Georg Trakl

Ein Dichterleben nüchtern nachbuchstabiert

Festspielhäuser an der Hofstallgasse in Salzburg
Festspielhäuser an der Hofstallgasse in Salzburg © dpa / picture alliance / Elmar Hartmann
Von Hartmut Krug · 15.08.2014
Walter Kappacher hat einen arg buchhalterischen Monolog über das kurze Leben von Georg Trakl geschrieben. Bei der Uraufführung des Auftragswerks in Salzburg ist ein in sich verkapseltes Opfer des Krieges zu sehen.
Ein nahe liegender, wenn auch kühner Einfall der Salzburger Festspiele war es, den in Salzburg geborenen Romanautor und Büchnerpreisträger Walter Kappacher mit einem Theatertext über den in Salzburg 1887 geborenen und 1914 in Krakau an einer selbstmörderischen Überdosis Kokain gestorbenen Dichter Georg Trakl zu betrauen. Naheliegend auch, weil das Überthema des diesjährigen Salzburger Theaterprogramms der Erste Weltkrieg ist und weil Trakl unter anderem wegen seiner Kriegserlebnisse den Freitod in einer Nervenklinik in Krakau suchte, in die er zur Untersuchung eingeliefert worden war, nachdem er schon im Felde einen Selbstmordversuch zu unternehmen versuchte.
Es ist ein kleiner Text, kein großes Stück, sondern ein Monolog. Kappacher ist kein Dramatiker, auch wenn er schon 2011 den Salzburger Festspielen einen Text über Gustav Mahler geliefert hat. "Der Abschied" heißt Kappachers Text zu Trakl, der dessen Lebenslauf als Abschied vom Leben sieht und sich dokumentarisch durch Trakls Gedanken und Erlebnisse bewegt. Als Ich-Erzähler referiert Trakl aus seinem Leben und erklärt , wie er an der Welt leidet und dass es ihm unmöglich ist, mit dem Leben zurecht zu kommen. Fast schulfunkhaft klingt das, wie da ein Leben umkreist wird. Trakl erzählt seine Kriegserlebnisse, von seiner(auch inzestuösen) Liebe zur Schwester, von seinen Gedichten, die er auch zitiert, was im Ich-habe-gedacht-und-gemacht-Monolog doch arg buchhalterisch wirkt. Wo zum Beispiel Franz Fühmanns wunderbares kleines Buch "Der Sturz des Engels" Trakls Werk und Leben sinnlich und sinnhaft durchdenkt, und es mit den Erfahrungen eines Lesers zusammenbringt, da wirkt Kappachers Text doch arg nüchtern nachbuchstabierend.
Immerhin hat das Regieteam eine schöne szenische Lösung für den Text gefunden, auch wenn sich ihre Performance und Kappachers Text nicht nur formal recht beziehungslos gegenüber stehen.
Mit dem Beil in die Freiheit
Menschenleer die von einem mächtigen schwarzen Kubus beherrschte Bühne. Das Gebilde steht auf einer beweglichen Spitze und schwankt hin und her. Man hört Krach, vielleicht Kriegslärm. Und dann bahnt sich ein in diesem Bewusstseinsraum eingesperrter Mann mit dem Beil seinen Weg ins Freie. Es ist der Schauspieler Paul Herwig als Georg Trakl, wie er in der Nervenklinik in Krakau festgehalten wird.
Regisseur Nicolas Charaux und Pia Greven haben ein sinnfälliges Bild für die Situation von Trakl nicht nur in der Klinik, sondern in seinem Leben gefunden. Das Objekt: Ein Raum mit Eigenleben, aber unbeeinflussbar. Herwig reagiert Trakls innere Kämpfe an dem Kasten ab, bewegt ihn mit Mühe, umkreist ihn, steigt hinein und hinaus, rennt hin und her, nimmt dessen Fetzen in die Hand, zerbröselt sie. Das ist, auch wenn dabei vieles szenischer Selbstzweck ist, erst einmal eine durchaus gelungene Performance.
Der Schauspieler Paul Herwig, 2010 wegen seiner Darstellung des Johannes Pinneberg in Luk Percevals Fallada-Inszenierung mit Preisen überhäuft, wirft sich mit (allzu viel) Kraft in die Rolle des in sich verkapselten Trakl. Kahlgeschoren und in weißem Hemd über einer wohl Uniformhose, spielt er einen fast schweykschen einfachen Soldaten als Opfer des Krieges. Die Beschreibungen Trakls von seinen Dichter- und Verlagskollegen passen mit dieser Bühnenfigur nicht recht zusammen. Außerdem bleibt Herwig durchgehend auf dem gleichen Ton, und liebt einen darstellerischen Aktionismus, dazu expressive Veräußerlichungen und allzu bedeutungsvolle Mimik. Da leidet er tonlos und reißt mehrfach den Mund weit auf, als wolle er den berühmten Schrei von Munch und der stummen Katrin aus Brechts "Mutter Courage" im Zitat toppen. Und wenn er Wut äußert, dann aber laut und mit Kopf in die Höh. Wenn Erinnerung an einen Tanz, dann aber tanzend froh sein. So gibt Herwig eine schmale Figur mit allzu viel gestisch-mimischem Bedeutungseinsatz. Während Trakls Gedichte, die Atem und Luft brauchen, einfach so mitgesprochen werden.
Der Schluss des Abends ist dann überzeugend unprätentiös. Herwigs Trakl zieht sich mit langem Gewand (priesterlich) schwarz an und legt sich zum Selbstmord still in den Kubus.
Nach 80 Minuten Spieldauer dann Achtungsapplaus für einen Abend, der wenig überzeugt.
zu "Der Abschied"
Mehr zum Thema