"Gefährliche Versprechungen"

Moderation: Andreas Müller · 31.07.2008
Energie sei der Stoff, auf dem unser Wohlstand gegründet ist, meint Nico Peach. Verlautbarungen, wir könnten in Zukunft mit weniger auskommen, ohne Abstriche an unserem Lebensstandard zu machen, bezichtigt er der Lüge. Der einzige Weg sei klimaschonendes, individuelles Konsumverhalten, betont der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Oldenburg.
Andreas Müller: In Oldenburg begrüße ich jetzt den Wirtschaftswissenschaftler Nico Paech, schönen guten Tag, Herr Paech!

Nico Paech: Schönen guten Tag!

Müller: Energiesparen ist gut, das haben wir gerade gehört, es spart uns unter anderem schön viel Geld, und als vor einigen Wochen Bundesumweltminister Gabriel das rasche Verbot herkömmlicher Glühbirnen forderte, da wurde uns das ja praktisch schon als weltenrettende Maßnahme verkauft. Bringt uns all das, was wir da gerade gehört haben, wirklich über den Berg?

Paech: Na ja, was die Gebäude anbelangt, da ist es tatsächlich so, dass die zwischen 30 bis 40 Prozent der CO2-Emissionen verursachen, das heißt also, wenn wir dort eine Optimierung der Gebäudehülle und der Haustechnik vornehmen, dann ist das schon ein ganz gewaltiger Schritt. Aber ich denke mal, dass wir das Problem haben, dass auf diesem Planeten momentan nach wie vor so etwas wie ein Bau-Boom wütet, insbesondere in den sogenannten Aufsteigernationen wie etwa Indien und China, und in Deutschland ist es auch nach wie vor so, dass wir praktisch, obwohl die Bevölkerung sogar schrumpft hier wegen der demographischen Entwicklung, weiterhin sehr viele neue Baugebiete ausweisen. Das heißt, insgesamt können wir erreichen durch neue Technologien, dass der Quadratmeter-Energiebedarf pro Wohnfläche sinkt, aber wenn die Wohnfläche nach wie vor so zunimmt wie bisher, dann haben wir einen sogenannten Boomerang-Effekt. Weiterhin müssen wir natürlich immer schauen, was die eingesetzten Technologien ihrerseits in der Produktion, in der Bereitstellung, in der Logistik oder – wie es in der Ökonomie so schön heißt – entlang der sogenannten Wertschöpfungskette an Energie verbraucht, so dass wir dann so etwas wie einen Netto-Effekt erst mal ausrechnen müssen. Und dann sieht die Bilanz insgesamt etwas bescheidener aus. Das ist aber kein Argument gegen Sanierung von Gebäuden und erst recht nicht gegen die Nutzung regenerativer Energieträger.

Müller: Nun hört und liest man hin und wieder von diesem Begriffspaar "Negawatt statt Megawatt". Was bedeutet das?

Paech: Wir haben in der Nachhaltigkeits- und jetzt in der Klimaschutzdiskussion drei wichtige Prinzipien, die immer wieder im Gespräch sind, einmal die Effizienz, mit Effizienz ist einfach nur gemeint, das zu tun, was man tut, wenn man eine Energiesparbirne einschraubt, das heißt, man hat keine Abstriche an der Beleuchtung einer Wohnung, aber der Input an Energie wird reduziert. Unter Konsistenz versteht man, überhaupt nichts einzusparen, sondern die Art der Energieerzeugung qualitativ so zu verbessern, das heißt, so zu ökologisieren, dass also – etwa, wenn wir Ökostrom nehmen, Photovoltaikstrom zum Beispiel– , dass wir dann, ohne einsparen zu müssen, überhaupt keine CO2-Emissionen haben. Und Suffizienz, das meistens vernachlässigte Prinzip, geht soweit, zu sagen, wir müssen dann überhaupt über die Beleuchtung mal nachdenken. Wer selbst im Sommer durch eine deutsche Stadt geht und dies mal unter dem Aspekt macht, zu beobachten, wie viele überflüssige Lampen brennen, der kann sich vorstellen, was ich damit meine, wenn ich von Suffizienz rede, nämlich, einfach zu sagen, wir brauchen viel, viel weniger Energie, wenn wir einfach auch auf die überflüssige Beleuchtung verzichten. Das ist aber sicherlich der unbequemere Weg, und deswegen lässt der sich auch gerade in der politischen Landschaft nicht so gut kommunizieren wie das Versprechen, gestern stand es noch in der "TAZ", Schmidt-Bleek, einer der Päpste der Dematerialisierung und des qualitativen Wirtschaftswachstums kam da gestern zu Wort, der hat gesagt: Wir sind in der Lage, die Effizienz um den Faktor zehn zu erhöhen, das heißt, mit einem Zehntel der Inputs an ökologischen Ressourcen, zumal Energie dann auch, auszukommen, ohne Abstriche am Wohlstand zu machen. Das sind gefährliche Versprechungen.

Müller: Wo kann man denn noch was rausholen überhaupt?

Paech: Es ist tatsächlich so, dass in vielen Güterkategorien längst schon die meisten Effizienzpotenziale ausgeschöpft sind. Wenn Sie sich Waschmaschinen und Kühlschränke anschauen, dann stellen Sie fest, dass man hier gar nicht mehr so viel erreichen kann. Bei den Autos und bei den Häusern, da haben wir im Prinzip so eine Art Umsetzungsdefizit. Hier liegen die Techniken längst bereit, aber wir müssen eine kulturelle und eine marktwirtschaftliche Betrachtung hinzuziehen, um uns klar zu machen, woran es liegt, dass viele Menschen diese Lösung leider immer noch nicht aufgreifen.

Müller: Wöchentlich haben wir neue, schockierende Zahlen, der Sprit wird teurer, Gas, Strom, in der Folge werden sich unzählige Aspekte unseres Lebens verteuern, das ist ja das eine. Völlig zu vergessen scheinen wir die Tatsache, dass es diese Energieträger in ja relativ absehbarer Zeit gar nicht mehr geben wird. Warum tun wir uns trotzdem so schwer, etwas zu ändern, warum tun wir uns so schwer, Energie einzusparen zum Beispiel?

Paech: Einfach deshalb, weil das gesamte Wohlstandsmodell auf nichts anderem als auf Energieumwandlung beruht. Lassen Sie mich das ruhig mal ganz salopp sagen, etwas unwissenschaftlich: Das Spätstadium der Konsumgesellschaft unterscheidet sich kaum vom Spätstadium der Heroinsucht. Im Prinzip weiß auch der Heroinsüchtige, dass er etwas falsch macht, aber es ist so wahnsinnig schwierig, von dem Stoff loszukommen, und der Stoff eben unseres Wohlstandes ist die Energie. Und wenn wir uns dann anschauen, wie Konsumentscheidungen getroffen werden, vor allem auch Mobilitätsentscheidungen, dann können wir nicht – wie das oft in der traditionellen ökonomischen Theorie propagiert wird – davon ausgehen, dass dies allein vernunftgeleitete oder rationale Entscheidungen sind, sondern die Symbolik dessen, was wir tun, und die Emotionalität – das sind vor allem die handlungsleitenden Motive. Der Mensch ist ein soziales Wesen, und so erklärt sich, weshalb unsere Konsumgesellschaft die Eigenschaft hat, dass es uns Einzelnen jeweils schwerfällt, von dem hohen Energiekonsum runterzukommen.

Müller: Angenommen, wir schrauben demnächst Energiesparlampen ein und lassen den Rest so, wie es ist, wir lassen alles beim Alten. Was passiert dann? Beziehungsweise andersherum gefragt, wie lange geben Sie uns noch?

Paech: In der Bundesrepublik ist es so, dass ein einzelnes Individuum durchschnittlich pro Jahr 10,8 Tonnen CO2 emittiert. Wir wissen, wir müssten eigentlich, um auf ein tragfähiges, global und langfristig tragfähiges Niveau zu kommen, müssten wir etwa auf zwei Tonnen runter. Und wenn Sie jetzt Energiesparlampen austauschen in einem durchschnittlichen Haushalt, dann bringt Ihnen das maximal, na ja, 0,5, vielleicht eine Tonne. Das ist ein Zehntel des derzeitigen durchschnittlichen CO2-Aufkommens einer Person, und wir müssen aber im Prinzip um viel, viel mehr runter, wir müssen eigentlich um 80 Prozent runter. Das heißt also, Energiesparbirnen bringen gar nicht so viel, und wir dürfen auch nicht vergessen, das ist dasselbe Problem wie mit der Atomenergie: Wir versuchen ja ein Problem zu lösen, nämlich das CO2-Problem, dafür aber haben wir enorme Abfälle und auch die Produktion. Ich meine, wenn eine Energiesparbirne kaputtgeht, ist das ein richtiges Entsorgungsproblem, und auch die Produktion von Energiesparbirnen wirft einige ungelöste Probleme auf. Das dürfen wir nicht vergessen. Ich würde niemandem davon abraten, Energiesparbirnen zu nehmen, aber es macht keinen Sinn, den Leuten vorzulügen, dass dies alleine hilft. Dasselbe gilt für ein Drei-Liter-Auto oder eben für ein Passivhaus. Wenn wir Passivhäuser bauen, aber in einem Passivhaus von 120 oder 140 Quadratmeter nur eine Person wohnt, bringt das eben auch nicht viel. Das heißt also, es gibt gar nicht so viele nachhaltige oder klimaschonende Produkte, es gibt nur klimaschonendes, individuelles Konsumverhalten, da liegt der Hase im Pfeffer. Wichtig wäre es, dass die Politik aber auch andere Multiplikatoren den Menschen nicht länger vorlügen, dass wir weiter auf diesem Wohlstandsniveau so leben, existieren können, sondern dass wir uns langsam aber sicher daran gewöhnen, dass es jetzt einen Schrumpfungsprozess geben muss. Und der muss niemanden unglücklicher machen.

Müller: Sagt Nico Paech, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Oldenburg, in unserer Reihe "Ist die Welt noch zu retten?", ist der Klimawandel aufzuhalten, über Möglichkeiten aber auch Grenzen des Energiesparens. Vielen Dank!
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