GdP-Chef: "Eiertanz" um Anti-Terrorgesetze

28.05.2011
In der Diskussion um eine Verlängerung der Anti-Terrorgesetze hat der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, den Parteien vorgeworfen, auf Kosten der Inneren Sicherheit einen "politischen Eiertanz" aufzuführen.
Ute Welty Soweit also die politischen Überlegungen, was aber sagt ein Mann der Praxis dazu? Bernhard Witthaut zum Beispiel, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Guten Morgen!

Bernhard Witthaut Ja, guten Morgen!

Welty Wenn Sie entscheiden könnten, welche Maßnahmen würden Sie verlängern, und worauf würden Sie verzichten wollen?

Witthaut: Es gibt ja in diesem gesamten Paket viele Maßnahmen, die ja nicht unmittelbar die Polizei betreffen, sondern auch die Bundesnachrichtendienste, den militärischen Abwehrdienst und, und, und – aber wir brauchen zum Beispiel dringend für unsere Kolleginnen und Kollegen, nicht nur im Bundeskriminalamt, sondern auch für die Länderpolizeien in den Landeskriminalämtern das Stichwort Vorratsdatenspeicherung. Das ist etwas, das wir als Praktiker überhaupt nicht akzeptieren, und auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele Gesetze in diesem Paket, wo wir als Polizei unmittelbar nicht mit berührt sind. Deswegen ist der Sinn, eine Evaluierung vorzunehmen, schon richtig.

Welty: Wobei die Vorratsdatenspeicherung ja nicht originär als Antiterrorgesetz sozusagen aufs Tapet gekommen ist. Ist es sinnvoll, diese beiden Punkte jetzt zu verknüpfen, oder macht das nur die Verhandlungsmasse größer?

Witthaut: Ich glaube, das ist gerade der entscheidende Aspekt, der hier im Hintergrund eine Rolle spielt, weil ja unsere Bundesjustizministerin sich ja vehement dagegen wehrt, dieses Thema umzusetzen. Und wenn man die Debatte in den letzten Monaten ein wenig verfolgt hat, kann man wirklich ganz deutlich erkennen, darum geht es eigentlich, und alles andere ist meines Erachtens wirklich der zwar sicherlich ehrenwerte Gedanke, die liberale Freiheit der Bürgerinnen und Bürger aufrechtzuerhalten, aber wir sind in der Tat in einer Situation, wo uns als Ermittlungsbehörden in vielen Dingen die Hände gebunden sind. Und das ist etwas, was ich als politischen Eiertanz einfach nur bezeichne, weil hier nicht das Parlament entscheidet, sondern hier letztendlich eine kleine, aber sicherlich wichtige Partei in unserem Lande alles blockiert.

Welty: Die Regierungskoalition streitet wie gesagt mehr oder weniger offen über den Zuschnitt der künftigen Gesetze, die SPD, auf Länderseite hat sie ein Wort mitzusprechen, hat Widerstand angekündigt – geht diese politische Auseinandersetzung auf Kosten der Sicherheit?

Witthaut: Eindeutig! Das muss man wirklich so sagen, weil wir haben ja jetzt auch schon mehrere Fälle, wo man tatsächlich durch die gute Arbeit der Ermittlungsbehörden ja rechtzeitig auch die entsprechenden Ansätze gefunden hat, um Anschläge zu verhindern. Wir haben in Deutschland bisher lediglich Glück gehabt. Es ist einfach für mich eine Frage der Zeit, dann werden wir betroffen sein, und dann werden wir vermutlich genau das gleiche Chaos erleben, was wir jetzt zur Zeit in der Atompolitik erleben, mit der Stromversorgung in Deutschland. Und wenn wir da bereits drauf hinweisen, wenn wir das erkennen, dann ist das wirklich etwas, was wir uns nicht leisten können in diesem Land.

Welty: Aber inwieweit können dann welche Gesetze auch immer Schutz bieten gegen radikale Einzeltäter, wie wir das in Stockholm gesehen haben, zum Beispiel?

Witthaut: Natürlich ist das ja auch die Schwierigkeit, rechtzeitig solche Entwicklungen zu erkennen, wann sich jemand radikalisiert, wann er plötzlich bereit ist, vielleicht bis zum letzten Schritt zu gehen, aber deswegen ist es ja auch so insgesamt wichtig, aus den Überwachungsmöglichkeiten, die die Dienste beziehungsweise auch die Polizei hat, das Notwendige herauszufinden. Ich halte im Übrigen auch eine Evaluierung für erforderlich, weil man muss schon nachgucken, was haben diese Gesetze gebracht oder nicht. Aber bis dahin kann man natürlich auch bereits eine Tendenz angeben, das geschieht ja hier gar nicht! Da sagt die eine Partei: Ja, wir sind dafür. Hier sagt die andere Partei klar: Nein. Die dritte Partei sagt: Na ja, okay, wollen wir doch mal gucken, wie weit wir gehen können, wir sind ja eigentlich dafür, aber wir wollen den Bundesinnenminister nicht zu sehr unterstützen. Sie können also an dieser Gemengelage erkennen, dass die Gesetze – dass man zum Beispiel auf Daten zurückgreifen kann, dass man Konten überprüfen, dass man Geldbewegungen und Geldströme nachvollziehen kann –, das sind ja alles Pakete, die da mit eine Rolle spielen und die auf dieser Seite letztendlich für die Sicherheit in unserem Lande insgesamt sorgen.

Welty: Welche Kriterien würden Sie für eine Evaluierung anlegen?

Witthaut: Also natürlich muss man mal genau hineinschauen, welche Gesetze angewandt wurden, wo welche Maßnahmen getroffen wurden. Wir stellen ja auch fest, dass zum Beispiel in der Geldbewegung ja nun nicht allzu oft diese Maßnahmen vorgenommen werden, und ich finde, daran zeigt sich schon ganz deutlich, wie sorgfältig die Behörden damit umgehen, das muss auch ein Appell sein, der – natürlich hat der Bürger und die Bürgerin ein Recht darauf, vor der Preisgabe seiner Daten geschützt zu werden, aber auf der anderen Seite haben wir natürlich auch ein berechtigtes Interesse, Menschen vor Straftaten und dann dementsprechend auch vor Anschlägen zu schützen. Und ich halte das, was jetzt passiert, wirklich für einen politischen Eiertanz.

Welty: Der Bundesinnenminister will sprechen mit dem Bundeskriminalamt, mit dem Bundesnachrichtendienst und mit dem Verfassungsschutz, aber nicht mit der Polizei der Länder. Ist Ihre Meinung da nicht so sehr gefragt?

Witthaut: Also, das ist ja sicherlich etwas, was ich als Landesinnenminister auch mit einem sehr großen Augenbrauenzucken nicht akzeptieren würde. Aber daran kann man auch wirklich erkennen: Es geht hier auch zum Teil um eine politische Machtfrage. Wer hat in diesem Lande noch was zu sagen? Wir haben ja auch in den entsprechenden Bundesländern die A- und B-Länder, auch dort gibt es ja sehr unterschiedliche Auffassungen. Hier geht es letztendlich aus meiner Sicht darum, wer setzt sich zum Teil durch, bis hin zur Frage: Wie lange hält diese Koalition auf der Bundesebene noch? Und da spielen in diesen Fragen meines Erachtens die Erkenntnisse, die die Länder haben, die auch die Landeskriminalämter haben, die sie ja jetzt auch am Freitag vorgelegt haben, schon eine sehr eindrucksvolle und wichtige Rolle, und deswegen verstehe ich auch überhaupt nicht, warum der Bundesinnenminister diese Werte, diese Erfahrung nicht mit einfließen lässt.

Welty: Was kaum ein Gesetz der Welt regeln kann, das ist das Zusammenspiel zum Beispiel von Polizei und Geheimdiensten, da hört man sehr viel über Ressentiments, ja sogar über Misstrauen, so nach dem Motto: Finger weg, Kollege, das ist meine Leiche! Wie kommt man in dieser Hinsicht voran?

Witthaut: Wir fordern als Gewerkschaft der Polizei schon seit ganz langem, dass gerade auch in diesen sehr schwierigen, sehr aufwändigen Themen, eine sehr, sehr intensive Zusammenarbeit und Kooperation im Rahmen der gesetzlichen Rahmen erfolgen muss. In der Tat ist das so, kenne ich jemanden sehr gut aus einem Dienst oder aus einer anderen Organisationsstruktur, kriege ich Informationen, die ich ansonsten auf dem offiziellen Wege nie kriege, deswegen wäre für mich ja auch sehr interessant, was so ein Evaluierungsbericht ja auch dann zu Tage fördert. Das ist eines unserer großen Probleme, die wir haben. Und wenn man dann noch zum Beispiel sich in dem Bereich der Finanzbewegungen die unterschiedlichen Zuständigkeiten – Finanzministerium und Innenministerium – ansieht, dann kann man sich als normaler Mensch wirklich nur an den Kopf fassen.

Welty: Bernhard Witthaut war das, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Ich danke für diese Einschätzung, hier in Deutschlandradio Kultur!

Witthaut: Bitteschön!
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