Geburt eines Mythos

Von Katja Nicodemus · 12.06.2013
"Cleopatra" gab der Welt "Liz and Dick", das Liebespaar Taylor-Burton. Insgesamt zweieinhalb Jahre dauerten die Dreharbeiten, bei denen Regisseure und sämtliche Hauptdarsteller außer Liz Taylor ausgetauscht wurden und das Budget um ein Vielfaches anstieg.
Es war der Film, der Hollywood veränderte. Vorbei die Zeiten, in denen die großen Studios das Image ihrer Darsteller bis in die letzten Details kontrollierten. Schluss mit den Tagen, in denen selbst Superstars vor den Launen und Verträgen der Studiobosse kuschten! Das Drehbuch von Joseph L. Mankiewicz' Film "Cleopatra" wusste jedenfalls, wer das Sagen hatte.

"Die Königin hat mich um eine Unterredung gebeten."
"Das war gestern, großer Cäsar."
"Da war ich durch Staatsgeschäfte verhindert."
"Die erhabene Königin ist durch ihr Bad verhindert. Vielleicht kommt Cäsar später wieder. Oder morgen."

Alles begann mit einem teuren Witz: Elizabeth Taylor, die von der Rolle der Cleopatra nicht wirklich überzeugt war, forderte halb im Scherz von der Produktionsgesellschaft 20th Century Fox eine übertriebene Gage. So wurde Taylor der erste Star, der für einen Film eine Million Dollar bekam. Am Ende waren es mit allen Überziehungsgagen fünf Millionen. Die monumentale Summe setzte den Maßstab für einen monumentalen Film, der erst zum Flop wurde, nach Jahren aber doch Gewinn einbrachte.

Man muss sich nur Cleopatras Einzug in Rom auf einer gigantischen, von Hunderten von Sklaven gezogenen schwarzen Sphinx anschauen, um zu begreifen, dass Hollywood hier die ganze schwere Materialität des Ausstattungskinos ins Felde führte - gegen die heraufziehende Konkurrenz des Fernsehens. 44 Millionen Dollar kostete Mankiewicz' Film schließlich, was heute - inflationsbereinigt - 300 Millionen Dollar entspricht. Die letzten drei Millionen gingen für die Schlacht von Pharsalos drauf, nachgedreht im spanischen Almeria mit 3000 Statisten und 1000 Pferden.

Zweieinhalb Jahre dauerten die immer wieder verschobenen Dreharbeiten in England, Italien, Spanien und Ägypten, bei dem letztlich alle den Überblick verloren. Hinter den Kulissen tobte der Kampf zweier Studiobosse; der erste Regisseur wurde durch Mankiewicz ersetzt, sämtliche Hauptdarsteller außer Liz Taylor wurden ausgetauscht; zwischendurch war die chronisch lungenkranke Taylor einmal klinisch tot und konnte nur durch einen Luftröhrenschnitt gerettet werden. Nach der Premiere am 12. Juni 1963 schrieb das Magazin "Newsweek" lakonisch:

"Aus Liebe zu ihr gab Cäsar sein Herz, Antonius sein Leben und die Twentieth-Century-Fox ein ganzes Gesellschaftsvermögen."

Und natürlich geht es im "Cleopatra-Komplex" auch darum: Elizabeth Taylor lernte am Set den Mann ihres Lebens kennen - Richard Burton, alias Marcus Antonius. Schon auf der Leinwand beginnt die Liebe der beiden turbulent mit einer nächtlichen Eifersuchtsszene:

"Sag' mir, wie viele haben dich geliebt nach ihm? Einer, zehn oder keiner? Keiner? Haben sie dich geküsst mir Cäsars Lippen, berührt mit seiner Hand? Und hast du nachts seinen Namen gerufen?"

"Du bist zu mir gekommen, triefend von Wein und Selbstmitleid, um Cäsar zu besiegen?"

"Von jeher schon erfüllst Du mein Leben wie ein großes Rauschen, das ich immerzu höre im Herzen."

"Cleopatra" gab der Welt "Liz and Dick", das Liebespaar Taylor-Burton. Während der Dreharbeiten begannen die beiden anderweitig Verheirateten eine Beziehung, die als Celebrity-Skandal unfassbaren Ausmaßes über die Titelseiten ins globale Bewusstsein katapultiert wurde und in einem offenen Brief des Vatikans an Elizabeth Taylor gipfelte, der ihr "erotisches Vagabundieren" geißelte. "Cleopatra" machte die Taylor zum Pop-Mythos "Elizabeth Taylor": zur Heldin eines endlosen Melodrams aus millionenteuren Diamanten, romantischen Mehrfachheiraten, Alkohol-Exzessen und regelmäßigen Krankenhausnoteinlieferungen. Aber was bleibt von "Cleopatra", dem Film?

Zunächst einmal die aus heutiger Sicht recht abstrus wirkende Mischung aus antikem Hollywoodpappmaschee und 60er-Jahre Styling. Angesichts von leicht bekleideten Paillettentänzerinnen und psychedelisch angehauchter Palastausstattung weiß man manchmal nicht, ob man sich in Rom befindet oder in einem Nachtklub jener Jahre. In Erinnerung bleibt die seltsam starr spielende Elisabeth Taylor, die wie erdrückt wirkt von ihrer großen Gage und dem außerfilmischen Rummel um ihre Person. Vor allem aber bleibt von "Cleopatra" die Chuzpe, die Hybris, die große Geste einer außer Kontrolle geratenden insgesamt vierstündigen Hollywoodproduktion. Es gibt übrigens immer noch eine Stunde Drehmaterial, das nie veröffentlicht wurde.