Genforschung

"Eine sehr effiziente Methode, Erbgut zu verändern"

Computergrafik zur Genforschung
Computergrafik zur Genforschung, DNA © imago/Sciepro/Science Photo Library
Jörg Vogel im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 06.10.2015
Zwei Forscherinnen werden für den Nobelpreis in Chemie hoch gehandelt, sie haben die sogenannte Crispr-Cas9-Methode entwickelt haben. Damit lassen sich Erbgutinformationen gezielt neu programmieren. Aber das Verfahren hat auch Risiken, warnt der Biochemiker Jörg Vogel.
Wenn am Mittwoch der oder die Preisträger des diesjährigen Nobelpreises für Chemie bekanntgegeben, stehen die Chancen offenbar gut für zwei Forscherinnen, die unabhängig voneinander die sogenannten Crispr-Cas9-Methode entwickelt haben. Damit lässt sich das Genom editieren, das heißt, Erbgutinformationen gezielt verändern und neu programmieren.
Gentechnisch veränderte Pflanzen nicht mehr von natürlichen zu unterscheiden
Bereits Ende September hatten die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und andere Forschungseinrichtungen dazu aufgerufen, mit Crispr-Cas verantwortlich umzugehen. Man müsse auch die mit dieser Methode verbundenen Risiken diskutieren, mahnt Biochemiker und Leopoldina-Mitglied Jörg Vogel (Universität Würzburg). "Mit Crispr Cas haben wir eine Methode, die wirklich sehr effizient es uns erlaubt, Erbgut zu verändern", sagt Vogel. "Das gilt nicht bloß für den Menschen, es gilt für Pflanzen, es gilt für Nutztiere, es gilt für Bakterien." Zum Beispiel ließen sich mit dieser Methode Pflanzen möglicherweise so verändern, dass sie sich nicht mehr von natürlich Varianten unterschieden.
Mit Crispr Cas rückten auch Veränderungen an der menschlichen Keimbahn in die Nähe, warnt Vogel. "Und das ist etwas, was bisher zumindest in unseren Staaten ein absolutes Tabu war, in den westlichen Staaten."

Das Interview im Wortlaut:
Korbinian Frenzel: Wissenschaftler können immer genauer am Bauplan der Natur – wenn Sie so wollen, an der Schöpfung – Eingriffe vornehmen, und eine noch recht neue Methode, das Genome Editing beziehungsweise die sogenannte CRISPR/Cas-Methode ist mit den Forschern, die dafür stehen, ein heißer Kandidat für den Nobelpreis für Chemie. Morgen wird er vergeben. Schon im Vorfeld haben sich Wissenschaftler in einer Stellungnahme der Deutschen Forschungsgemeinschaft und unter anderem der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zu Wort gemeldet mit einer Warnung vor den Risiken. Jörg Vogel, Mitglied der Leopoldina und Mitautor dieser Stellungnahme, ist jetzt am Telefon und zwar in Neu-Delhi. Guten Morgen!
Jörg Vogel: Schönen guten Morgen nach Berlin!
Frenzel: Nach Berlin, das ist richtig! Bevor wir über diese Risiken sprechen, Herr Vogel, müssen Sie uns erst mal erklären, Genome Editing, was versteht man darunter, was ist das?
Vogel: Genome Editing ist im Prinzip eine Summe von Methoden, mit denen es uns gelingt, immer besser das Erbgut gezielt zu verändern. Wir können bei einzelnen Basen herausnehmen, einsetzen oder einfach umprogrammieren, stückeln, hereinsetzen, und das ist wichtig für die Biotechnologie, aber auch für die Heilung von Krankheiten.
Keimbahnveränderung bisher "ein absolutes Tabu"
Frenzel: Heilung von Krankheiten, das klingt gut, und dennoch haben Sie einen Warnruf abgegeben, haben auch vor den Risiken gewarnt – warum?
Vogel: Wir haben es deswegen gemacht, weil es sehr wichtig war, die Chancen, die jetzt uns durch diese neuen Methoden geboten sind, auch nutzen zu können und dabei gleichzeitig Risiken zu diskutieren. Die Risiken sind nicht neu, das sind generelle Risiken, die wir mit der Gentherapie haben – Gentherapie macht man seit längerer Zeit, also verfolgt diese Ansätze seit längerer Zeit. Die Technik selber ist eine sehr sichere Technik, die bei uns im Alltag völlig normal ist, in der Medizin, in der Biotechnologie. Jetzt ist es allerdings so, dass man mit diesen neuen Methoden, insbesondere CRISPR-Cas – CRISPR-Cas ist zwar nicht die einzige, aber es ist eine, die besonders gut funktioniert –, jetzt besonders viele Organismen verändern kann, und damit sind wir auch in die Nähe gerückt, dass man – da geht es jetzt um Menschen – die Keimbahnen eventuell verändert. Das ist etwas, was bisher zumindest in unseren Staaten ein absolutes Tabu war, in den westlichen Staaten.
Frenzel: Sie fordern ja einen – ich zitiere – "verantwortlichen Umgang mit diesen neuen Methoden der Genveränderung". Muss ich daraus im Umkehrschluss ziehen, es gibt Forscher bereits, anders möglicherweise in der Welt, die unverantwortlich unterwegs sind?
Vogel: Das würde ich nicht sagen, dass sie unverantwortlich unterwegs sind. Es hängt natürlich auch immer davon ab, was ihre moralisch-ethischen Grundlagen sind, und die sind natürlich auf der Welt verschieden. Unsere Ethik und unsere Moral ist eben sehr stark durch das Christentum geprägt – da ist es zum Beispiel so, dass die Keimbahntherapie, das Gottspielen, also das Verändern des menschlichen Erbguts, sicherlich da ausgeschlossen ist. Andere hochentwickelte Länder, zum Beispiel in Asien, die würden solche Probleme gar nicht haben, die solche Restriktionen gar nicht haben. Man muss auch im Hinterkopf behalten, dass ein Land wie die USA – und die sind uns ja kulturell und in ethischen und moralischen Fragestellungen sicherlich sehr ähnlich, wie Sie zustimmen werden – kein generelles Verbot der Keimbahntherapie haben.
Konsequenzen für die Kontrollierbarkeit von Gentechnik
Frenzel: Ich habe es anfangs gesagt, diese Methode CRISPR-Cas, die ist mit ihren Forschern ein heißer Kandidat für den Nobelpreis. Sie haben nun diese Stellungnahme abgegeben – war die auch als Wink zu verstehen, seid vorsichtig, seid vielleicht auch vorsichtig bei der Vergabe dieses Nobelpreises?
Vogel: Das hat wenig damit zu tun. Die Stellungnahme resultiert wirklich daraus, dass wir sagen, mit CRISPR-Cas haben wir eine Methode, die wirklich sehr effizient es uns erlaubt, Erbgut zu verändern, und das gilt nicht bloß für den Menschen, das gilt auch für Pflanzen, das gilt für Nutztiere, das gilt für Bakterien. Das hat gewisse Konsequenzen auch in der Art und Weise, wie wir Gentechnik kontrollieren können. Zum Beispiel ist es jetzt so, dass mit CRISPR-Cas eventuell Pflanzen so verändert werden können, dass sie sich gar nicht mehr von natürlichen Varianten unterscheiden, von natürlichen Mutationen unterscheiden. Und das ist etwas, was jetzt diskutiert werden muss. Wir als Wissenschaftler kommen da jetzt mal, in Anführungsstrichen, "raus aus unserem Elfenbeinturm" und sagen der Gesellschaft, hier geht furchtbar was ab, das sind ganz schnelle technologische Entwicklungen, da gibt es also riesengroße Chancen, es gibt auch gewisse Risiken, und über die müssen wir jetzt sprechen – Keimbahntherapie ist zum Beispiel eine.
Frenzel: Jörg Vogel, Mitglied der Leopoldina, Mitautor der Stellungnahme für einen verantwortlichen Umgang mit den neuen Methoden der Genveränderung. Ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses Gespräch, wünsche einen schönen Tag nach Neu-Delhi!
Vogel: Danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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