Gefahrenzone Mittelmeer

Flucht vor desaströser Lage in Libyen

Flüchtlinge, die von der libyschen Marine nördlich von Tripoli festgenommen wurden, warten am 5.10.2015 in einem Dock im Hafen der Hauptstadt Libyens.
Flüchtlinge, die von der libyschen Marine nördlich von Tripoli festgenommen wurden, warten in einem Dock im Hafen der Hauptstadt Libyens. © picture-alliance / dpa / EPA
Von Jan-Christoph Kitzler, ARD-Hörfunkstudio Rom  · 21.10.2015
Flüchtlingsrouten ändern sich: Das ist im zentralen Mittelmeer zuletzt deutlich zu spüren. Aber auch wenn die meisten Syrer zurzeit den Weg über Griechenland einschlagen, wählen noch immer viele Menschen den lebensgefährlichen Weg von Libyen aus nach Italien.
Im Zentralen Mittelmeer haben sich die die Flüchtlingsströme verändert. Zwar sind in diesem Jahr bislang schon mehr als 130.000 Menschen über das Mittelmeer nach Italien gekommen, aber das sind weniger als im letzten Jahr – immer weniger wagen die Flucht über diese gefährliche Route. Und auch die Zusammensetzung derer, die kommen, hat sich verändert: Nur noch etwa mehr als 7000 Syrer haben es über das Meer bis nach Italien geschafft, die meisten Menschen auf dieser Flüchtlingsroute kommen aus Eritrea, Nigeria und dem Sudan.
Mehr als 3000 Tote in diesem Jahr
Die Route per Flüchtlingsboot von Libyen aus ist gefährlich – in diesem Jahr haben hier schon über 3000 Menschen dabei ihr Leben gelassen, die genaue Zahl lässt sich nur schätzen. Und die, die jetzt immer noch kommen, treibt die desaströse Lage in Libyen, sagt Flavio di Giacomo von der Internationalen Organisation für Migration:
"Es gibt sehr viele Migranten aus Staaten südlich der Sahara, die viele Jahre in Libyen gelebt haben und die jetzt Opfer von Verfolgung, von Missbrauch und Verletzung der Menschenrechte werden. Auch die, die eigentlich Wirtschaftsflüchtlinge sind, fliehen jetzt, um ihr Leben zu retten, um aus Libyen zu fliehen, wo sie in einer Krisensituation festsitzen."
Offenkundig ist, dass Europa große Schwierigkeiten hat, auf die sich schnell verändernden Routen der Flüchtlinge zu reagieren. Vor der libyschen Küste kreuzen die Schiffe des EU-Einsatzes Sophia. Sie sollen Menschen retten, und inzwischen auch die Schlepper bekämpfen.
Schlepper konzentrieren sich auf östliche Route
Aber das große Geld wird längst auf der östlichen Route verdient, mit den fast 300.000 Syrern beispielsweise, die Griechenland seit Beginn des Jahres auf dem Seeweg erreicht haben. Aber auch dort, wird der Kampf gegen die Schlepper ebenso wenig funktionieren, wie auf der Flüchtlingsroute von Libyen aus, sagt Christopher Hein vom Italienischen Flüchtlingsrat:
"Da kann man auch die Boote zerstören, das wird alles einen sehr beschränkten Erfolg haben. Das ist eine dieser Operationen, die dem Publikum vorgestellt werden, jetzt machen wir mal was, jetzt krempeln wir mal die Ärmel hoch. Aber der Erfolg wird nicht da sein, solange nicht die wirklichen Beweggründe, warum die Menschen auf diese Weise nach Europa hereinzukommen, bekämpft werden."
Experten sind sich einig, dass Zäune und sonstige Hindernisse die Flüchtlinge nicht aufhalten werden, solange sich die Situation in ihren Heimatländern, oder dort, wo sie zunächst Schutz suchen, nicht verbessert. Und die Flüchtlingsrouten können sich schnell ändern – das ist in Italien in den letzten Wochen deutlich zu spüren.
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