GamesCom

Geschichten für den Bildschirm

Besucher spielen am 13.08.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) am Fachbesuchertag der Computerspielemesse "Gamescom" das Spiels "The Crew".
Die Gamescom ist eine Messe für interaktive Unterhaltungselektronik, insbesondere Video- und Computerspiele. © picture alliance / dpa - Henning Kaiser
Von Markus Richter · 15.08.2014
Auf der weltweit größten Computerspiele-Messe in Köln trifft Literatur auf Gameskultur. Autoren beider Seiten tauschen sich darüber aus, wie authentische Charaktere und berührende Geschichten entstehen.
"Herzlich willkommen, meine Damen und Herren zu einem Nachmittag im Zeichen des Projekts New Level, das Computerspiele durch die Lesebrille betrachtet und die Literatur im Zeichen der Erzählweisen, die durch Computerspiele möglich geworden sind."
So fast Thomas Böhm, der Programmleiter des Internationalen Literaturfestivals Berlin, das Ansinnen, das hier auf dem GamesCom-Congress verfolgt wird, zusammen.
Und was passiert, wenn sich beide Welten treffen? Um das herauszufinden, haben die Veranstalter literarische Autoren gefragt, was für ein Computerspiel sie gerne schreiben würden. Erstes Ergebnis: Die Idee des Berliner Autors Wladimir Kaminer, der durch sein Buch "Russendisko" bekannt wurde. In seiner Spielidee geht es um einen jungen Mann, der Omas mit seiner Axt erschlägt - zum Schluss sogar die Bundeskanzlerin.
"Einer unglaublich schnellen Oma, die sich unsichtbar machen und Feuer spucken kann."
Dem Publikum gefällt die Idee. Denn dahinter steckt eine überzogene Parodie von Dostojewskis "Schuld und Sühne", in der eben auch ein junger Mann zwei alte Frauen erschlägt. Was in der Literatur völlig normal ist, geht bei Spielen noch lange nicht. In der anschließenden Diskussion wird klar: Kaminers Spielidee würde wahrscheinlich keine Altersfreigabe erhalten und dürfte gar nicht frei verkauft werden.
Computerspiele sind attraktives Feld für literarische Autoren
In der Literatur sind der Fantasie also keine Grenzen gesetzt, während die Geschichten die Computerspiele erzählen wollen, viel stärkeren gesellschaftlichen und politischen Einschränkungen unterworfen sind. Trotzdem ist die Welt der Spiele ein spannendes Betätigungsfeld für Autoren - auch aus ganz weltlichen Gründen.
"Wo stehe ich in den nächsten zehn Jahren, die Medienlandschaft verändert sich, ich will weiter arbeiten. Wo gibt es Beschäftigungsmöglichkeiten in Zukunft für Autoren."
Mario Giordiano schreibt Romane und Drehbücher - und arbeitet zusammen mit der Spieledesignerin Grit Schuster an einem interaktiven Projekt.
"Im Projekt geht es um Märchen, Märchenfiguren, die man versucht wieder auf ihren Weg zu bringen, den sie im Märchen erfüllen müssen, in dem man ihre Emotionen beeinflusst, das war die Grundidee."
In der Diskussionsrunde, an der Schuster und Giordiano auf der GamesCom teilnehmen, geht es um ihre Zusammenarbeit - das gemeinsame Wirken von literarischem Autor und Spieledesignerin.
Ein spannendes Problem, das zeigt wo beide gut zusammen arbeiten können, ist die Art und Weise, wie eine emotionale Bindung zwischen Spieler und Spielfigur geschaffen werden kann. Für Mario Giordiano ist diese Bindung ein sehr wichtiges Qualitätsmerkmal, das zum Beispiel aus einem simplen Rätselspiel, einen packenden Krimi machen kann.

"Und dann fängt auch ästhetisches Erzählen an, wenn ich mir einen Detektivtypus vorstelle, der auch seine Schuld an der Gesellschaft abzutragen hat und deswegen diesen Fall aufklären muss, und nicht nur um des reinen Rätsels willen."
Klassische Literarische Mittel auch in Computerspielen sinnvoll
Und um diesen Effekt zu erreichen, lohnt es sich eben, klassische literarische Mittel einzusetzen, glaubt auch Spieledesignerin Grit Schuster.
"Worte in eine Figur legen und damit deren Charakter ausdrücken. Das ist tatsächlich die Fähigkeit, die ein Literat hat, der weiß wie bestimmte Figuren sprechen."
Allerdings ist das nicht wortwörtlich zu nehmen: Die Figur soll zwar Tiefe haben, aber diese soll nicht nur durch reines lineares Erzählen hergestellt werden.
"Wenn ich diese Hintergrundgeschichte über die Interaktion auf irgendeine Art und Weise erzählen kann, dass sich dann viel bessere Bedingungen eröffnen um den Spieler dazu zu bringen, sich in diese Situation in diese Persönlichkeit hineinfallen zu lassen."
Es sind also klassische literarische Werkzeuge, die im Entwurf einer Geschichte zum Einsatz kommen. Aber erst durch eine spielerische Umsetzung, die auch Freiheitsgrade erlaubt, wird daraus ein Gesamtwerk. An dieser Stelle lässt sich auch beobachten, welchen Grundkonflikt Literatur und Spiele austragen müssen, wenn sie zusammen kommen wollen.
"Wenn du für ein gutes Spiel eine gute Geschichte schreiben willst, dann musst du verstehen, dass du dem Spieler einen Teil der Kontrolle der Geschichte abgeben musst. - Dann musst du verstehen, dass eine Geschichte nicht hundert verschiedene Enden haben kann, nur weil der Spieler die totale Kontrolle hat."
Vielversprechende Zusammenarbeit der beiden Welten
Ein Widerspruch, der sich so schnell wohl nicht lösen lassen wird - je mehr Freiheitsgrade ein Spiel bieten soll, desto weniger wird die Geschichte planbar im klassischen literarischen Sinne.
Trotzdem scheint die Zusammenarbeit beider Kulturkreise spannend und vielversprechend. Vielleicht gibt es ja schon zur nächsten GamesCom nicht nur Ideen - sondern auch fertig umgesetzte Spiele. Möglicherweise sogar mit einem Schuss Dostojewski und fürchterlichen Oma-Monstern.
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