Georg-Büchner-Preis für Jan Wagner

    "Der Wunschschwiegersohn der deutschsprachigen Lyrik"

    Der Lyriker Jan Wagner
    Der Lyriker Jan Wagner ist Georg-Büchner-Preisträger 2017. © imago stock&people / Star Media
    20.06.2017
    Jan Wagner bekommt den diesjährigen Büchner-Preis und erklärt in Reaktion auf die Würdigung im Interview: "Ich bin stolz, froh - ja, es ist eine herrliche Verwirrung." Allerdings: Überraschend sei die Entscheidung für Wagner nicht, betont der Kritiker Helmut Böttiger.
    "Es ist ja so, dass sehr kompetente Leser die Gedichte für Wert befunden haben, einen solchen Preis zu bekommen, und das ist natürlich eine wunderbare Bestätigung und Ermunterung", sagte Jan Wagner am Dienstag im Deutschlandfunk Kultur in Reaktion auf die Bekanntgabe der Auszeichnung mit dem Georg-Büchner-Preis 2017 für ihn. "Ich bin stolz, froh - ja, es ist eine herrliche Verwirrung."
    Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung begründete die Entscheidung damit, dass "Jan Wagners Gedichte spielerische Sprachfreude und meisterhafte Formbeherrschung, musikalische Sinnlichkeit und intellektuelle Prägnanz" verbinden.
    Die Jury erklärte weiter: "Entstanden im Dialog mit großen lyrischen Traditionen, sind sie doch ganz und gar gegenwärtig. Seine Gedichte erschließen eine Wirklichkeit, zu der Naturphänomene ebenso gehören wie Kunstwerke, Sujets der Lebens- wie der Weltgeschichte, erste Fragen und letzte Dinge." Aus neugierigen, sensiblen Erkundungen des Kleinen und Einzelnen, mit einem Gespür für untergründige Zusammenhänge und mit einer unerschöpflichen Phantasie liessen sie Augenblicke entstehen, in denen sich die Welt zeigt, als sähe man sie zum ersten Mal. "Für diese poetische Sprachkunst, die unsere Wahrnehmung ebenso schärft wie unser Denken, verleiht die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Georg-Büchner-Preis 2017 an Jan Wagner."

    Abstraktes wie "Tod", "Leben", "Liebe" festgemacht an Details

    "Ich schreibe zwar viel über Tiere, über Pflanzen, aber genauso schreibe ich über Teebeutel, Nägel, eine Säge oder ein Bettlaken", sagte Wagner. Was ihn interessiere, seien die kleinen Gegenstände, die vermeintlich banalen Gegenstände, die wir allzu oft übersehen. "(Die) aber, wenn wir uns vornehmen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, immer aufregend, wunderbar und höchst erstaunlich sind", sagte Wagner über die Themen und Motive seiner Werke. "Abstrakt gewordene Begriffe wie 'Tod', 'Leben', Liebe, usw. gewinnen weiter neues Leben, wenn man sie festmacht am konkreten, persönlichen Detail und das bieten eben Tiere, Pflanzen, aber auch Teebeutel."

    Der "Wunschschwiegersohn der deutschsprachigen Lyrik"

    Es gebe seit Jahren einen Lyrik-Boom in Deutschland, sagte der Literaturkritiker Helmut Böttiger im Deutschlandfunk Kultur. Wagner sei der, auf den sich alle einigen könnten. "Er ist ein Lautakrobat, er arbeitet sehr mit rhythmischen, klanglichen Formen, mit unreinen Reimen, und dieses Formbewusstsein, Traditionsbewusstsein, aufgeraut mit einer zeitgenössischen Erfahrung - das ist eine Ballance von Alt und Neu. Man hat ihn nicht von ungefähr ein bisschen liebevoll als den Wunschschwiegersohn der deutschsprachigen Lyrik bezeichnet."

    Wichtigster deutscher Literaturpreis

    Der mit 50.000 Euro dotierte Büchner-Preis gilt als wichtigster deutscher Literaturpreis. Er wird jährlich während der Herbsttagung der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, in diesem Jahr am 28. Oktober, verliehen.

    Geehrt werden Schriftstellerinnen und Schriftsteller, "die in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten und die an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben." Im vergangenen Jahr hatte der Schriftsteller, Dicher und Essayist Marcel Beyer ("Flughunde") den Büchner-Preis bekommen und zuvor bereits Gottfried Benn, Erich Kästner, Heinrich Böll oder Wolfgang Hilbig. Angesprochen auf die Geschichte des Preises sagte Wagner: "Dass man natürlich auch demütig wird bei der Geschichte dieses Preises, das versteht sich von selbst."

    Blick zurück: Jan Wagners "Postkarten aus Neukölln"

    Für die (damals noch) Deutschlandradio Kultur-Serie "Postkarten aus ..." hatte vor zwei Jahren Jan Wagner kurze Texte aus Berlin geschickt, also von dort, wo er wohnt, genauer: aus dem Stadtteil Neukölln. In dieser Serie hatten wir Autoren um "Kleine Formen" gebeten. Hier die fünf "Postkarten" Jan Wagners zum Nachhören:

    Originalton: Jan Wagner - Neuköllner Postkarten - Erste Karte
    Originalton: Jan Wagner - Neuköllner Postkarten - Zweite Karte
    Originalton: Jan Wagner - Neuköllner Postkarten - Dritte Karte
    Originalton: Jan Wagner - Neuköllner Postkarten - Vierte Karte
    Originalton: Jan Wagner - Neuköllner Postkarten - Fünfte Karte
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