurozone ein Unternehmen, dann wäre Griechenland raus. Es würde kein drittes Hilfspaket gegeben, nachdem zuvor alle Sanierungsversuche gescheitert sind. Und das wäre auch richtig so. Wäre die Eurozone ein Unternehmen.
Ein Wirtschaftsbetrieb, der rechnet und schaut, was bleibt unter dem Strich. Dann wäre Griechenland aber wahrscheinlich auch gar nicht erst in die Eurozone aufgenommen worden. Ein Konzern, der die Bücher prüft, bevor er zukauft, hätte wohl nicht beide Augen zugedrückt angesichts des Zahlenwerks, und entschieden, wir kaufen trotzdem.
Aber die Eurozone ist ja kein Unternehmen. Es war eine politische Entscheidung: Griechenland gehört in den Euroraum. Da ist es jetzt nur konsequent, wenn die Politik beschließt, weiter zu helfen. Wieder ein Rettungspaket zu schnüren.
Die Zahlen müssen auf den Tisch
Eines sollten sich die Finanzminister, die Staats- und Regierungschefs aber bei der Wirtschaft abschauen: Die Zahlen müssen auf den Tisch. Die Euro-Politiker müssen auch bitte einmal so konsequent sein, ihren Parlamenten, die wie der Bundestag abstimmen müssen, aber auch den Wählerinnen und Wählern, wirklich zu sagen, was Sache ist. Was es bedeutet, wieder ein milliardenschweres Hilfspaket aufzulegen.
Vor allem endlich einmal auszusprechen, was eh jeder weiß: Dass Griechenland seine Schulden nicht wird zurückzahlen können. Schon die bisherigen nicht. Und auch nicht die neuen, mit denen die alten bezahlt werden sollen. Dass auch mit einem dritten Paket die Krise nicht vorbei ist, sondern nur das nächste Loch gestopft wird. Dass die Pakete keine wirkliche dauerhafte Lösung bieten, auch wenn diese jedes Mal versprochen wird, sondern eine Mischung sind aus Improvisieren und Hoffen.
Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, wenn etliche Angeordnete der Union, die statt einer Durchhangel-Strategie eine richtige Lösung erwarten, bei der Sondersitzung am kommenden Mittwoch gegen das Paket stimmen werden.
Das, was unternommen wurde, hat nichts gebracht
Offen und ehrlich geht es beim Thema Griechenlandrettung nämlich nicht zu. Es ist eine Beleidigung für die Bürgerinnen und Bürger, wenn Politiker meinen, dem Souverän die Realität nicht zumuten zu können. Aber vielleicht sind es ja nicht einmal die Bürger, um die es in erster Linie geht. Natürlich ist es für niemanden leicht, zugeben zu müssen, dass alles, was man bisher unternommen hat, nichts gebracht hat.
Besonders bitter ist es aber offenbar für Politiker, wenn sie plötzlich aussprechen müssen, dass ihre bisherige Rettungspolitik gescheitert ist, dass sie es zwar irgendwie geschafft haben, Talfahrten an den Märkten weitgehend zu verhindern, die Talfahrt eines Landes aber nicht. Weil man nicht hart genug auf die Umsetzung von Reformen gedrungen hat, die griechischen Regierungen, nicht nur die aktuelle, zu lange auf Zeit hat spielen lassen – oder weil der Ansatz: Sparen, Sparen, Sparen, vielleicht der falsche war. Und ein Schuldenerlass der einzig ehrliche wäre.
IWF will Schuldenerleichterungen für Griechenland
Nun bringt ausgerechnet der Internationale Währungsfonds die Vertreter der Eurozone in Bedrängnis. Besonders Finanzminister Wolfgang Schäuble. Der hat immer darauf bestanden, dass der IWF von Anfang an bei einem dritten Hilfspaket dabei sein muss. Vor allem um die Abweichler in den eigenen Reihen davon zu überzeugen, dass die jetzige Rettungspolitik der richtige Kurs ist. Der IWF als Gütesigel für seine Sparpolitik. IWF-Chefin Christine Lagarde hat sich darauf nicht eingelassen und erklärt, erst einmal werde der Währungsfonds die Fortschritte beobachten und sich dann entscheiden.
Vor allem aber hat Lagarde deutlich gemacht, dass es weitere Schuldenerleichterungen für Griechenland geben muss, weil das Land sonst nicht wieder auf einen Wachstumskurs zurückkehren kann. Lagarde will kein Stückwerk mehr, sie will die große Lösung. Damit fordert der Währungsfonds viel: Von Griechenland Disziplin, von den europäischen Gläubigern das Eingeständnis des eigenen Versagens. Oder weniger pathetisch:
Einfach mal zu rechnen wie ein Unternehmen.
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