Geldstrafe für russischen Aktionskünstler Pawlenksi

Russische Justiz urteilt überraschend milde

Der russische Aktionskünstler Pjotr Pawlenski am 08.06.206, dem Tag der Urteilsverkündung im Prozess um das Anzünden der Tür der Geheimdienstzenrale Lubjanka in Moskau im November 2015.
Der russische Aktionskünstler Pjotr Pawlenski am 08.06.206, dem Tag der Urteilsverkündung im Prozess um das Anzünden der Tür der Geheimdienstzentrale Lubjanka in Moskau. © imago/ITAR-TASS
Von Gesine Dornblüth · 08.06.2016
Durch seine spektakulären Aktionen ist Pjotr Pawlenski einer der bekanntesten Performance-Künstler Russlands geworden. Im Prozess um sein letztes Werk - das Anzünden der Geheimdienstzentrale in Moskau - fiel nun das Urteil. Unerwartet milde im Vergleich zu ebenfalls verurteilten Kollegen.
Ungewohnte Milde der russischen Justiz: Ein Moskauer Gericht verurteilte den Aktionskünstler Pjotr Pawlenskij heute zu einer Geldstrafe in Höhe von 500.000 Rubel, umgerechnet rund 6900 Euro, nachdem er im November die Tür der Geheimdienstzentrale Lubjanka angezündet und sich seelenruhig mit einem Benzinkanister in der Hand vor den Flammen hatte fotografieren lassen.
Es war ein Drittel der Summe, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte. Theoretisch wäre sogar eine bis zu dreijährige Haftstrafe möglich gewesen. Die Richterin ließ mildernde Umstände gelten: Pawlenskij hat zwei kleine Kinder. Zudem wurde die siebenmonatige Untersuchungshaft angerechnet. Der Künstler kam noch im Gerichtssaal frei. Draußen erwarteten ihn dutzende russische und ausländische Journalisten.
"Der Ausgang des Prozesses war eigentlich unwichtig. Wichtig ist, dass wir während des Prozesses die Realität aufdecken konnten. Wir konnten sehen, dass man die Kultur mit Methode vernichten und sich dann auf dieser Grundlage selbst zum Kulturdenkmal erklären kann."
Das zielte auf den Geheimdienst. Das Gericht befand Pawlenskij nämlich für schuldig, mit der Tür zur berüchtigten Geheimdienstzentrale Lubjanka ein Objekt des Kulturerbes zerstört zu haben. Um diese Argumentation überhaupt erst zu ermöglichen, hatte der Staatsanwalt erklärt, die Lubjanka sei deshalb ein Kulturgut, weil dort in den 30er-Jahren bekannte Künstler festgehalten wurden.
Pawlenskij seinerseits hatte darauf bestanden, wegen Terrorismus angeklagt zu werden. Er wollte mit seiner Aktion "Bedrohung" gegen den Terror des Geheimdienstes protestieren. Und er wollte zugleich Solidarität zeigen mit jenen, die von der russischen Justiz als angebliche Terroristen zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, wie der ukrainische Filmemacher Senzow und sein Mitverurteilte Koltschenko.
Das hat nun nicht funktioniert. Pawlenskij wirkte fast etwas enttäuscht.
"Wenn sie mich wegen Terrorismus verurteilt hätten, hätten sie ihr wahres Gesicht gezeigt, das sich hinter der heuchlerischen Maske des Humanismus verbirgt."

"Das Gericht hat sich auf das Spiel Pawlenskijs eingelassen"

Die Urteilsverkündung wirkte absurd. Die Richterin arbeitete sich an Beweisen dafür ab, dass Pawlenskij mit einem Kanister ertappt worden sei, und dass in dem Kanister tatsächlich Benzin gewesen sei. Das bestreitet aber niemand.
In der Moskauer Kunstszene gilt Pawlenskij nach wie vor als Außenseiter. Der Künstler Pjotr Werzilow betrachtet das verhältnismäßig milde Urteil gegen Pawlenskij als einen triumphalen Sieg über das System. Seine Frau Nadjeschda Tolokonnikowa von der Gruppe Pussy Riot hat wegen einer Performance in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau fast zwei Jahre im Gefängnis gesessen. Der heutige Tag zeige, dass man nicht nachlassen dürfe, so Werzilow.
"Die politische Opposition hat nicht viele Siege aufzuweisen. Nun kommt der Sieg ausgerechnet von der kulturellen Front."
Oleg Kulik sieht die Sache anders. Der Performancekünstler sorgte bereits in den 90er-Jahren für Aufsehen, als er sich nackt an einem Hundehalsband durch Moskau führen ließ.
"Mir scheint, das Gericht hat sich auf das Spiel Pawlenskijs eingelassen - was er ja wollte. Nach dem Motto: Du machst, was niemand erwartet – wir machen auch, was niemand erwartet. Wir lassen dich frei. Nach Pussy Riot und den ganzen Urteilen mit Haftstrafen von 20 Jahren war das wirklich unerwartet. Für Pawlenskij ist das jetzt die schwierigste Variante. Er war bereit zu einer langen Haftstrafe."
Pawlenskij sagte heute, er habe noch keine weiteren Aktionen geplant. Eins sei aber klar: Die Geldstrafe werde er nicht bezahlen.
"Alle wollen, dass es so aussieht, als hätte ich meine Aktion vom Geheimdienst erkauft. Das kann ich aus Prinzip nicht machen."
Er wolle auch auf keinen Fall, dass andere für ihn bezahlen.
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