Geldtransfers von Flüchtlingen und Migranten

Wie das Geld zurück nach Hause kommt

Straßenszene in Makeni, einer Stadt im Nordosten von Sierra Leone - Straßenhändler bieten vor einem Büro von Western Union ihre Waren an.
Straßenszene in Makeni, einer Stadt im Nordosten von Sierra Leone - vor einem Büro von Western Union © picture alliance / dpa / Tom Schulze
Von Jenni Roth · 13.03.2017
Wenn Migranten daheim gebliebene Angehörige mit Direktüberweisungen unterstützen, ist das effiziente Entwicklungshilfe: Das Geld kommt da an, wo es gebraucht wird. Dieser direkte Geldfluss übertrifft die weltweite Entwicklungshilfe mittlerweile um das Dreifache.
Frau am Bankschalter und Mai Dang:
"Ich möchte nachfragen, wie viel kostet das, wenn ich 500 Euro nach Vietnam schicke?"
"30 Euro."
"Und bei 600?"
"33 Euro."
"Ok, dann machen wir 500."
Mai Dang, 32, steht in der Reisebank am Ostbahnhof, am Schalter von Western Union. Die Vietnamesin ist vor acht Jahren aus Hanoi nach Berlin gezogen, um zu studieren. Mittlerweile verdient sie ihr Geld als freiberufliche Übersetzerin.
"Demnächst ist unser Tet-Fest, das Neujahrsfest, und ich möchte gern meinen Eltern Geld schenken zum Neujahr."
Frau am Bankschalter und Mai Dang: "So, dann brauch ich den Beleg... " - "Genau, ich hab hier alles aufgeschrieben..." - "In Dong oder Dollar auszahlen?" - "In Dong."
Aber auch ohne Festtag steht Mai Dang regelmäßig hier am Schalter. Sie schätzt, dass 90 Prozent ihrer Landsleute in Deutschland ebenso Verwandte oder Bekannte in der Heimat unterstützen – und Migranten aus anderen Ländern tun das auch.
Autorin und Frau am Schalter: "Wie viel pro Tag kommen hierher?" – "Sind schon einige..." – "Aus welchen Ländern?" – "Ganz unterschiedlich, geht überall hin in der Welt, Lateinamerika, Afrika, Asien..."
Ein Drittel der Gelder aus den EU-Ländern geht in andere EU-Länder, der Rest ins nicht-europäische Ausland, meist in Entwicklungsländer. Im Durchschnitt stehen monatlich 300 Euro auf dem Überweisungsträger. Diese kleinen Beträge summieren sich zu einem beachtlichen Wirtschaftsfaktor: Insgesamt übersteigen sie die staatlichen Entwicklungshilfen inzwischen um mehr als das Dreifache, sagt die Ökonomin Kirsten Schüttler von der Weltbank, wo sie in der Abteilung zu Migration und Ruecküberweisungen arbeitet.
Schüttler: "Wir schätzen, dass in 2015 die Remittances, also Rücküberweisungen von Flüchtlingen und Migranten in ihre Heimat ca. 602 Milliarden betragen haben, dass an Entwicklungsländer geschätzte 440 Milliarden überwiesen werden. Zudem kommen die Gelder, die über informelle Kanäle gesendet werden, da kann man schwer Schätzungen abgeben. Aber Geld wird auch Familienmitgliedern mitgegeben, Freunden, dem Busfahrer, da gibt's viele Möglichkeiten, wie man es informell schicken kann, die tauchen in den offiziellen Zahlungsbilanzen nicht auf."

Große Geldsummen fließen von Nord nach Süd

Dabei bilden die Geldflüsse die Migrationsströme ab: Große Summen fließen von Nord nach Süd, aber auch zwischen den Entwicklungsländern selbst. Hauptempfängerländer sind Länder wie Indien, China, Philippinen, Mexiko oder Frankreich, geschickt wird das Geld meist aus Deutschland, Russland, der Schweiz, den USA, aus Saudi-Arabien, den Arabischen Emiraten und aus den USA.
Schüttler: "Mexiko und USA, das ist der größte Migrationskorridor weltweit derzeit. Ansonsten finden sich in Südamerika und anderen Ländern Migranten aus aller Welt, vor allem in den Golfstaaten sind Migranten aus Saudi-Arabien und seit neuestem auch aus Afrika stark angewachsen."
So wie Luther Basa: Der junge Philippino kam vor zwei Jahren an die Uniklinik Tübingen, um sich dort als Pfleger ausbilden zu lassen. Er hatte vom "Triple Win"-Projekt der Bundesregierung gehört: ein Anwerbeprogramm, mit dem der Mangel an Pflegekräften auf der einen Seite mit dem Überangebot auf der anderen ausgeglichen werden soll. Regelmäßig skypt er mit seiner Familie daheim auf er Insel. Und obwohl Luther anfangs wenig verdiente, schickte er jeden Monat Geld nach Hause, drei-, vierhundert Euro.
Luther: "Für meine Mutter schick ich, für meine zwei jüngere Brüder für ihre Schulung. Vor allem für Mutter, weil sie Diabetikerin ist und arbeitslos, das schicke ich auch Geld."
Luther Basa ist einer von rund zehn Millionen Philippinos, die im Ausland arbeiten – das entspricht etwa einem Zehntel der Bevölkerung. 2014 haben sie fast 27 Milliarden Dollar in die Heimat geschickt, Tendenz stark steigend. Wie hier auf den Philippinen sind Rücküberweisungen auch in anderen Ländern eine tragende Säule der Volkswirtschaft. Stephan Klasen, Professor für Ökonomie an der Universität Göttingen:
"Das ist eben ein Grund, warum die Rücküberweisungen anwachsen, weil wir viele Länder haben, die schlecht regiert sind, wo es eine schlechte wirtschaftliche Situation gibt. Wo die Perspektiven für junge Leute schlecht sind, die ihr Glück im Ausland suchen. Dazu gehören Afghanistan und Kosovo, auch Moldawien oder Tadschikistan, wo das Hauptexportgut junge Menschen ist, die dann in reichere Länder gehen, dort arbeiten und Geld zurücküberweisen."
Der Trend gilt weltweit: Seit den 80er-Jahren wächst mit der Globalisierung die Zahl der Migranten. Die Summe der weltweiten Rücküberweisungen verdoppelte sich von 1990 bis 2000, im Folgejahrzehnt vervierfachte sie sich sogar. Dass sie gerade etwas rückläufig sind, liegt an der kriselnden Weltwirtschaft, erklärt Kirsten Schüttler:
Schüttler: "Die Wachstumsrate ist zurückgegangen in 2015: 2 Prozent von 3,3 Prozent in 2014, das ist deutlicher Rückgang von durchschnittlich 7 Prozent in Zeit zwischen 2010 und 2013. Das liegt an verschiedenen Gründen: Am derzeitigen langsamen globalen Wachstum, in China, Japan, der Eurozone, usw. Es gibt eine Rezession in Ländern, die viele Migranten aufnehmen wie Russland. Ein anderer Faktor, der eine große Rolle spielt, ist die Aufwertung des Dollar. Wenn man Remittances in US-Dollar misst, sinkt natürlich der Betrag, der insgesamt überwiesen wird. Wir denken aber, dass die wirtschaftliche Erholung in den USA sich ausweiten und das Wachstum in Europa anziehen wird. Ein anderes Risiko sind niedrige Ölpreise, weil viele Migranten in Golfstaaten und Russland sind, also in Ländern, deren Wirtschaft stark von Export von Öl abhängt. Und wenn die Ölpreise niedrig sind, wird sich das mit der Zeit, wenn die finanziellen Puffer ausgehen, auch auf die Wirtschaft niederschlagen und dann auf die Rücküberweisungen der Migranten."
Aber selbst wenn sie überweisen, muss das Geld erst einmal in der Heimat ankommen...
Mai Dang und Frau am Bankschalter: "Kriegt er eine Nummer?" – "Ja." – "Hier Unterschrift..." – "Und wann kann mein Vater Geld abholen?" – "In 5 Minuten..."
Das ist für die Vietnamesin Mai Dang auch nach Jahren noch jedes Mal ein kleines Wunder.
Mai Dang: "Es ist schwer, Geld von Ausland nach Vietnam zu überweisen, man muss 10.000 Formulare ausfüllen. Als ich nach Deutschland kommen wollte, musste ich 5mal überall hin, um alles zu beantragen. Damit ich ein Bankkonto eröffnen kann, das muss von der Zentralbank akzeptiert werden. Das war sehr kompliziert."

Nicht über 500 Euro pro Person aus dem Land schaffen

Tatsächlich hatte in Vietnam bis vor kurzem kaum ein Mensch ein Konto. Eine Eigentumswohnung bezahlte man in Cash: Wegen der kleinen Scheine wurde die Summe dann auch mal nach der Höhe der Geldscheine mit dem Zollstock bemessen.
Und während wir Europäer schnell von der 16-stelligen IBAN genervt sind, erschweren andernorts ganz andere Probleme die Rücküberweisungen: In Griechenland etwa darf wegen der geltenden Kapitalverkehrskontrollen kein Privatkunde mehr als 500 Euro pro Monat aus dem Land schaffen. Oder, Beispiel Russland:
Serge: "Geld nach Russland zu schicken ist fast unmöglich. Paypal wird nicht akzeptiert, und Bargeld zu schicken ist gefährlich, das Geld wird kaum am Zielort ankommen – das System ist sehr korrupt. Man hat also die Wahl zwischen einem Banktransfer mit exorbitanten Gebühren – oder man gibt es Freunden oder Familie mit, die ins Land reisen und die Scheine zum Beispiel zwischen Bücherseiten ins Land schmuggeln."
Serge lebt als Kind russischer Auswanderer in New York, und seine Eltern sind erfahrene Geschenkeschmuggler: In den 80er-Jahren waren es noch verbotene Bücher, die sie Verwandten und Freunden mitbrachten, heute ist es oft das Bargeld, das sie über die russische Grenze bringen.
Assibi: "Zum Beispiel jemand geht nach Togo, gibt Geld mit: Gib das meiner Familie, meine Familie kommt es abholen. Aber dann wird es geklaut, und in eigene Tasche gesteckt..."
Assibi Wartenberg ist schon sehr lange in Deutschland. Im Berliner Stadtteil Wedding betreibt sie ein afrikanisches Restaurant, an das angedockt der Deutsch-Togoische Freundeskreis Berlin – und weiß aus Erfahrung, dass es nicht einmal ratsam ist, anderen Reisenden das Geld mit auf den Weg zu geben.
Assibi: "Wir unterstützen die Savannenbevölkerung im medizinischen Bereich. Was ich gelernt habe, wollte ich in meine Heimat bringen, ich bin gelernte Krankenschwester. Wir haben ein Grundstück geschafft, wir haben einen Bau angefangen, ich kämpfe wie eine Löwin. Ich schicke kein Geld direkt, aber ich gehe dorthin, kaufe, was die brauchen und verteile es: Impfstoffe, Malariasachen. Ich bin stolz, dass ich es geschafft habe, von der Deutschen Bundeswehr Container bekommen zu haben mit Sanitäreinrichtung. Was mir am Herzen liegt, so konnte ich Material an Krankenhäuser verteilen. Wo ich herkomme, die brauchen mich. Ich finde, NGO ist der einzige Weg, Dritte Welt zu verbessern."
Das würden Ökonomen unterschreiben. Deshalb hat auch die offizielle Entwicklungszusammenarbeit die Bedeutung der Rücküberweisungen anerkannt und sie in den "Sustainable Development Goals" verankert.
Klasen: "Die beiden Sachen ergänzen sich eher als dass man sagen könnte, das Eine gegen das Andere aus spielen. Bei Rücküberweisungen handelt es sich ja um Transferleistungen von privat nach privat, damit werden bestimmte wichtige Sachen, die für die Entwicklung wichtig sind wie öffentliche Infrastruktur, Aufbau von Krankenhäuser, Schulen, werden natürlich nicht finanziert. Und das Geld wird weitgehend nicht besteuert, so dass Länderregierungen nichts davon haben, dh. man kann nicht sagen, ihr kriegt Rücküberweisungen, Ihr braucht keine Entwicklungshilfe."
Schüttler: "Sie erhöhen die Konsummöglichkeiten der Haushalte, können gespart, investiert werden. Sie reduzieren Risiken, denen die Haushalte ausgesetzt sind, weil man Einkommensquellen diversifiziert hat: Wenn ein Erdbeben passiert und man selbst kein Geld verdienen kann, dann weiß man, dass Geld aus dem Ausland kommt, und solche Zeiten abfedern kann. Man schätzt, dass in Salvador und Philippinen Kinder aus Familien, die Rücküberweisungen erhalten, weniger die Schule abbrechen, oder dass das Geburtsgewicht in Sri Lanka und Mexiko bei Kindern höher ist."

Die Schattenseiten der Rücküberweisungen

Aber die Rücküberweisungen haben auch ihre Schattenseiten: Was passiert mit einer Gesellschaft, mit den Kindern, deren Eltern in die Welt ziehen? Was hat es, wie in der Republik Moldau, für psychische und soziale Folgen, wenn die Kindern ihre Eltern fast nie zu Gesicht bekommen und sich mit Briefen, Anrufen, Paketen zufrieden geben müssen? Zudem gibt es Menschen, die die Situation der zurückgelassenen Kinder ausnutzen: Etwa zehn Prozent der "Waisenkinder" in Moldau werden sexuell missbraucht.
Und aus ökonomischer Sicht: Meist profitieren nicht die Ärmsten der Armen von den Rücküberweisungen: Sie haben in der Regel keinen finanziellen oder Spielraum um Angehörige ins Ausland zu schicken, oder es fehlt eine entsprechende Ausbildung. Hinzu kommt: Wenn immer mehr importiert wird, als das Land selbst produziert, kann es für die Wirtschaft gefährlich werden. Wobei sich das Problem mit zunehmender Wirtschaftsentwicklung auch von selbst lösen kann: Als die Arbeitsmigration vor 50 Jahren einsetzte, waren die Überweisungen aus Deutschland noch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Türkei. Heute spielen sie kaum noch eine Rolle in der dortigen Wirtschaft.
Schüttler: "Negative Seiten können sein, dass auf der Ebene der Haushalte Abhängigkeiten entstehen, dass der Haushalt selbst ökonomisch nicht mehr tätig wird, sich nicht in Arbeitsmarkt integriert, nur auf die Zahlungen wartet. Auch auf der Ebene der Länder: Wenn die Rücküberweisungen sehr groß sind und wenn eine 'Dutch Disease' entsteht: Die eigene Währung wird aufgewertet, und es Schwierigkeiten gibt, selbst zu exportieren. Wenn Regierungen faul werden, weil sie wissen, dass Flüsse reinkommen und ausländische Währungsreserven bringen."
Derweil müssen die Geberländer kaum fürchten müssen, dass sie unter dem Kapitalabfluss leiden, glaubt Stephan Klasen:
"Für die Geberländer insgesamt ist das so gering, dass das vernachlässigbar ist, wenn wir überlegen, wie viel Geld aus Deutschland rausfließt über Rücküberweisungen und wieder reinfließt über Gewinne deutscher Unternehmen im Ausland, da fällt das kaum auf. Wozu es natürlich führt, das ist eher positiv, dass es zu engeren Beziehungen zwischen diesen Ländern führt, auf Ebene der Bevölkerung, und das Handel begünstigen kann. Wenn der Albaner in Deutschland war, kann eine Art der Rücküberweisung sein, dass es nicht Geld, sondern ein Auto ist, das hier gekauft wurde. Dass jedes Mal, wenn er Verwandte besucht, deutsche Produkte mitbringt, und so gewissermaßen Werbung macht, Küchengeräte, Autos, für die Deutschland steht. Und damit in den Herkunftsländern implizit Werbung für deutsche Produkte macht und Deutschland netto sogar eher gewinnt, als verliert."
Aber die wahren Profiteure des Rücküberweisungsbooms sind die großen Money Transfer Operators: Western Union, Moneygram, Ria... Der Branchenriese Western Union etwa macht 80 Prozent seines Geschäfts mit Transaktionen zwischen Privatkunden. 2014 waren das 255 Millionen Transaktionen, mehr als 85 Milliarden Dollar gingen über den Tisch.
Mai Dang: "...zusätzlich kommt noch Wechselkurs, das ist bei Western Union extrem schlecht, im Vergleich zu anderen Banken..."

Western Unions Gebühren wurden kritisiert

Vor einigen Jahren gab es eine Onlinepetition gegen Western Union: "Stoppt die exorbitanten Gebühren" hieß die Kampagne des internationalen Netzwerks Avaaz, fast 400.000 Menschen unterzeichneten. Gerade Western Union und Moneygram haben eine weitläufige, auch kostspielige, Infrastruktur ausgebaut, und sitzen fest im Sattel. Potenzielle Wettbewerber haben es schwer.
Schüttler: "Insgesamt sind die Kosten weltweit zu hoch. Sie liegen im globalen Durchschnitt bei fast 8 Prozent. Sie sind gesunken im Vergleich zu 2009, aber weiterhin zu hoch, das globale Ziel für 2030 ist, dass die Kosten bei 3 Prozent liegen sollen. Wenn das passiert, könnten die Migranten und ihre Familien in den Entwicklungsländern 20 Milliarden mehr zur Verfügung haben im Jahr."
Was Western Union von dieser Forderung hält, ist unklar: Dem Deutschlandradio gegenüber will sich der Weltmarktführer zu dieser Frage nicht äußern, und gibt lediglich schriftliche Statements zu ausgewählte Fragen ab. Für einen Weltmarktführer macht sich das Unternehmen erstaunlich rar. Western Union ist praktisch überall und übertrumpft mit mehr als einer halben Million Filialen sogar McDonalds.
Der Konzern hat ein Franchisenetz rund um die Erde gespannt: Er hat keine eigenen Büros, sondern nutzt fremde Firmen: Man findet seine Ableger in Banken, Postfilialen, Lebensmittelläden. Jeder Kioskbesitzer kann sich als Vertragspartner bewerben. Hält Western Union ihn für zuverlässig, bietet der Konzern Schulungen und Überweisungssoftware – und bei jeder Transaktion eine Provision. Der Kioskbesitzer hat also eine neue Einnahmequelle, Western Union einen neuen Standort.
Die Folge dieses Systems: Durch Verträge mit Banken und Postfirmen bekam Western Union Zugang zu deren Filialnetz – und konnte sich so auf einen Schlag ganze Länder erschließen. Oft sind das Exklusivverträge, was die Weltbank für problematisch hält:
Schüttler: "Viele große Anbieter haben z.B. Verträge mit Banken, Post oder Telekommunikationsunternehmen und sagen, dass sie nur Gelder auszahlen dürfen von diesem Money Transfer Operator. Z.B. macht Western Union mit der Post einen Vertrag und trainiert Postangestellte, um Gelder korrekt auszuzahlen und Überweisungen richtig zu registrieren, investiert also, macht aber Verträge, in denen steht, ihr dürft Gelder nicht für andere Unternehmen auszahlen. Das führt dazu, dass in ländlichen Regionen, wo die Post einziger Anbieter ist, diejenigen, die dorthin Geld überweisen wollen, nur die Möglichkeit haben, das über Western Union oder Moneygram zu machen."
Viele Kunden haben also keine Wahl. Anderen ist womöglich nicht immer klar, wie die Preise zustande kommen. Denn neben der Transfergebühr ist da der Gewinn durch den – weit unter dem marktüblichen – Wechselkurs.
Autorin und Mai Dang: "Das hier ist der Wechselkurs? – Das ist 1 Euro zu 23.000 Vietnam Dong, also ein bisschen niedrig, der Standard wäre 1:25.000."
Doch Western Union ist nicht nur umstritten, weil es an Menschen verdient, die wenig haben. Sondern auch, weil es schmutziges Geld verschickt: das von Menschenschmugglern zum Beispiel.
Besonders aktuell wegen Flüchtlingskrise: Schleuser und Menschenhändler, die Flüchtlinge nach Europa bringen, machen ihre Geschäfte meist in bar – oder über Zahlungsdienste wie Western Union. Ermittlungs- und Finanzbehörden auf der ganzen Welt fürchten, dass mithilfe von Western Union auch Attentate finanziert oder Drogen geschmuggelt werden. Sie berufen sich auf Berichte etwa von Ermittlern, von Kapitänen, die von ihren Hintermännern über Western Union ausgezahlt werden – der Konzern jedoch wirbt unter dem Motto "Moving money for better".
Western Union Statement: Western Union verurteilt vehement alle Aktivitäten, die illegale Migration erleichtern, vor allem die Ausbeutung von einzelnen Menschen und ganzen Familien. Wir arbeiten routinemäßig mit Strafverfolgungsbehörden auf der ganzen Welt zusammen, um einen Beitrag zur Bekämpfung von Menschenschmuggel und Schleuserei zu leisten.
Western Union verfügt über eine solides Compliance- und Anti-Geldwäsche-Programm. So wendete Western Union allein im Jahre 2014 rund 3,3 Prozent seines Umsatzes für Compliance-Programme zur Einhaltung regulatorischer Anforderungen auf.
Über diese Anforderungen geht Western Union aber nicht hinaus.
Frau am Schalter: "Von Sender muss die Adresse angegeben werden, der Empfänger ist nicht unbedingt nötig. Man kann ja auch als Tourist in Vietnam sein, oder dass Geld gestohlen wurde, oder was weiß ich, man braucht Geld, dann hat man ja keine Adresse. Der Sender braucht eine Adresse, nach dem deutschen Geldwäschegesetz dringend erforderlich."
Schüttler: "Die Frage ist, was ist die Alternative. Wenn Western Union nicht da wäre, würden sie andere Wege finden, die komplett informell wären. Das Problem ist, dass durch die Geldwäsche- und Terrorfinanzierungs-Regulierungen Konten, die Money Transfer Operator bei Banken haben, dass diese Konten von Banken geschlossen werden, weil sie sich nicht dem Risiko aussetzen wollen, dass evtl Gelder für kriminelle Aktivitäten überweisen werden. Dh. die machen kein Risikomanagement, sondern schließen einfach Konten dieser Anbieter. Deshalb gibt es Korridore wie in Somalia, wo langsam Migranten und Flüchtlingen kaum andere Überweisungsmöglichkeiten formell zur Verfügung stehen.
Aus der Entwicklungsperspektive ist das nicht wünschenswert, aber auch aus der Sicherheitsperspektive ist das nicht wünschenswert, weil dann gehen auch die sauberen Gelder in informelle Kanäle und dann haben wir in informellen Kanälen Gute und Böse zusammen und blicken nicht mehr durch, was da passiert."
Deshalb plädiert die Weltbank für mehr Wettbewerb, für leichteren Zugang zu Lizenzen durch weniger strenge Regulierungen, für mehr Transparenz. Sie ist eine der Institutionen, die im Internet Preisvergleichsseiten eingerichtet haben. Und es bewegt sich etwas – die neuen Kommunikationstechnologien arbeiten sich auch ins Rücküberweisungsgeschäft vor.
Luther: "Es gibt Money Transfer, das heißt World Remit. Sehr einfacher als die anderen, braucht man nicht in die Stadt gehen, und einen Laden finden. Für 300 Euro, das kostet 9,99 Euro Gebühr. Das geht. In fünf Minuten bekommt mein Bruder SMS, dass er kann das Geld abholen."

Geldverkehr per Mobiltelefon regeln

Worldremit ist eines der vielen neuen Fintechs, also jener Firmen, die Finanzdienstleistungen mithilfe von Internet und Apps revolutionieren wollen.
Nur: Diese Dienstleistungen gehen an den Entwicklungsländern oft noch vorbei: Einige sind für große Beträge konzipiert wie freemarketFX, andere konzentrieren sich wie peerTransfer auf die Überweisung von Studiengebühren, manche nutzen Swift, das teure Kommunikationssystem der westlichen Bankenwelt. Das Partnersystem von TransferWise etwa funktioniert bisher nur innerhalb der EU, in Großbritannien, der Schweiz, den USA, Japan und Kanada.
Zu den Kunden gehören eher junge, urbane Menschen aus Industriestaaten, ein Bankkonto ist Voraussetzung. Und: Gebühr und Wechselkurs werden oft erst angegeben, wenn man sich registriert hat und das Geld wirklich überweisen will – was einen schnellen Preisvergleich nicht gerade erleichtert.
Schüttler: "Wir denken bei der Weltbank, dass die neuen Technologien ein großes Potenzial haben, Kosten zu senken und dass wir sie fördern müssen. Es ist so, dass man bei den Onlineüberweisungen, man braucht eine Kreditkarte oder ein Bankkonto, um diese Anbieter nutzen zu können. Und diese Anbieter sind auch noch nicht in allen Korridoren aktiv. Und wir sehen auch immer mehr Anbieter, die in den Markt gehen, die sich aber zunächst Korridore vornehmen, die profitabel sind, wo die Volumen hoch sind, wo die Kunden Zugang zu Internet haben, ein Handy haben."
Nur: Der Großteil der Savannenbevölkerung in Togo zum Beispiel dürfte kaum ein Tablet mit Internetzugang besitzen. Aber es besteht Hoffnung, dass sich diese Anbieter auch anderen Märkten zuwenden. Meist verlangen Onlineanbieter eine Kreditkarte oder Bankkonto. Anders ist das bei so genannten Mobile Money Transfers, bei denen etwa SMS-Nachrichten per Mobiltelefon den herkömmlichen Geldverkehr ersetzen.
Die Transaktion funktioniert ohne eine Bank und am besten in Kenia: Millionenfach zahlen hier die Kunden bei Tankstellen oder Lebensmittelgeschäften Bargeld ein und überweisen es per Textnachricht an andere Nutzer, die das Geld wiederum bei einem sogenannten Cash-out-agent abbuchen. Aber auch dieses System stößt an Grenzen.
Schüttler: "Bei allem was Mobile Money ist, das wird bisher kaum genutzt, grenzüberschreitende Überweisungen zu machen, weil teils die Systeme nicht miteinander kombinierbar sind, die Gelder von A nach B zu überweisen, über zu viele Stellen gehen müssen und das nicht profitabel ist."
Also können auch die Flüchtlinge, die die Bootsfahrt über das Mittelmeer überleben und in Italien oder Griechenland stranden, mit diesen neuen Plattformen nicht viel anfangen. Die meisten haben zwar ein Mobiltelefon. Aber eben kein Konto, keine Adresse, oft keinen Pass, und nur selten: Geld. Ein "Glücksfall" für Western Union.
Auf der Balkanroute, links und rechts entlang der Flüchtlingstrecks, hat sich schon eine ganz neue Infrastruktur angesiedelt: Hostels, Schlepper, medizinische Dienste – und eben Western-Union-Ableger. Der Konzern wächst zusehends, allein in der Türkei ist die Zahl der Filialen in wenigen Jahren von rund 30 auf 7000 gewachsen.
Wobei die Geldströme hier einmal anders herum laufen: Die Flüchtlinge sind auf das Geld angewiesen, das ihnen Daheimgebliebene überweisen. Und das bleibt auch eine ganze Weile so. Denn wenn sie es dann schaffen nach München, Berlin oder Salzuflen, sitzen sie erst einmal in den Auffanglagern und in den Asylprozessen fest. Bis sie selbst arbeiten dürfen und können, vergehen Monate, oder Jahre. In dieser Zeit müssen sie sich irgendwie durchschlagen: mit ein wenig staatlicher Überstützung – und womöglich Überweisungen von Verwandten und Freunden in den Krisengebieten. Solange kassieren Western Union und Co. weiter:
Schüttler: "Das Problem ist, dass diese Leute kein Bankkonto haben können, auch wenn sie in Land angekommen sind, wo sie bleiben. Bei Flüchtlingen in Jordanien oder Libanon, die dürfen nur in kleinen Ausnahmefällen Konto eröffnen. Deutschland hat ja eine Initiative gemacht, die es Flüchtlingen erleichtert, ein Konto zu eröffnen. Und in dem Moment können sie auch über Western Union Geld sparen, sie müssen nicht mehr in Cash, in Bar einzahlen."
Tatsächlich will die Bundesregierung will die Banken in Deutschland zwingen, Flüchtlingen und Obdachlosen ein Konto einzurichten. Ein Gesetzentwurf soll ihnen wenigstens Basisdienstleistungen wie Überweisungen, Ein- und Auszahlungen, Lastschriften und Kartenzahlung ermöglichen. Denn zur Zeit liegt die Zahl der Menschen ohne Zahlungs- oder Girokonto in Deutschland nach Schätzungen der EU-Kommission im oberen sechsstelligen Bereich – mit den wachsenden Flüchtlingszahlen könnte bald die Millionengrenze geknackt werden.
Wobei: Auch wenn die Flüchtlinge dann eines Tages einen einträglichen Job finden – Rücküberweisungen würden für sie kaum zum Thema werden, glaubt der Ökonom Stephan Klasen:
Klasen: "Wobei man bedenken muss, dass die Situation mit den Flüchtlingen aus Syrien und Irak anders laufen wird. Man muss davon ausgehen, dass die meisten hierbleiben wollen. Nicht, dass einer gekommen ist und Geld rücküberweist, wie das klassische Muster. Die versuchen, schnell ihre Familien nachzuholen, dann gibt's niemand mehr in Syrien, der Rücküberweisungen braucht. Deshalb werden Rücküberweisungen bei Bürgerkriegsflüchtlingen nicht so eine große Rolle spielen, weil es ein ganz anders Muster ist als das, was wir bei den wirtschaftlich orientierten Flüchtlingen gesehen haben."
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