"Games for Peace" aus Israel

Zocken für den Frieden

Ein Junge spielt auf seiner Xbox Spielkonsole, aufgenommen am 06.01.2015 in Dresden
Computerspielen verbindet: Ein Projekt aus Israel schafft einen besonderen Begegnungsort für Juden und Araber. © picture alliance / dpa / Thomas Eisenhuth
Von David Donschen · 07.03.2017
Für weniger Hass und ein besseres Verständnis: "Games for Peace" nennt sich eine Initiative in Israel, die arabische und jüdische Jugendliche zusammenbringt. In der Hafenstadt Haifa spielen sie gemeinsam das äußerst populäre Computerspiel Minecraft.
So klingt Minecraft. Und so klingt es, wenn 20 israelische Schulkinder Minecraft spielen.
Es ist neun Uhr morgens an der Izraelia-Schule in Haifa. Normalerweise hätten die Sechstklässler jetzt normalen Unterricht. Heute aber lenken die Elfjährigen Avatare durch die bunte Klötzchenwelt von Minecraft.
Minecraft, das ist gerade das große Ding in Kinderzimmern auf der ganzen Welt - über 100 Millionen Mal wurde das Computerspiel bisher verkauft. Vergnügt klettern die israelischen Sechstklässler in virtuellen Burgen umher oder schießen mit Feuerpfeilen auf etwas blöd dreinblickende Schafe.

Kinder aus getrennten Welten

Aber das Ganze ist hier kein Bespaßungsprogramm, sondern hat einen ernsten Hintergrund. Play2talk heißt das Projekt. Die Idee: Jüdische Kids spielen über das Internet gemeinsam mit Altersgenossen einer arabischen Schule – und kommen so mit ihnen ins Gespräch. Denn obwohl die Kinder in derselben Stadt wohnen, haben sie kaum etwas miteinander zu tun.
Itay Warman ist Chef der Initiative Games for Peace, die das Schulprojekt hier veranstaltet:
"Ich bin jedes Mal wieder schockiert darüber, dass die Kinder nie miteinander sprechen. Die jüdischen Kinder zum Beispiel wissen nicht, wo Araber in Israel leben, wie viele es sind und dass es unter den Arabern Muslime, Christen und Drusen gibt. Das alles wissen sie nicht."
Gut 20 Prozent die israelischen Staatsbürger sind Araber. Die meisten von ihnen leben streng getrennt von der jüdischen Mehrheitsgesellschaft. Es gibt separate Schulen, separate Wohnviertel, separate Sportvereine. Und so bestimmen Vorurteile das Verhältnis zueinander. Mohamed kennt die aus eigener Erfahrung.
Der 13-Jährige macht an der arabischen Abed-El-Rachman-Schule in Haifa beim Minecraft-Projekt mit:
"Viele von Ihnen halten uns für Terroristen, Mörder und Diebe. Aber das stimmt nicht. Schließlich gibt es in jeder Gruppe gute und schlechte Menschen."

Begegnungsort für Juden und Araber

Damit das mehr Kinder verstehen, erschafft "Games for Peace" in der virtuellen Welt von Minecraft etwas, das es im realen Israel kaum noch gibt: einen Begegnungsort für Juden und Araber. Der virtuelle Raum hat dabei einen entscheidenden Vorteil, glaubt Games-for-Peace-Chef Itay Warman:
"Wenn die Kinder sich in Minecraft begegnen, dann sehen sie nicht, ob sie da mit einem Drusen, Araber, Juden oder Christen zusammenspielen. Stattdessen sind da nur virtuelle Avatare. Das macht das Kennenlernen viel einfacher."
In sechs Unterrichtsstunden lösen die Schulkinder in gemischten Teams Aufgaben in dem Computerspiel. In der ersten Stunde geht es zum Beispiel darum, den Weg aus einem virtuellen Gefängnis zu finden. Zweimal während des Projekts treffen sich die Kids dann auch in der echten Welt.
In Haifa gibt es solche organisierten Begegnungen zwischen jüdischen und arabischen Schülern häufiger. Doch die Treffen bei Games for Peace sind anders. Findet jedenfalls Nevin Abasi. Abasi ist Lehrerin an der arabischen Schule:
"Wenn sich die Schulkinder sonst von Angesicht zu Angesicht treffen, dann überwiegen die gegenseitigen Vorurteile. Wenn die Kinder sich aber hier in dem Projekt treffen, dann haben sie etwas, worüber die sprechen können - nämlich über ihre gemeinsamen Erfahrungen in Minecraft."

Gemeinsam Emotionen erleben

Dass solche Gaming-Projekte auch einen nachhaltigen Effekt haben können, dafür gibt es mittlerweile auch wissenschaftliche Belege. In Berlin forscht Jens Junge darüber. Junge ist Professor an der Hochschule für Kommunikation und Design:
"Es ist ja so, dass wir gemeinsam im Spiel Emotionen erleben. Und Emotionen sind für unser Hirn manchmal viel, viel wichtiger als irgendwelche Argumente oder Vorurteile. Ich hab doch plötzliche ganz andere Erfahrungen gemacht. Und diese elementaren Erfahrungen siegen oft auch im Umgang. Ich bekomme plötzlich mit: Das ist ja so ein Mensch wie ich."
Mit über 1000 Kindern in Israel hat Games for Peace solche Schulprojekte schon veranstaltet. Und tatsächlich gibt es immer wieder kleine Erfolgsgeschichten, wenn arabische und jüdische Schulklassen über das Projekt hinaus in Kontakt bleiben.
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