Genchirurgie

Ein unumkehrbarer Eingriff in das Erbgut des Menschen

Labormäuse eignen sich nur bedingt, um die Effekte menschlicher Immunzellen zu verstehen
Mäuse, Ratten und Äffchen wurden schon der Prozedur unterzogen. © dpa/picture alliance/Ferdinand Ostrop
Von Michael Lange · 10.09.2015
Genchirurgie ist einfach, effizient - und sehr umstritten. Deshalb ist diese Methode, mit der Erbgut manipuliert wird, in vielen Ländern verboten. Doch in China fleißig über Genchirugie geforscht.
Jana Block ist Masterstudentin an der Universität Freiburg. Bei einem Praktikum hat sie gelernt, wie das neue Gentechnik-Verfahren CRISPR-Cas funktioniert.
"...dann brauchen wir noch (pieppieppiep) unser Cas 9-Plasmid. Und dann kann man auch gleich in die Zellkultur gehen..."
Die neue Genchirurgie ist einfach, schnell und effizient. Am Institut für Zell- und Gentherapie der Universität Freiburg gehört sie zum Handwerkszeug – wie in vielen Labors. Der Leiter des Instituts Toni Cathomen sagt der Methode eine große Zukunft voraus.
"Man muss da wirklich von einer CRISPR-Revolution sprechen. Weil sich die Technologie so schnell verbreitet hat und jedes Labor sie einsetzen kann, und genetische Veränderungen in vielen verschiedenen Organismen herbeiführen kann."
Vor CRISPR-Cas konnten Wissenschaftler in Versuchstieren stets nur einzelne Erbanlagen verändern. Das war äußerst aufwendig. Jetzt entstehen fast wie am Fließband neue Versuchstiere, deren Erbgut mehrere genetische Veränderungen aufweist.
Aufschrei unter Kollegen
Guoping Feng vom McGovern-Institute für Hirnforschung, einem Institut der Elite-Universität M.I.T., züchtet Versuchstiere, um Krankheiten des Gehirns zu verstehen. Deshalb braucht er ein Tiermodell, das dem Menschen möglichst ähnlich ist.
"Marmosets - das sind kleine Seidenaffen. Sie sind zwar nicht so eng mit uns verwandt wie die großen Menschenaffen, aber ihre Gehirnstruktur ist der unsrigen sehr ähnlich - ganz anders als bei Mäusen oder Ratten."
Guoping Feng hat die Seidenaffen mit CRISPR-Cas genetisch verändert. Sie entwickeln nun typische Autismus-Symptome. Auf dem gleichen Weg könnten auch befruchtete Eizellen des Menschen manipuliert werden. Wissenschaftler in China haben bereits damit begonnen. Sie erzeugten 86 nicht überlebensfähige Embryonen - und versuchten deren Gene mit CRISPR-Cas gezielt zu verändern. Vier Mal gelang die gewünschte Manipulation.
Im April 2015 veröffentlichten die Forscher ihre Ergebnisse in einer Fachzeitschrift und sorgten für einen Aufschrei – in der Öffentlichkeit, aber auch unter Kollegen wie Guoping Feng.
"Das war keine gute Idee. Wer Forschung betreibt, sollte die Wissenschaft voranbringen, irgendein Problem lösen oder eine Fragestellung beantworten. Diese Forschung hat nichts davon geleistet. Hier entsteht vielmehr der Eindruck einer verantwortungslosen Wissenschaft."
"Politisch unklug", "wissenschaftlich nutzlos" und "ethisch nicht verantwortbar" – so lauteten die Kommentare in den Fachzeitschriften. Dennoch gibt es keinen Zweifel: Was bei Mücken, Würmern, Mäusen, Ratten und kleinen Affen funktioniert, das kann und wird auch bei Menschen gelingen. Das wäre ein gezielter Eingriff in die Evolution des Menschen, der sich nicht mehr rückgängig machen ließe.
Die ethische Frage lautet: Gibt es Argumente, die einen solchen Eingriff in die menschliche Keimbahn rechtfertigen? Guoping Feng meint ja.
"Wenn die Technik so weiter entwickelt wird, dass keine falschen Schnitte in das Erbgut mehr vorkommen, und wenn eine solche Gen-Reparatur Menschenleben rettet und Leiden mindert, warum nicht?"
Teilweise schon seit Jahrzehnten verboten
Die große Mehrheit der europäischen Genforscher ist anderer Meinung. In Deutschland und anderen Ländern Europas ist die so genannte Keimbahntherapie zur Manipulation des Menschen verboten – teilweise seit Jahrzehnten. Auch die Französin Emmanuelle Charpentier hält nichts von Manipulationsversuchen am Menschen. Sie arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und gehört zu den Pionierinnen der CRISPR-Cas-Methode.
"Ich persönlich finde, dass menschliche Keimzellen nicht manipuliert werden sollten. Und ich bin froh, dass es viele Länder gibt, die sich darauf verständigt haben, dass Zellen der menschlichen Keimbahn nicht manipuliert und dass genetisches Material nicht verändert werden sollte."
Der M.I.T.-Professor Guoping Feng will eine internationale Debatte in Gang setzen und auch seine Landsleute in China in die Diskussion einbinden. Ein weltweites, absolutes Verbot von CRISPR-Cas bei menschlichen Eizellen oder Embryonen hält er allerdings für nicht realistisch, und auch nicht für wünschenswert.
"Meiner persönlichen Meinung nach sollte es in begrenztem Umfang zugelassen werden. Aber nur bei schweren Krankheiten, die sich anders nicht heilen lassen."